- Clapeyrons Theorem
Clapeyrons Theorem, der Elastizitätslehre angehörend, läßt sich unter deren Voraussetzungen wie folgt aussprechen: finden bei einem isotropen festen Körper von konstanter Temperatur unter Einwirkung beliebiger äußerer Kräfte (s.d.) irgendwelche elastische Verschiebungen vom spannungslosen Zustande aus statt,[471] dann ist im Falle schließlichen Gleichgewichts die Arbeit A der mit ihren Endwerten konstant gedachten äußeren Kräfte gleich dem Doppelten der Verschiebungsarbeit D.
A = 2D.
1.
Vorausgesetzt ist dabei gewöhnlich, daß keine durch örtliche Unstetigkeiten der Verrückungen bedingte Arbeiten auftreten, wie wir sie z.B. an reibenden Gelenken und Gleitungen hätten. In letzterem Falle würde zwar 1. auch gelten, aber A = S + M + R anstatt A = S + M anzunehmen sein, unter S, M, R die Arbeiten der mit ihren Endwerten konstant gedachten Oberflächenkräfte, Massenkräfte und Kräfte (Reibungen u.s.w.) auf die Umhüllungsflächen sämtlicher Unstetigkeitsschnitte der Verrückungen verbanden. Beweis s. [5], S. 166. Die Verschiebungsarbeit (auch Deformationsarbeit oder Formänderungsarbeit genannt) ist die Arbeit zur Ueberwindung der inneren Kräfte während der Verschiebungen, vgl. [1], S. 79, [6], S. 108, 185.
Das obige Gesetz wurde zuerst von Clapeyron festgestellt und von ihm auf die Berechnung von Federn angewendet, aber erst durch Lamé weiteren Kreisen bekannt [1], S. 80. Für einen axial gezogenen oder gedrückten geraden Stab von der Länge l und dem konstanten Querschnitt F läßt sich die Beziehung 1. schreiben, wenn S die Stabkraft, Δ λ die Längenänderung und E den Elastizitätsmodul bedeuten, das Eigengewicht aber vernachlässigt wird:
Näheres [6], § 81. Für ein System aus beliebig vielen solchen Stäben, die durch reibungslose Gelenke miteinander verbunden sind (Fachwerke), hat man:
worin, sich die Summe auf alle Stäbe bezieht [6], § 85. Ausdrücke von D, D für andre isotrope Körper s. Verschiebungsarbeit und [6], §§ 41, 6567, [7], S. 202 (worin obigem zufolge τ = 0). Auf das Clapeyronsche Theorem hat z.B. Castigliano das zuerst durch Menabrea [2] erkannte Prinzip der kleinsten Verschiebungsarbeit begründet [4], durch dessen Anwendung und Weiterbildung in Verbindung mit den von Mohr direkt aus dem Prinzip der virtuellen Verrückungen hergeleiteten Methoden ([3], [6], §§ 80, 83, 84, [7], S. 260), eine auf dem Gebiete der statisch unbestimmten Fachwerke und sonstigen Träger sehr fruchtbare Entwicklung der Festigkeitslehre eingetreten ist. Vgl. neben der Literatur unten auch unter Verschiebungsarbeit, Biegungsarbeit, Fachwerke, statisch unbestimmte.
Literatur: [1] Lamé, Leçons sur la théorie mathématique de l'élasticité des corps solides, Paris 1866, S. 79. [2] Menabrea, Nouveau principe sur la distribution des tensions dans les systèmes élastiques, Comptes rendus etc., 1858, XLVI, S. 1056 (s. auch Comptes rendus, 1884, XCVIII, S. 714). [3] Mohr, Beitrag zur Theorie des Fachwerks, Zeitschr. d. Arch. u. Ing.-Vereins zu Hannover 1874, S. 509, und 1875, S. 17 (s. auch 1881, S. 243). [4] Castigliano, Théorie de l'équilibre des systèmes élastiques, Turin 1880, S. 22, 48, 190 (deutsch von Hauff, Wien 1886, S. 14, 41, 186). [5] Weyrauch, Arbeitsbedingungen für statisch unbestimmte Systeme, Wochenblatt für Architekten und Ingenieure 1884, S. 290. [6] Weyrauch, Theorie elastischer Körper, Leipzig 1884, S. 166, 222. [7] Ders., Aufgaben zur Theorie elastischer Körper, Leipzig 1885, S. 202, 263. [8] Müller-Breslau, Die graphische Statik der Baukonstruktionen, Bd. II, 1. Abt., Leipzig 1903, S. 9. [9] Ostenfeld, Technische Statik, deutsch von Skouge, Leipzig 1904, S. 218, 270. [10] Müller-Breslau, Die neueren Methoden der Festigkeitslehre, Leipzig 1904, S. 242, 335.
Weyrauch.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.