Sternwarten

Sternwarten

Sternwarten. Diejenige Art der Observatorien (s. Bd. 6, S. 731), welche speziell für astronomische Beobachtungen errichtet werden, müssen einer ganzen Reihe besonderer Forderungen entsprechen, die sich gegenwärtig nicht alle gleichzeitig erfüllen lassen.

Man hat deshalb begonnen, Sternwarten zu bauen, die losgelöst von der Aufgabe, den jungen Astronomen als Lehrinstitute zu dienen in der Verbindung mit Hochschulen, allein der Erforschung der Vorgänge im Weltenraum gewidmet sein sollen. Ist im ersteren Falle die Nähe der Stadt und eine bequem zu erreichende Oertlichkeit Bedingung, so kann im zweiten Fall das gesamte Augenmerk auf eine den astronomischen Arbeiten günstige Lage in ruhiger und zweckentsprechender Gegend, besonders auch mit Bezug auf die meteorologischen Verhältnisse gerichtet werden.

Die Eigenart der astronomischen Instrumente bedingt eine zweifache Ausgestaltung der Gebäude, in denen dieselben aufgestellt werden, wobei dieselben in der Hauptsache stets nur als Schutz gegen die Einflüsse von Wind und Wetter für Instrumente und eventuell auch für den Beobachter zu denken sind, aber die vollkommene Ausnutzung der Instrumente und die seinem Zwecke entsprechende Bewegungsmöglichkeit in keiner Weise behindern dürfen. Dazu kommen dann noch die Gebäude, welche die Bureau-, Arbeits- und Wohnräume umfassen. Diese letzteren unterscheiden sich nicht von denen andrer wissenschaftlicher Institute, nur ist auf eine zweckmäßige Verbindung derselben mit den eigentlichen Beobachtungsgebäuden Gewicht zu legen. Verbindungsgänge und dergl. pflegt man anzulegen, die auch bei Nacht eine sichere und schnelle Verbindung ermöglichen, dabei dürfen dieselben aber in keiner Weise den freien Ueberblick behindern und auch keine Veranlassung zu Strahlungsanomalien bei starker Erwärmung oder[749] Abkühlung bieten. Bei den neuesten Sternwarten (Hamburg) hat man diese Gänge wieder weggelassen, weil man die Einzelgebäude noch weiter auseinander legte als früher (Straßburg).

1. Gebäude für festaufgestellte und nur in einer Vertikalebene (Meridian oder Ostwestrichtung) bewegliche Instrumente (Meridiankreise, Durchgangsinstrutnente und dergl.). – Erste Bedingung absolut feste und gegen alle äußeren Einflüsse gesicherte Aufstellung der Instrumente. Daher tiefe Fundierung der Aufstellungspfeiler, also Herabgehen bis auf sicheren Baugrund – Kieslager oder gewachsenes Gestein. Pfeilermasse möglichst ausgedehnt, ohne zu nahe an die Grundmauern der Schutzgebäude zu kommen, 1–2 m Abstand. Danach sind die Dimensionen des Gebäudes zu bemessen. Auf einem Pfeilerblock immer nur ein größeres Instrument aufstellen, höchstens noch die zugehörigen Nebenapparate, soweit sie zur Kontrolle des Verhaltens der Instrumente dienen, nicht aber, um dessen Lage zu den Fundamentalebenen zu überwachen. Zu letzterem Zweck gesonderte Aufstellung wünschenswert (Miren, Kollimatoren u. dergl.).

Diese Fundamente und Pfeiler aus Ziegelsteinmauerwerk, jetzt bevorzugt mit Lüftungskanälen, und, soweit es die Stabilität zuläßt, hohl bauen, damit gutes Austrocknen und gleichmäßiger Temperaturausgleich erleichtert wird. Die Figur zeigt einen derartigen Aufbau der Pfeiler. Bei größeren Anlagen werden die Umfassungsgrundmauern bis 2–3 m über Boden geführt [2], bei kleineren Einzelgebäuden weniger hoch. Sie tragen die jetzt meist in Form von Doppeljalousiekonstruktion gebauten Wände, die entweder in tonnenförmiger Gestalt (die großen Meridian-Neubauten in Kiel und Hamburg haben solche) ausgeführt werden oder mit 1–11/2 m breiten, möglichst bequem zu öffnenden Spalten in Richtung der Visierlinie versehen sind. Soweit nur möglich, ist darauf zu sehen, daß ein vollständiger Temperaturausgleich zwischen Innenraum und äußerer Luft hergestellt werden kann. Die Schichtung der das Instrument zunächst umgebenden Atmosphäre soll eine gleichmäßige sein, wegen der Refraktionswirkung. Die Spaltverschlüsse sind ziemlich schwierig herzustellen, da sie im geöffneten Zustand keine strahlenden Flächen darstellen dürfen und geschlossen gegen das Eindringen von Regen und Schnee durchaus schützen müssen. Man pflegt dieselben in Form von Schiebedächern oder als Jalousien zum Aufziehen oder Herablassen im ganzen oder auch zum Aufrollen herzustellen. – Die Fußböden werden auf Sondergewölben oder freitragend direkt auf den Umfassungsgrundmauern aufgesetzt und die Pfeiler völlig frei hindurchgeführt. Die Zwischenräume zwischen diesen und dem Bodenbelag werden entweder mit Filz, Watte oder dergl. ausgestopft oder noch besser durch Metallrippen, die in mit Glyzerin gefüllte Tröge eintauchen, abgedichtet, damit die Bodenfeuchtigkeit oder aufsteigende Luftströme abgeschlossen werden.

2. Schwieriger gestaltet sich der Bau der Aufstellungsräume für allseitig bewegliche Instrumente (Aequatoreale, Refraktoren oder große Spiegelteleskope). Die Bauten müssen gewöhnlich höher geführt werden, um freie Aussicht über die Umgebung zu erhalten (10–25 m); die Pfeiler werden dadurch komplizierter, wenn auch nicht gleich hohe Anforderungen an Stabilität gestellt zu werden brauchen. Die Aussparungen in den Pfeilern werden häufig zur Aufstellung von Uhren u. dergl. Apparate eingerichtet, wenn dafür nicht ganz besonders gegen Temperaturschwankungen geschützte Räume in den Kellergeschossen eingerichtet werden können. – Die Pfeiler werden meist aus einigen konzentrischen Konen aufgebaut, die sich oben unter einer Grundplatte für das Instrument vereinigen. Die Mauermäntel sind mehrfach durchbrochen, um gleichmäßige Erwärmung und Ventilation zu ermöglichen. Die Dachkonstruktionen werden in zylindrischer- oder Halbkugelform gehalten. Meist Eisenkonstruktion auf Rollen, die miteinander gekuppelt sein können oder auf Kugeln (bei geringem Gewicht der beweglichen Teile) laufend. Die Rollen laufen auf ebenen oder wohl auch ausgekehlten Schienen, die das Mauerwerk decken, und die Kuppel selbst ist unten durch gleiche Schienen getragen. Sind die zu bewegenden Teile sehr schwer, so hat man auch Schwimmkästen eingerichtet, die einen erheblichen Teil des Kuppelgewichtes durch Auftrieb tragen (Nizza). Die Spaltverschlüsse sind entweder als Halbzylinder konstruiert, die sich seitlich verschieben, als Einzelklappen, als Jalousien oder auch als um die Mittelachse drehbare Schiebeteile. Es muß bei Ausführung der Spaltverschlüsse, die wohl auch ganze Sektoren der Kuppeln zu decken haben, darauf geachtet werden, daß sich bei offenem und geschlossenem Zustand der Gesamtschwerpunkt der Dachkonstruktion nicht wesentlich verlagert, da sonst die Bewegungsmechanismen nicht gleichmäßig funktionieren können. In diesem engen Rahmen müssen die gegebenen Andeutungen genügen. Wegen näherer Einzelheiten muß auf die Beschreibungen der Sternwarten, die sich in den betreffenden Publikationen vorfinden, verwiesen werden [2]–[6].


Literatur: [1] L. Ambronn, Handbuch der astron. Instrumente. – [2] Das mit vielen Literaturnachweisen und im einzelnen von neuen einschlägigen Veröffentlichungen: [2] Harzer, Beschreibung der Kieler Sternwarte. – [3] A. Becker, Die Straßburger Sternwarte. – [4] Spicker, Observatorium bei Potsdam, Zeitschr. f. Bauwesen 1879 u. 1894. – [5] Monographie de L'Observatoire de Nice par Ch. Garnier, Paris 1892 (etwa 30 Blätter in Stahlstich mit baulichen und konstruktiven Darstellungen des großartig angelegten Observatoriums). – [6] R. Schorr, Die Sternwarte in Bergedorf bei Hamburg. Außerdem: viele Einzelbeschreibungen im Handb. d. Arch.

L. Ambronn.

Sternwarte in Wien.
Sternwarte in Wien.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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