Dampfkesselfabrikation [1]

Dampfkesselfabrikation [1]

Dampfkesselfabrikation erfordert zur tunlichsten Einschränkung der Explosionsgefahr, daß nur ausgesuchte, tadellose Bleche, Winkeleisen, Nieten u.s.w. zur Verwendung gelangen und in durchaus solider Weise verarbeitet werden. Für die Blechstärken und Qualitätsziffern bezw. deren Prüfung gelten die abgeänderten Würzburger Normen, angenommen von dem Internationalen Verbände der Dampfkesselüberwachungsvereine am 25. Juni 1881 und abgeändert am 27. Juni 1895 zu Kiel, sowie die von demselben Verbände 1884 zu Brüssel[583] angenommenen Hamburger Normen, die von ihm zuletzt am 16. und 17. Juni 1898 zu Baden-Baden abgeändert wurden [1].

Hiernach sind die in drei Qualitäten hergestellten Kesselbleche aus Schweißeisen, nämlich: 1. Feuerblech, 2. Bördelblech, 3. Mantelblech, je nach ihrer Güte seitens des Walzwerkes außer mit dem Stempel des Werkes mit dem Qualitätsstempel S I für Feuerblech, S II für Bördelblech und S III für Mantelblech zu versehen. Ueber die Abnahme der Bleche wird bestimmt, daß sämtliche Platten bei der Berichtigung auf dem Walzwerke mindestens an zwei Stellen abzustempeln sind, und zwar mit dem Stempel des abnehmenden Beamten und mit einer laufenden Nummer. Bei einer zu untersuchenden Blechbestellung sollen in der Regel folgende Proben genommen werden: 1. von sämtlichen Feuerblechen, 2. von 50% der Bördelbleche, 3. von 25% der Mantelbleche, mindestens jedoch von drei Platten, und zwar bei 1. und 2. sowohl Zerreiß- als auch Biegeproben in Längs- und Querfaser, bei 3. jedoch nur zur Hälfte Zerreiß- und zur Hälfte Biegeproben in Längs- und Querfaser. Die Zerreißfestigkeit darf bei allen drei Qualitäten 40 kg/qmm nicht unterschreiten.

Zu Kesselblechen aus Flußeisen darf bis auf weiteres nur im Flammofen hergestelltes Flußeisen verwendet werden. Für die drei Qualitäten: Feuerblech, Mantelblech I, Mantelblech II gelten entsprechend dem unter Kesselblech aus Schweißeisen Bemerkten, für flußeiserne Kesselbleche die Qualitätsstempel F I für Feuerblech, F II für Mantelblech I, F III für Mantelblech II. Aus Mantelblech II dürfen nur solche Teile des Kesselmantels gefertigt werden, die von den Feuergasen nicht berührt werden, und aus Mantelblech I nur solche Teile des Kesselmantels, die nicht im ersten Feuerzuge liegen. Alle übrigen Teile der Kesselwandung, einschließlich derjenigen, die gebördelt werden, wie z.B. Böden, Stutzen, Dome u.s.w., sind aus Feuerblech herzustellen. Die Abnahme geschieht nach denselben Grundsätzen wie für die Kesselbleche aus Schweißeisen, jedoch mit der Abweichung, daß bei einer zu untersuchenden Blechbestellung in der Regel folgende Proben entnommen werden sollen: 1. von sämtlichen Feuerblechen, 2. von 50% aller Mantelbleche, und zwar bei 1. sowohl Zerreiß- als auch Biegeproben in Längs- und Querfaser, bei 2. jedoch nur zur Hälfte Zerreiß- und zur Hälfte Biegeproben; außerdem sind von allen Blechen der Bestellung Härtungsbiegeproben zu nehmen. Die Blechstärken und die Verhältnisse der Niet- und Schraubenverbindungen werden im allgemeinen nach den Regeln der Hamburger Normen bestimmt. Die Längsnähte des Kesselmantels sind möglichst derart anzuordnen, daß sie nicht vom Mauerwerk und von Kesselträgern verdeckt sind, damit sie ohne deren Befestigung nachgestemmt werden können. Die Längsnähte der aufeinander folgenden Schüsse des Mantels sind zu versetzen. Dabei darf keine Mantellängsnaht im ersten Zugkanale liegen. Bei Flammrohren soll keine Nietnaht im direkten Feuer liegen, die Längsnähte kommen daher stets nach unten. Der erste Schuß muß bis hinter die Feuerbrücke reichen, er ist in der Regel zylindrisch und wird von dem zweiten Schuß, der wie alle folgenden konisch ausgeführt ist, von außen umfaßt, damit sich die heißen Gase nicht gegen die Blechkante stoßen. Die Nietnähte sollen so ausgeführt werden, daß der erforderliche Widerstand gegen Gleiten vorhanden ist und daß die Widerstandsfähigkeit der Niete gegen Abscheren nicht geringer ist, als die in Rechnung zu ziehende Fertigkeit des Bleches in der Nietnaht. Bei Laschennietungen sollen die Laschen aus Blechen von mindestens gleicher Güte wie die der Mantelbleche geschnitten werden [2].

Die Flanschen der Armaturstutzen u.s.w. sind so dick zu machen, daß sie Biegungsbeanspruchungen und dem Durchbiegen sicher widerstehen können. Bei Bemessung der Schrauben muß etwaigen Biegungsspannungen derselben durch einseitig liegende Dichtungen u. dergl. besonders Rechnung getragen werden. Schwächere Schrauben als solche von 16 mm äußerem Durchmesser sind tunlichst zu vermeiden; Schrauben unter 13 mm Durchmesser sind nicht zulässig.

Die Einfeuerungsteile sind kräftig zu halten, und der Verschluß der Feuerung, Aschenfall und sonstige Türen sind zu hobeln, um beim Stillstande den Eintritt kalter Luft in die Feuerzüge zu verhindern.

Bei der großen Verschiedenartigkeit der Kesselkonstruktionen läßt sich der Arbeitsvorgang bei der Fabrikation im einzelnen hier nicht eingehend beschreiben. Die Herstellung der einfachen Walzen geschieht etwa in der nachstehenden Reihenfolge: Die Bleche werden vor der Bearbeitung genau besichtigt und durch Abhämmern auf etwaige Fehlstellen untersucht; auch während der Arbeit ist sorgfältig darauf zu achten, ob irgend welche Fehler zum Vorschein kommen. Die Platten werden, wenn nicht auf Maß vom Werk bezogen, nach den verlangten Abmessungen auf der Blechschere beschnitten und die Stemmkanten auf einer Spezialmaschine schräg angehobelt; das Behauen dieser Kanten mit dem Meißel von Hand ist bei Flußeisenblechen zu verwerfen. Die Zuschärfung der Blechecken für die Wechsel erfolgt vor dem Biegen und Lochen und muß möglichst schlank ausgeführt werden, so daß jede Ecke über den Wechselniet hinaus und noch durch einen vollen Niet reicht. Die Nietlöcher sollen nicht durchgestoßen, sondern gebohrt werden, Schweißeisen ist hiergegen weniger empfindlich als Flußeisen, bei dem, wenn die Einrichtung oder die Herstellungskosten das Bohren nicht gestatten, zum minderten die Löcher kleiner gestanzt und dann aufgebohrt werden sollten. Starke Bleche und solche für kleine Durchmesser müssen warm gebogen werden. Zu diesem Zweck werden die Platten im Flammofen auf Rotglut erhitzt und auf der Biegemaschine, die Bleche aus Schweißeisen in der Richtung ihrer Längsfaser, in die richtige Form gebogen. Flußeisenbleche dürfen nur in der Rotglühhitze und nicht im schwarz- oder blauwarmen Zustand, eher noch ganz kalt, gebogen werden. Als Biegemaschine ist die stehende, hydraulisch betätigte Biegepresse der horizontalen Blechwalze aus verschiedenen Gründen vorzuziehen. Das Zusammenrichten der Bleche darf nur in gehörig erwärmtem Zustand geschehen, und es ist besonders auf das Ausrichten der Wechsel die größte Sorgfalt zu verwenden. Die hierbei teilweise zu erwärmenden Bleche müssen besonders bei Flußeisen langsam abkühlen, und es muß der Uebergang von den wärmeren zu den kälteren[584] Stellen ein allmählicher sein. Nach dem Zusammenrichten werden die Schaffe geheftet und die Nietlöcher aufgebohrt bezw. nachgeräumt. Zu dieser Arbeit werden in modern eingerichteten Kesselschmieden mittels Preßluft betriebene Bohrapparate benutzt. Sämtliche Nietlöcher müssen vor dem Zusammennieten der Bleche von allem Grat befreit werden. Das mancherorts noch anzutreffende Aufdornen nicht genau passender Nietlöcher ist, als für das Kesselmaterial sehr gefährlich, strengstens zu verbieten. Die von innen nach außen in die genau passenden Nietlöcher im rotwarmen Zustand eingeführten Nieten werden entweder durch Hammerschläge von Hand oder bei großen Nietdurchmessern besser durch hydraulische Nietmaschinen aufgestaucht und durch Schellen oder Pressen mit einem Kopf versehen. Das Arbeitsstück wird dabei in der Regel auf Rollen gelegt, die ein allmähliches Umdrehen der zylindrischen Stücke gestatten. Die Nietköpfe müssen innen mit gut passendem Nietstock vorgehalten werden, außen dürfen die Bleche um die Nietköpfe herum mit dem Schellhammer nicht eingekniffen werden. Die Kanten sind innen und außen, die Nietköpfe in der Regel nur außen zu stemmen, die Bleche dürfen jedoch durch das Stemmen weder um die Nietköpfe herum noch an den Kanten entlang eingekerbt werden. Zum Verstemmen der Nietnähte werden, wie auch zu andern Arbeiten im Kesselbau, mehr und mehr pneumatisch betriebene Werkzeuge benutzt, deren Leistungsfähigkeit im Vergleich zur Handarbeit ungewöhnlich groß ist. Die Böden der Kessel werden mit besonderen Umkrempmaschinen oder Pressen gebogen und meist fertig von den Werken bezogen.


Literatur: [1] Taschenbuch der »Hütte«, 18. Aufl., Berlin 1902. – [2] Bach, C. v., Maschinenelemente, 9. Aufl., Stuttgart 1903.

G. Schwarz.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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