- Steuereinrichtungen
Steuereinrichtungen im Flugwesen. Die Bewegung der Tragflügel eines Flugzeugs sind keineswegs mit der Angabe der Richtung und Geschwindigkeitsbahn erschöpft, vielmehr können die Flügel dann noch eine Reihe von Eigenbewegungen ausführen, die von erheblichem Einfluß auf den Flug sind.
Die Flugmaschine besitzt im Raum alle sechs Freiheitsgrade; sie kann Verschiebungen in den drei Richtungen des Raumes erleiden und Drehungen um jede ihrer Hauptachsen vornehmen. Die Einrichtungen, die zur willkürlichen Erzeugung von Kurs- und Neigungsänderungen dienen, heißen Steuer; das Seitensteuer bestimmt den Kurs, die Längsneigung wird durch das Höhensteuer festgelegt, während außerdem ein Quersteuer zur Einleitung des Kurvenfluges notwendig wird. Diese Quersteuerung bezweckt stets die Vergrößerung des Auftriebs der einen Flügelseite, damit ein einseitiges Aufrichten des Apparates erfolgt. Am vollkommensten wird dies durch eine Verwindung der Tragflächenenden erreicht, wie sie die Wrights zuerst anwendeten, und zwar wird hier das Ende der tieferliegenden Apparatseite nach unten gekrümmt, das der obenliegenden Seite nach oben; erstere erhält dadurch größeren Auftrieb, letztere dagegen einen geringeren. Nun sind aber die Tragflächen an sich schon etwas nach unten gebogen durch die Wölbung, ein Verstärken dieser erhöht also den Stirnwiderstand an dieser tief erliegenden Seite, die dadurch etwas zurückbleibt. Beim Kurvenflug nach links (vgl. die Figur) wird erst das Seitensteuer gelegt, dann die rechten Tragflächenenden gesenkt, die linken aufgebogen; durch diesen vermehrten Widerstand verringert sich wieder die Fluggeschwindigkeit, der Apparat sinkt, so daß zum Ausgleich jetzt außerdem noch das Höhensteuer betätigt werden muß. Dieses recht schwierige gleichzeitige Arbeiten mit drei Steuern, wie es beim Wright-Apparat nötig ist, vermeiden neuere Eindecker, indem nur ein Aufbiegen des Tragflächenendes an der höherliegenden Apparatseite erfolgt. Beim Kurvenflug nach links wird links hinten aufgebogen, der Apparat neigt sich links, und wenn nun Seitensteuer nach links gegeben wird, legt er sich richtig in die Kurve ein. Dann kommt der Propellerkraft eine gewisse Bedeutung auf die Stabilität und die Steuerung des Flugzeugs zu; zunächst ist stets die Drehmomentreaktion zu berücksichtigen, die der Propeller auf den Apparat ausübt. Endlich muß noch auf die besonderen Höhensteuereinrichtungen der Luftschiffe hingewiesen werden. Jedes Luftschiff kann wie ein Freiballon eine Veränderung seiner Höhenlage durch Ballastgabe und Ventilzug herbeiführen; es ist also auch wie dieser vollständig unstabil. Diese für den Freiballon selbstverständlichen Funktionen dürfen jedoch beim Luftschiff nur im Notfall Anwendung finden, da durch sie eine Verkürzung der Fahrtdauer verursacht wird. Weit rationeller ist es, die Eigengeschwindigkeit gegen die umgebende Luft zur Erzeugung von Kräften zu benutzen, welche das Schiff über oder unter seine Gleichgewichtslage bringen und hier eventuell dauernd halten. Diese Kraft wird im allgemeinen durch Neigung der Schiffsachse gegen die Horizontale erreicht, so daß der Luftstrom eine senkrechte Komponente erzeugt, die der Steig- oder Sinkkraft gleich, aber entgegengesetzt gerichtet ist und so einen neuen Gleichgewichtszustand für das Schiff herbeiführt. Da es sich stets um kleine Winkel (6 bis 9°) handelt, kommt der Verlust an Eigengeschwindigkeit hierdurch kaum in Frage.
Die Schiefstellung des Schiffes wird einmal erzwungen, indem durch ein Laufgewicht der Systemschwerpunkt verschoben wird oder aber indem bei Anordnung von zwei Luftsäcken der Gasinhalt in der Hülle verlagert und dadurch der Deplacementsschwerpunkt verschoben wird, schließlich durch verdrehbare Steuerflächen. Die erste Anordnung mit Laufgewicht wurde bei den ersten Zeppelinschiffen angewendet, eine besondere Modifikation ist noch jetzt gebräuchlich, indem je ein Wasserbehälter vorn und hinten am Schiff zwangläufig gefüllt und geleert wird (Erbslöhschiff und die preußischen Militärschiffe). Die Verschiebung des Deplacementsschwerpunkts wird beim Parsevalschiff durch Benutzung der beiden Ballonets vorn und hinten angewendet. Diese Methoden haben den Vorzug, bei ruhendem Schiff eine Schräglage herstellen zu können, was z.B. bei der Abfahrt von Nutzen ist; diesem Vorteil steht die langsamere Wirkung gegenüber, daher werden in neuerer Zeit besondere Flächensteuer zur Erzielung einer Schiefstellung des Schiffes benutzt. Um eine gleiche Wirkung beim Aufwärts- und Abwärtssteigen zu erzielen, muß das Flächensteuer möglichst in der Ballonachse angeordnet werden; das vorn liegende Bugsteuer ist dem Hecksteuer vorzuziehen, weil ihm stets der Neigungswinkel der Ballonachse als Gewinn zugute kommt und weil ferner die durch das Höhensteuer ausgelöste Kraft des Luftwiderstandes in der gewünschten Richtung auf den Schwerpunkt des Schiffes mit einwirkt. Bei einem Gerüstschiff kann das Höhensteuer auch geteilt werden, wodurch sich außer den erwähnten Schräglagen noch eine besondere Art der Höhensteuerung ergibt. Gibt man nämlich beiden Steuern die gleiche Neigung, so läßt sich das Schiff in horizontaler Lage erheblich über oder unter seine Gleichgewichtshöhe bringen und erhalten.
Den Höhensteuern fällt neben der Steuerung bei den Luftschiffen die Aufgabe zu, alle[751] Störungen der Gleichgewichtslage durch atmosphärische Einflüsse oder durch den Verbrauch an Betriebsmitteln so auszugleichen, daß immer ein Fahren in der gewünschten Höhe erfolgen kann. Das Luftschiff ist also noch so lange fahrfähig, als diese Ausgleichmöglichkeit besteht. Ist das Steuer aber einmal voll beladet, so bedeutet jedes weitere Fahren durch seine Erleichterung infolge Verbrauchs von Betriebsmitteln den Uebergang des Schiffes zum einfachen Freiballon, und ein wirklich noch vorhandener Vorrat von Benzin u.s.w. ist in erster Linie als verfügbarer Ballast zu betrachten. Die richtige Bemessung des Höhensteuers ist also auf den Aktionsradius eines Luftschiffes von erheblichem Einfluß.
Béjeuhr.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.