- Säulenordnung
Säulenordnung, die systematische Zusammenstellung der Formen und Verhältnisse der Säulen, deren Abstände oder Weiten sowie des darüberliegenden Gebälkes.
Während die älteren Völker das Verhältnis der Stütze zur Last noch nicht richtig abwogen und jener meist eine zu große Stämmigkeit gaben, wurde in der Baukunst der Griechen nach und nach die Gestaltung der Säulen und des daraufliegenden Gebälkes einem immer vollendeteren Ebenmaß zugeführt. Hierbei diente als Einheit der Verhältniszahlen der halbe Säulendurchmesser (Modul), der für kleinere Teile in 30 Partes zerfiel. Der römische Architekt Vitruv [1] beschreibt im IV. Buche das Entstehen der griechischen Bauweisen und deren Entwicklung von der ältesten dorischen zu der vollkommeneren ionischen und der korinthischen Bauweise. Diese wurden später von den Römern übernommen und einer weiteren Ausbildung entgegengeführt, indem sie noch die reichere römische oder komposite Ordnung hinzufügten und zugleich die dorische in die toskanische (etruskische) Ordnung umwandelten.
1. Die dorische Ordnung zeigt in den ältesten griechischen Beispielen derbe und gedrungene Verhältnisse. Die Säulen stehen auf drei Stufen in starker Verjüngung und ohne Fuß. Ihre Höhe ist = 4, später aber = 51/26 Durchmesser (Fig. 1). Ueber das zugehörige Kapital s. Bd. 5, S. 374. Die Säulenweite, anfänglich nur 11/2 untere Durchmesser, steigt auf 221/2 Durchmesser (Fig. 2). Das Gebälke besteht, wie bei den übrigen Ordnungen, aus drei Hauptteilen: 1. dem Architrav oder Epistylion, 2. dem Fries und 3. dem Kranzgesimse oder Geison. Der Architrav ist aus mächtigen Steinbalken gebildet, die von Säulenmitte zu Säulenmitte reichen, in einer Höhe von 4050 Partes. Ein schmales Band scheidet den Architrav vom Fries; unter diesem Band sind Plättchen angebracht, die sechs sogenannte Tropfen aufnehmen, die Tropfenregula. Der Fries ist aus zwei verschiedenen Teilen gebildet, den Triglyphen und den Metopen. Erstere sind als Stützen gedacht; sie bilden kleine Pfeiler mit tief eingeschnittenen Schlitzen, und zwar jeweils mit zwei ganzen und zwei halben, weshalb sie Dreischlitz oder Triglyphen genannt werden. Jede Triglyphe erhält einen Kopf, der aus einem einfachen Abakus besteht. Die Metopen sind der Idee nach offene oder durch Platten geschlossene quadratische Felder, die sich gut zur Aufnahme von figürlichen Darstellungen eignen (Fig. 3) [9]. Die Höhe des Frieses ist meist gleich der Höhe des Architraves. In der Regel sind über jeder Säule und außerdem noch zwischen zwei Säulenachsen je eine oder zwei Triglyphen angebracht. Trifft auf jede Säulenachse eine Triglyphe, so ergibt dies Schwierigkeiten an der Ecke, weil dann auf die äußerste Ecke eine halbe Metope träfe. Um diesen Mißstand zu beseitigen, verlegten die Griechen die Triglyphe an die Ecke, und damit dies in der Triglypheneinteilung nicht störend wirke, setzten sie die Ecksäule um ein weniges nach der Ecke zu. Das Kranzgesimse besteht in der Regel aus zwei Teilen, der weitausladenden Hängeplatte und der bekrönenden Sima, die aber zuweilen an den Langseiten fehlte; war eine solche vorhanden, dann wurde das vom Dach kommende Wasser durch den Rachen von Löwenköpfen ausgespien [8].[553] Damit der Schwerpunkt der Hängeplatte mehr nach innen falle, ist deren Unterseite stark unterschnitten. Letztere hat einen charakteristischen Schmuck (Fig. 3), bestehend in schmalen rechteckigen Platten mit 3 × 6 Tropfen, Mutuli oder Viae; den oberen Abschluß der Hängeplatte bildet ein kleines Kymation und dann folgt die Wasserrinne oder Sima. Die römisch-dorische Ordnung hat im allgemeinen dieselben Hauptbestandteile; in der Einzelbildung sind jedoch einige Unterschiede zu bezeichnen: So zunächst das Kapitäl (s. Bd. 5, S. 374 ff., Fig. 6). Der Säulenschaft ist schlanker gebildet, so daß er eine Höhe = 6 7 unterer Durchmesser hat. Verjüngung, Entasis und Kannelierung wurden gleich den griechischen gebildet, nur fiel letztere in vielen Fällen hinweg, besonders dann, wenn der Schaft aus geädertem Marmor hergestellt war. Zuweilen fehlt auch der Säulenfuß; doch kommt dieser in verschiedenen Bildungsweisen vor, von der einfachen Plinthe bis zur attischen Basis [11] (s. ionische Ordnung). Am Gebälke erscheint der Architrav entweder glatt und eingeteilt oder er erhielt eine Zonenanordnung wie in der ionischen Ordnung. Der Fries enthält die Triglyphen und Metopen in einer der griechischen ähnlichen Form; dagegen weicht die Einteilung darin ab, daß auch die Triglyphen über den Ecksäulen in der Achse liegen und eine halbe Metope die äußerste Ecke bildet. An dem Kranzgesimse erhielt die Hängeplatte an der Untersicht die Mutuli, doch meist nur über den Triglyphen, dazwischen ein vertieftes Feld, das häufig Hängerosetten enthielt. Unter der Hängeplatte war zuweilen ein Zahnschnitt angebracht [9]. In der Renaissancezeit hat man sich streng an die römischen Vorbilder gehalten (Fig. 4), und bedeutende Architekten, wie L.B. Alberti. A. Serlio. V. Scammozzi, J.B. Vignola und A. Palladio, haben sich um die Aufstellung von guten Vorbildern verdient gemacht und in schriftstellerischen Werken eingehend ausgebrochen [3][6].
2. Die ionische Ordnung, in Asien entstanden, erfuhr ihre vollendete Durchbildung in Griechenland, von wo sie später fast unverändert auf die Bauweisen der Römer und der Renaissancezeit überging. Von der dorischen Ordnung unterscheidet sie sich dadurch, daß, während bei letzterer alle einzelnen Glieder zueinander in strengem Abhängigkeitsverhältnis stehen, die einzelnen Teile der ionischen Ordnung eine große Selbständigkeit bekunden. Die Säulen erscheinen schlanker, deren Höhe beträgt 910 Durchmesser, bei den attischen Beispielen nur 791/2 Durchmesser. Die Säulenweite mißt = 11/23 Durchmesser, Sie haben stets einen Fuß. Dieser setzt sich aus Wulst, Hohlkehle und Plinthe in verschiedener Weise zusammen. Der sogenannte attische Säulenfuß besteht stets aus einer Hohlkehle, die sich zwischen zwei Wulsten befindet und sich unmittelbar auf die oberste Stufe des Unterbaues (Stylobat) aufsetzt (Fig. 5). Der Schaft zeigt Verjüngung und leise Anschwellung; er hat fast stets 24 Kannelierungen (s. Bd. 5, S. 329). Ueber das Kapital mit seiner charakteristischen Ausbildung s. Bd. 5, S. 375. Das attische Kapital zeigt eine Abweichung; es ist größer gebildet, besteht aus mehreren Spiralen, die ineinander laufen, und besitzt einen mit Palmettenfries geschmückten Hals. Am Gebälke ist der Architrav (Epistylion) weniger hoch als im dorischen Stil und ist durch drei horizontale Streifen oder Zonen, die nach oben an Höhe zunehmen, gegliedert. Den Abschluß nach oben bildet ein Leistchen mit Herzblatt, Eierstab oder einer Perlschnur (Fig. 6). Der Fries (Thrinkos, Zophoros) ist vollkommen ungegliedert und zeigt oft figürlichen Schmuck in fortlaufender Anordnung. Auch dieser Teil ist mit [554] Perlstab und Kymation nach oben abgeschlossen. Das Kranzgesimse (Geison) besteht aus einer nicht zu weit ausladenden Hängeplatte mit Perlstab und Kymation, worüber die karniesförmige Sima bekrönend abschließt, oft mit Anthemien geschmückt und mit Wasserspeiern versehen. Die Wassernase ist an der Untersicht der Hängeplatte in kräftiger Unterschneidung angebracht. An manchen Gesimsen war die Hängeplatte durch einen Zahnschnitt unterstützt.
3. Die korinthische Ordnung, fast gleichzeitig mit der ionischen entstanden, übertrifft diese an Pracht und Zierlichkeit. Von den Griechen erst in den Zeiten Alexanders angewendet, kam sie auf die Römer, bei welchen sie besonders in der Kaiserzeit allgemein wurde. Die Säule hat zwar das Höhenverhältnis der ionischen Ordnung beibehalten, erscheint aber des hohen Kelchkapitäls wegen (vgl. Kapitäl, Bd. 5, S. 374 ff.) höher und wirkungsvoller (Fig. 7). Auch tritt zuweilen der Säulenstuhl als erhöhender Untersatz hinzu. Am Gebälke sind Architrav und Fries von ähnlicher Bildung wie in der ionischen Ordnung; die Unterglieder der Hängeplatte werden aber vermehrt, indem zu dem Zahnschnitt noch Träger oder Konsolen kommen und die Untersicht der Hängeplatte durch Kassetturen mit Rosetten reicher ausgebildet wird (Fig. 8). Von bedeutender Wirkung ist die Anordnung der vor die Wand gestellten Säulen mit verkröpftem Gebälke, wie sie an Triumphbogen, als Träger einer Attika (s.d.) und Statuen vorkommen. Bei den großen Bauten der römischen Kaiserzeit kam die Uebereinanderstellung mehrerer Säulenordnungen auf, wobei meist die Reihenfolge eingehalten wurde, daß die unterste Stellung in dorischer (toskanischer) Ordnung, die folgende in der schlankeren ionischen, die oberste in korinthischer Ordnung zur Ausführung kam, wobei auch auf eine Abstufung im Vortreten der Profile u.s.w. geachtet wurde.
Literatur: [1] Marcus Vitruvius Pollio, De architectura; deutsche Uebersetzungen: A. Rode, Leipzig 1796, und F. Reber, Stuttgart 1865. [2] Stieglitz, C.L., Archäologie der Baukunst der Griechen und Römer, Weimar 1801. [3] Alberti, L.B., Arte edificatoria 1485. [4] Serlio, S., Tutte l'opere d'architettura, Venedig 1609. [5] Palladio, Andrea, L'architettura, quattro libri, Venezia 1642. [6] Vignola, G., Regole delle belle cinque ordini d'architettura 1563, und Il Vignola illustrato, Rom 1770. [7] Bötticher, Die Tektonik der Hellenen, Berlin 1872/81. [8] Bühlmann, Die Architektur des klassischen Altertums und der Renaissance, Stuttgart 1877. [9] v. Mauch, S.M., Die architektonischen Ordnungen der Griechen und Römer etc., Berlin 1862. [10] Durm, J., Die Baukunst der Griechen, Handbuch der Architektur, Darmstadt 1892. [11] Ders., Baukunst der Römer, ebend., Darmstadt 1885, wo noch weitere Literaturangaben. [12] Lübke, W., Geschichte der Architektur, 6. Aufl., Leipzig 1884. [13] Kunsthistorische Bilderbogen von E.A. Seemann, Leipzig 1878. [14] Handbuch der Architektur, 1. Teil, Bd. 2, Bauformenlehre von J. Bühlmann, 2. Aufl., Stuttgart 1901.
Weinbrenner.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.