Widder, hydraulischer [1]

Widder, hydraulischer [1]

Widder, hydraulischer (Stoßheber, Montgolfiersche Wasserhebemaschine), eine vielverbreitete Stoßpumpe, welche bei einem kleinen Gefälle (1,5–8 m) einen Teil des ihr zufließenden oder sonst vorhandenen Wassers auf eine größere Höhe (fünf- bis zehnmal Gefällshöhe) selbsttätig fördert.

Die Wirkung beruht auf der Ausnutzung der Stoßkraft des bewegten Wassers in der Zuflußleitung durch plötzliche Absperrung der letzteren; nach der Absperrung wird die Leitung wieder geöffnet, die Bewegung des Wassers von neuem hervorgerufen, dann wieder abgesperrt u.s.f. Das Absperren und Oeffnen geschieht selbsttätig durch ein sogenanntes Stoßventil, welches – vertikal eingebaut – durch sein eignes Gewicht herunterfällt, sobald infolge des Rückstoßes der Wasserdruck gegen das Ventil für einen Augenblick aufgehoben wird; alsdann strömt das Wasser aus, bis der Strom stark genug ist, um das Ventil wieder zu schließen und dadurch einen neuen Rückstoß zu erzeugen. Fig. 1 zeigt die Wirkungsweise des Widders schematisch. T ist das vorhandene Wasserreservoir (Teich, Bach, Fluß, Quelle u.s.w.), R das Zuflußrohr zum Widder, H das Steigrohr vom Widder zu dem höhergelegenen Wasserbehälter, P das Stoßventil, S das Steigventil und W der Windkessel des Widders. Sobald der Widder mit dem Wasserreservoir T verbunden ist, füllt sich die Leitung R und das Steigrohr H bis zu gleicher Höhe mit dem Wasserspiegel in T, während das Stoßventil P durch den Wasserdruck nach oben gegen seinen Sitz gedrückt wird, wodurch die Leitung abgeschlossen und alles in Ruhe ist. Oeffnet man jetzt die Leitung durch Hinabdrücken des Stoßventils, so kommt die Wassersäule in R in Bewegung und schließt das Ventil P wieder ab; es wird ein Rückstoß erzeugt, infolgedessen es möglich ist, daß etwas Wasser durch das Steigventil S in den Windkessel und in das Steigrohr H bis zu einer größeren Höhe dringt, als es der Wasserstand im Behälter T sonst zulassen würde. Wiederholt man das Niederdrücken des Ventils P mehrere Male, so steigt das Wasser im Steigrohr H immer höher, und wenn in dem letzteren ein gewisser Ueberdruck erreicht ist, geschieht das Oeffnen des Stoßventils selbsttätig, und zwar infolge einer Rückwärtsbewegung des Wassers in R, veranlaßt durch den Anprall der Wassersäule gegen das Ventil P im Moment des Abschlusses unter einem höheren, dem Wasserstand in H entsprechenden Druck. Fig. 2 stellt die Konstruktion eines Widders [1] dar, wie er in der Regel in Deutschland gebaut wird; sie ist durch Inschriften genügend erläutert. Widder, bei welchen Kraftwasser und Förderwasser voneinander verschieden sind (die mittels besonderer Steigleitung Wasser aus Brunnen u.s.w. entnehmen) finden sich in [2], S. 650, und in [6]. Andre Konstruktionen in [3]–[5], [7]. Widderanlagen für ganz große Verhältnisse nach dem System Pearsall s. [8]; diese dienen auch der Luftkompression. Eine neuere, bei kleinen und wechselnden Wassermengen sehr zweckmäßige Widderkonstruktion ist die automatische Wasserhebemaschine System Löh mit selbsttätiger Inbetriebsetzung (Fig. 3). Bei der Quelle ist ein kleiner Wasserbehälter anzulegen, und wenn dieser leer geworden ist, stellt sich der Widder selbsttätig, eventuell mit Zuhilfenahme eines Schwimmers, ab, wobei das Triebrohr gefüllt bleibt. Die Wiederinbetriebsetzung[922] tritt ebenfalls selbsttätig ein durch einen Ueberlauf, sobald das Quellenreservoir wieder gefüllt ist; durch das Ueberlaufrohr fließt das Wasser dem mit der Wasserhebemaschine verbundenen Kleinen Wasserrädchen zu; dieses setzt durch ein Zahnradgetriebe einen Gewichtshebel in Bewegung; das Gewicht fällt dann herunter auf die Spindel des Stoßventils, wodurch das Spiel des Widders sofort erneuert ist.

Die Fördermenge der hydraulischen Widder, wie sie in der Regel von deutschen Fabriken geliefert werden, beträgt durchschnittlich den 10. Teil der Betriebswassermenge und der Nutzeffekt 50–70%. Der beste Nutzeffekt wird erzielt bei einem Verhältnis des Betriebsgefälles zur Förderhöhe von einem Fünftel bis zu einem Siebentel; Berechnungen s. [9]. Zur Erhöhung der Leistung lassen sich mehrere Widder mit einem sogenannten Sammelwindkessel kombinieren. Bei größeren Gefällen kann man diese teilen und mehrere Widder untereinander aufstellen, die dann in ein gemeinschaftliches Steigrohr arbeiten. – Die Preise der gewöhnlichen hydraulischen Widder für Betriebswassermengen von 3 bis 150 Minutenliter liegen nach der Preis liste der Maschinen- und Armaturenfabrik vorm. H. Breuer & Co. in Höchst a.M. zwischen 35 und 200 ℳ.


Literatur: [1] Deutsche Wasserwerksgesellschaft, Abhandlung über hydraulische Widder, Mainz (o. D.). – [2] Lueger, O., Wasserversorgung, Darmstadt 1895, Bd. 1, S, 648 ff. – [3] Bélier hydraulique Douglas, Revue industrielle 1879, S. 325. – [4] Bélier hydraulique Bonard, ebend. 1889, S. 346. – [5] Bélier hydraulique Décoeur, Annales des ponts et chaussées, Dezember 1891, S. 646. – [6] Durozoi, Bélier pompe universelle, Génie civil 1891, S. 315. – [7] Schabaver, Bélier hydraulique à clapets multiples etc., Revue industrielle 1892, S. 314. – [8] Pearsalls hydraulic ram, Engineering 1886, Bd. 41, S. 345. – [9] Lorenz, H., Theorie des hydraulischen Widders, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1910, Bd. 54, S. 89.

Blecken.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Widder, hydraulischer [2] — Widder, hydraulischer. Ein neuer hydraulischer Widder ist der Hydroautomat, System Ritter. Er unterscheidet sich von den gewöhnlichen hydraulischen Widdern dadurch, daß Schluß und Oeffnung des Stoßventils zwangläufig erfolgt, daß eine wechselnde… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Widder, hydraulischer — Widder, hydraulischer, s. Hydraulischer Widder …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Hydraulischer Widder — (Montgolfiersche Wassermaschine, Stoßheber), eine 1797 von Montgolfier erfundene Wasserfördervorrichtung, die benutzt werden kann, wo bei vorhandenem Gefälle ein Teil des durch dasselbe gelieferten Wassers über den Oberwasserspiegel zu heben ist …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Hydraulischer Widder — (Hydraulischer Stoßheber, Montgolfiersche Wassermaschine), eine von Montgolfier 1797 construirte Maschine, welche dazu dient, das Wasser eines Bassine zur Bewässerung von Wiesen bis zu bedeutender Höhe zu heben, ohne eine andere Kraft zu benutzen …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Widder [3] — Widder, hydraulischer, s. Hydraulischer Widder [Abb. 835] …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Widder — Das Wort Widder bezeichnet ein männliches Schaf das astronomische Sternbild Widder (Sternbild) das Tierkreiszeichen Widder das Widderkaninchen einen antiken Rammbock, siehe Widder (Waffe) eine Pumpenform, siehe Hydraulischer Widder eine… …   Deutsch Wikipedia

  • Hydraulischer Widder — mit Windkessel (Joh. Schlumpf) Ein hydraulischer Widder, Stoßheber, Staudruck Wasserheber oder „Wasserwidder”, ist eine wassergetriebene, zyklisch arbeitende Pumpe. Der Widder nutzt den Druckstoß oder Staudruck Effekt, um einen Teil des Wassers,… …   Deutsch Wikipedia

  • Hydraulischer Widder — Hydraulischer Widder, Stoßheber, eine Wasserhebemaschine, bei der als treibende Kraft der Stoß des durch ein Gefälle in Strömung versetzten und plötzlich angehaltenen Wassers benutzt wird [Abb. 835]. Bei geöffnetem Stoßventil c fließt aus dem… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • hydraulischer Widder — hydraulischer Widder,   Stoßheber, die Bewegungsenergie strömenden Wassers ausnutzende Pumpe zum periodischen Wassertransport: Eine große Wassermenge strömt durch ein mittels Zusatzgewicht offen gehaltenes Absperrventil, bis das hindurchströmende …   Universal-Lexikon

  • Widder (Begriffsklärung) — Das Wort Widder bezeichnet Widder, ein männliches Schaf das astronomische Sternbild Widder (Sternbild) das Tierkreiszeichen, siehe Widder (Tierkreiszeichen) das Widderkaninchen, mit den Rassen Deutscher Widder, Meißner Widder, Englischer Widder,… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”