- Eisenbahnen, elektrische [1]
Eisenbahnen, elektrische, Verkehrseinrichtungen bezw. Beförderungsmittel, bei denen die Arbeitsquelle elektrische Energie ist.
Soll ein Fahrzeug oder ein Zug auf vorgeschriebener Bahn bewegt werden, so muß die Arbeitsquelle, welche die zur Bewegung erforderliche mechanische Arbeit liefert, entweder mit dem bewegten Körper in unmittelbarem Zusammenhange bleiben oder es muß durch geeignete Uebertragungsvorrichtungen eine Ueberleitung der erforderlichen Arbeit nach dem jeweiligen Orte des bewegten Fahrzeuges erfolgen. Vor Einführung des elektrischen Betriebes war die letztgenannte Betriebsart nur für geringe Entfernungen verwendbar und beschränkte sich auf die Seil- und Kabelbahnen. Die Mitführung der Arbeitsquelle macht aber besonders beim Lokomotivbetrieb die Zugförderung sehr unwirtschaftlich, weil eine verhältnismäßig sehr große tote Last mitgeschleppt werden muß. Dieser Uebelstand ist beim elektrischen Betriebe zum Teil beseitigt. Denkt man sich an einem Punkte neben der zu betreibenden Bahnstrecke feste Dampfmaschinen oder hydraulische Motoren aufgeteilt und nimmt an, daß die von denselben geleistete mechanische Arbeit zunächst zum Betriebe einer Dynamomaschine benutzt wird, so vollzieht sich dabei eine Umsetzung der mechanischen Arbeit in elektrische. Führt man längs der Bahnstrecke eine den Strom leitende metallische Hin- und Rückleitung aus, verbindet jede Leitung mit je einer Polklemme der Dynamomaschine und nimmt ferner an, daß an einer oder mehreren Achsen eines auf der Bahnstrecke befindlichen Fahrzeuges Elektromotoren angebracht sind, deren Polklemmen mit den genannten Leitungen in Verbindung stehen, so ist damit ein geschlossener Stromkreis hergestellt. Bei dem Durchgang des elektrischen Stromes durch die mit den Achsen in Verbindung stehenden Motoren werden diese in Umdrehung versetzt und das Fahrzeug fortbewegt. Die elektrische Arbeit der Dynamomaschine wird dabei wieder in mechanische Arbeit umgewandelt. Fig. 1 stellt diesen Vorgang schematisch dar.
Wenn nun auch nach dem Prinzip von der Erhaltung der Energie bei dem vorliegenden doppelten Umsetzungsprozeß von der ursprünglich aufgewendeten mechanischen Arbeit nichts verloren geht, so ist dennoch die von dem Elektromotor geleistete Arbeit nicht gleich der aufgewendeten, weil bei jeder Umwandlung von Energie ein Teil in Wärme umgesetzt wird und als solche für den vorliegenden Bewegungszweck nicht verwertet werden kann. Die elektrischen [305] Maschinen haben indes, wie durch zahlreiche Versuche festgestellt ist, einen außerordentlich hohen Nutzeffekt, und zwar ist bei der Umsetzung von mechanischer Arbeit in elektrische Energie innerhalb der Dynamomaschine das Verhältnis der erzeugten Stromarbeit zur aufgewendeten mechanischen Arbeit 0,9. Ein etwas ungünstigeres Verhältnis, und zwar von 0,800,85, tritt bei der Umsetzung der elektrischen Arbeit in mechanische innerhalb des Elektromotors auf, so daß der gesamte Nutzeffekt oder das Verhältnis der gewonnenen Arbeit zu der ursprünglich aufgewendeten 0,83 · 0,9 = rot. 0,75 oder 75% beträgt. Hiermit ist aber der Verlust an Arbeit noch nicht erschöpft; es tritt vielmehr noch derjenige Teil hinzu, welcher zur Erwärmung der Leitung aufgewendet wird. Diese Erwärmung ist proportional dem Quadrate der Stromstärke und dem Widerstande der Leitung. Bei gegebener Arbeitsgröße muß daher die Spannung des Stromes möglichst hoch sein. Es kann angenommen werden, daß für Anlagen zum elektrischen Bahnbetriebe die Verhältnisse im allgemeinen sich so wählen lassen, daß der Arbeitsverlust durch die Leitungen nicht mehr als 1015% beträgt. Der gesamte Wirkungsgrad stellt sich demnach auf 6570%. Hiernach würde sich nun der elektrische Betrieb hinsichtlich des Brennmaterialaufwandes um 3040% teurer stellen als der jetzige Lokomotivbetrieb, vorausgesetzt, daß bei gleicher Nutzleistung die Betriebsleistung dieselbe wäre und die Ausnutzung der Wärme auch bei den bewegten Lokomotiven in gleich günstiger Weise erfolgen könnte wie bei der feststehenden Maschinenanlage. Beide Voraussetzungen treffen indes nicht zu. Wie später noch weiter ausgeführt wird, ist bei der elektrischen Betriebsweise für die gleiche Nutzleistung ein wesentlich geringerer Arbeitsbedarf erforderlich als beim Lokomotivbetriebe. Anderseits ist bei einer stehenden Dampfmaschinenanlage die Ausnutzung der Wärme eine vorteilhaftere als auf der Lokomotive. Dies findet darin seine Begründung, daß erstere mit Kondensation und mehrstufiger Dampfdehnung arbeiten kann, während bei der mit dem Zuge bewegten Lokomotive die Kondensation ausgeschlossen ist. Ferner kann bei dem stehenden Dampfkessel die Temperatur der abziehenden Verbrennungsgase viel weiter abgekühlt werden als bei dem Lokomotivkessel. Trotz des beim elektrischen Betriebe durch Umwandlung der Arbeitsformen und durch die Leitungen entstehenden Effektverlustes sind die Kosten für Brennmaterial immer noch etwas niedriger als beim Lokomotivbetrieb.
Werner v. Siemens erbaute 1879 das erste elektrisch betriebene Fahrzeug und führte dasselbe auf der damaligen Berliner Gewerbeausstellung vor. Bis in die Mitte der achtziger Jahre fand indes die neue Betriebsart wenig Beachtung. Erst vom Jahre 1887 ab folgte eine rasche Entwicklung in den Vereinigten Staaten von Amerika, und zwar zunächst für den Betrieb von Straßenbahnen, so daß 1890 bereits 2000 km und am Anfang des Jahres 1895 sogar 13000 km von etwa 20000 elektrischen Triebwagen befahren wurden. Im Deutschen Reiche hat die Entwicklung der elektrischen Betriebsweise indes einen wesentlich langsameren Verlauf genommen. Es wurden 1895 zunächst nur 340 km Straßenbahnen mit annähernd 550 Triebwagen elektrisch betrieben. Aber auch hier ist gegenwärtig die Anwendung dieser Betriebsart in gewaltigem Aufschwunge begriffen, so daß schon am Ende des Jahres 1902 allein im Deutschen Reiche rund 2000 km Straßen- und Kleinbahnen mit elektrischem Betrieb vorhanden waren. Auch auf den Hauptbahnen ist die elektrische Betriebsweise in der letzten Zeit bei einer Reihe von Bahnen in Aufnahme gekommen. Außer einer größeren Zahl von amerikanischen Bahnen sind u.a. damit ausgerüstet: Wannseebahn (Versuchsbetrieb), Berlin-Groß-Lichterfelde-Ost, Mailand-Gallarate-Varese-Porto Ceresio, Burgdorf-Thun, Paris-Versailles, Murnau-Oberammergau.
Die für den elektrischen Bahnbetrieb zur Verwendung kommenden Elektromotoren sind die einfachsten aller Kraftmaschinen. Ihre Bewegung ist von vornherein eine drehende, wodurch die bei der Lokomotive erforderliche Umsetzung der geradlinigen Bewegung in die kreisförmige entfällt. Dieser Umstand ist von besonderer Bedeutung, wenn man erwägt, daß gerade diese Umsetzung es ist, welche der Hauptsache nach die störenden Bewegungen der Lokomotive veranlaßt und ihrer Geschwindigkeit verhältnismäßig enge Grenzen setzt. Der elektrisch betriebene Motorwagen läßt daher eine größere Geschwindigkeit zu, ohne die Sicherheit des Betriebes zu gefährden. An dem Elektromotor ist nur ein beweglicher Teil, nämlich der Anker, vorhanden. Vergleicht man damit den komplizierten Mechanismus der Dampfmaschine auf der Lokomotive, so ersieht man, daß die Unterhaltungskosten im allgemeinen geringer ausfallen müssen als bei der Lokomotive. Je nach der Art des Stromes, der durch die Elektromotoren in mechanische Arbeit umgesetzt wird, lassen sich Gleichstrom-, Wechselstrom- und mehrphasige Wechselstrommaschinen unterscheiden.
Der Gleichstrom kommt in erster Reihe überall dort in Betracht, wo die Ausdehnung des Bahnnetzes nicht zu lange Strecken umfaßt, wie dies fast allgemein bei den Straßenbahnen der [306] Fall ist. Bei Hauptbahnen ist dagegen die unmittelbare Verwendung von Gleichstrom in der Regel wegen der bedeutenden Kosten der Stromzuleitung nicht angängig. Es muß vielmehr, wenn auch hier der Betrieb der Motoren durch Gleichstrom beibehalten werden soll, in der Weise verfahren werden, daß zunächst hochgespannter Drehstrom oder Wechselstrom nach sogenannten Unterstationen geleitet und hier in Gleichstrom umgewandelt wird. Die hiermit verbundenen Uebelstände haben sehr bald dazu geführt, eine unmittelbare Verwendung hochgespannten Wechselstromes in Aussicht zu nehmen. Die ersten Bemühungen scheiterten indes daran, daß es bis dahin nicht gelungen war, Wechselstrommotoren zu bauen, die den Anforderungen des Bahnbetriebs in gleich günstiger Weise wie die Gleichstrom-Hauptstrommotoren genügten. Sehr bald wurde aber in den sogenannten Drehstrommotoren eine brauchbare Motorbauart gefunden. Die ersten mit hochgespanntem Wechselstrom betriebenen Bahnen kamen in der Weise zur Ausführung, daß hochgespannter Drehstrom entweder zunächst in besonderen Unterstationen auf eine niedrigere Spannung gebracht und dann den Motoren der Triebwagen zugeführt wurde oder daß diese Zuführung ohne Vermittlung von Unterstationen unmittelbar erfolgte. Diese Bauart hatte indes den Uebelstand, daß sowohl für die sogenannten Speiseleitungen als auch für die eigentlichen Arbeitsteilungen mindestens je drei Leitungsdrähte erforderlich waren (für die Arbeitsteilungen können allerdings statt des dritten Drahtes die Fahrschienen verwendet werden). Auch dieser Uebelstand gab Veranlassung zu einer weiteren Ausbildung der mit hochgespanntem Wechselstrom betriebenen Bahnen, und es gelang denn auch nach einiger Zeit, einen einphasigen Wechselstrommotor zu bauen, der annähernd die gleich günstigen Eigenschaften wie der ursprüngliche Gleichstrommotor besitzt. Damit ist denn gegenwärtig eine Bauart zustande gekommen, bei welcher der hochgespannte Wechselstrom den Motoren der Triebwagen unter Verwendung von nur zwei Leitungen, von denen die eine durch die Fahrschienen gebildet werden kann, zugeführt wird. Diese Bauart ist hiernach hinsichtlich der gesamten Leitungsanlage fast ebenso einfach wie die der jetzigen Straßenbahnen und ermöglicht die Ausdehnung der elektrischen Zugförderung auf weit ausgedehnte Bahngebiete, während diese beim Gleichstrom, wie bereits erwähnt, sich auf sehr enge Grenzen beschränkt.
Bezüglich der Regulierung gehören die Elektromotoren zu den vollkommensten Kraftmaschinen. Die Zugkraft, welche dieselben leisten können, wird ausgedrückt durch Z = C M J, worin C eine Konstante, M den Magnetismus der Elektromagnete und J die Stromstärke bezeichnet. Bei den Lokomotiven ist entsprechend die Zugkraft Z = p l d2 : D, wenn p den mittleren Dampfüberdruck im Zylinder, d den Kolbendurchmesser, l den Hub und D den Durchmesser des Triebrades bezeichnet. In dem letztgenannten Ausdruck ist nur p veränderlich; es kann daher die Regulierung bei der Lokomotive nur durch eine Veränderung des mittleren Dampfdruckes erfolgen. Dies geschieht dadurch, daß entweder der zugeleitete Dampf durch den sogenannten Regulator entsprechend abgespannt, oder, was wirtschaftlich richtiger ist, der mittlere Druck durch Veränderung der Dampfdehnung vergrößert oder vermindert wird. Wie aus der erstgenannten Formel für die Zugkraft hervorgeht, stehen bei der elektrischen Maschine zwei Größen, nämlich der Magnetismus und die Stromstärke, behufs Regulierung zur Verfügung. Die Stromstärke des Elektromotors ist nach dem Ohmschen Gesetz J = (V Vg) : W. Es bezeichnet darin V die Spannung des zugeführten Stromes, Vg die Gegenspannung (gegenelektromotorische Kraft), die bei der Drehung des Ankers im magnetischen Felde entsteht, und W den Widerstand im Anker und den Magnetschenkeln. Ferner ist Vg = Mn C, worin n die Tourenzahl, M den Magnetismus und C eine Konstante bezeichnet, die von der Länge und dem Querschnitt der Drähte auf dem Anker und den Magnetschenkeln abhängt. Es wird dabei bemerkt, daß für den Bahnbetrieb mit Gleichstrom bis jetzt fast ausschließlich die Magnetisierung der Schenkel in der Weise bewirkt wird, daß der gesamte zugeleitete Strom erst die Schenkel und dann die Ankerwicklung durchfließt (Hauptstrommotoren). Hiernach ist n = (V JW) : MC, und kann somit die Regulierung der Geschwindigkeit in einfachster Weise dadurch bewirkt werden, daß man entweder den vorgenannten Widerstand durch Vorschaltung weiterer Widerstände, den jeweilig zu erreichenden Umdrehungszahlen des Motors entsprechend, vergrößert oder die Wicklung der Magnetschenkel in einzelne Spulen zerlegt und dieselben den verschiedenen Arbeitsanforderungen gemäß parallel oder hintereinander schaltet. Von den beiden Anordnungen wird zurzeit fast allgemein nur noch die erstere angewendet. Die Umsteuerung wird bewirkt, indem man die Stromrichtung auf den Schenkeln oder der Ankerwicklung umkehrt. Dazu ist am Steuerapparat entweder eine zweite Regulierkurbel vorhanden, oder die Kurbel wird bei der Rückwärtsfahrt nach der entgegengesetzten Seite wie bei der Vorwärtsfahrt von der Ruhestellung aus bewegt. Die Umsteuerung bietet gleichzeitig wie der Gegendampf der Lokomotive ein sehr wirksames Bremsmittel; man bedient sich desselben indes wegen der dabei auftretenden heftigen Funkenbildung und Stöße nur in Notfällen. Bei der Betriebsbremsung schaltet man den Motor von der Stromzuleitung ab und schließt ihn durch einen besonderen, mit ausschaltbaren Widerständen versehenen Stromkreis, so daß beim Bremsen der Motor als Stromerzeuger läuft und das Arbeitsvermögen des Fahrzeuges in Wärme umsetzt.
A. Elektrischer Betrieb der Straßenbahnen.
Bei dem elektrischen Betriebe der Straßenbahnen sind schon seit einiger Zeit so weitgehende Erfahrungen gesammelt, daß hierfür die Bauart der elektrischen Betriebseinrichtungen bis in alle Einzelheiten einen hohen Grad der Vollkommenheit aufweist. Als wesentliche Einrichtungen kommen in Betracht: 1. die Arbeitsstation (Kraftstation); 2. die Leitungsanlage; 3. die Triebwagen.
1. Die Arbeitsstation dient zur Erzeugung des für den Betrieb erforderlichen Stromes. Mit Rücksicht auf den außerordentlich stark wechselnden Stromverbrauch, der durch das Anfahren der einzelnen Triebwagen sowie die wechselnden Widerstände der Wagen aus Anlaß der[307] verschiedenen Steigungen und Krümmungen der Bahn bedingt wird, muß auf die Reguliervorrichtungen der Kraftmaschinen große Sorgfalt verwendet werden. Die für den Bahnbetrieb zur Anwendung gelangenden Gleichstromerzeuger (Dynamomaschinen) müssen gleichfalls wegen der stark schwankenden Belastung in allen Teilen eine sorgfältig durchgeführte Bauart besitzen; ihr Antrieb erfolgt entweder durch Riemenübersetzung oder direkte Kupplung der Anker mit der Schwungradwelle der Dampfmaschine. Die Spannung des erzeugten Stromes wird fast ganz allgemein auf 500600 Volt bemessen und die Stromentnahme von dem Kollektor meistens durch Kohlenbürsten vermittelt. Zur Erhaltung einer möglichst gleichen Stromspannung werden häufig selbsttätig wirkende Stromregulierungseinrichtungen angewendet. Im übrigen sind die Arbeitsstationen mit den erforderlichen Schalteinrichtungen, Meßapparaten, Akkumulatorenbatterien u.s.w. ausgerüstet. Die Gesamteinrichtung einer Arbeitsstation ist in Fig. 2 dargestellt.
2. Die Leitungsanlage. Wie bereits erwähnt, wird der zur Fortbewegung der Fahrzeuge erforderliche Strom mittels einer Leitung, die an eine Polklemme des Stromerzeugers in der Arbeitsstation angeschlossen ist, zugeführt (vgl. Fig. 1). Es ist dies die sogenannte Arbeits- oder Kontaktleitung. Der Uebergang des Stromes von der letzteren zu der einen Polklemme des Elektromotors am Triebwagen erfolgt durch einen in der Regel auf dem Wagendache angebrachten Kontaktapparat (Stromabnehmer), während die Rückleitung des Stromes von der zweiten Polklemme des Elektromotors nach dem zweiten Pol des Stromerzeugers in der Arbeitsstation durch die angetriebene Achse sowie deren Räder und die Fahrschiene stattfindet. Bei ausgedehnten Netzen erfolgt die Rückleitung nur zum Teil durch die Fahrschienen und im Anschluß daran durch besondere Rückleitungskabel. Nur in Ausnahmefällen, und zwar hauptsächlich bei unterirdischer Stromzuführung, wird auf die Benutzung der Fahrschienen als Rückleitung ganz verzichtet und eine besondere Leitung verwendet.
Die Kontaktleitung wird meistens in einer Höhe von 51/26 m über der Mitte des Gleises ausgespannt. Je nach den örtlichen Verhältnissen kann die Art der Aufhängung eine verschiedene sein. Die Aufhängung der Kontaktleitung erfolgt durch Isolatoren an Querdrähten, die zwischen Masten oder zwischen gegenüberliegenden Häusern mittels sogenannter Rosetten gespannt sind. In besonders breiten Straßen, in denen doppeltes Gleis in der Mitte liegt, wendet man unter Umständen auch die sogenannte Doppelarmaufhängung an; bei dieser wird die Kontaktleitung von Masten mit doppelten symmetrischen Armauslegern getragen. Auch werden statt der Querdrähte einseitige Konsolausleger angewendet (vgl. Fig. 35).
In erster Linie wird zur Herstellung der Kontaktleitung ein hartgezogener, blanker Kupferdraht benutzt. Besondere Sorgfalt muß auf die Isolation der Kontaktleitung verwendet werden, und dementsprechend kommt meistens eine doppelte Isolierung zur Anwendung, einmal am Aufhängepunkt selbst, das zweite Mal an den beiden Befestigungspunkten des den Isolator tragenden Querdrahtes. Längs der Leitung sind zum Schütze derselben in entsprechenden Abständen Blitzschutzvorrichtungen mit magnetischer Funkenlöschung an den Masten angebracht.
Bei längeren Straßenbahnlinien und starkem Verkehr wird der zum Betrieb dienende [308] Strom mittels sogenannter Speiseleitungen der Kontaktleitung zugeführt. Die Stärke der letzteren bleibt demnach bei jeder Ausdehnung der Linie und bei noch so großer Zahl der verkehrenden Wagen stets die gleiche. Bei Verwendung besonderer Speiseleitungen kann man außerdem das Bahnnetz in mehrere voneinander unabhängige Strecken teilen und so verhindern, daß lokale Betriebsstörungen auf einer Strecke den Betrieb auf den übrigen Linien beeinflussen. Die Speiseleitungen können oberirdisch oder auch unterirdisch als Bleikabel verlegt werden. Die Rückleitung des elektrischen Stromes zur Arbeitsstation, nachdem derselbe die Motoren des Wagens durchlaufen hat, erfolgt, wie bereits erwähnt, mittels der in geeigneter Weise gut leitend miteinander verbundenen Fahrschienen.
Die Leitungsfähigkeit der Schienen allein reicht in den meisten Fällen aus, um einen zu großen Spannungsverlust in der Stromrückleitung zu verhüten, vorausgesetzt, daß der Uebergangswiderstand an den Stößen so klein als möglich gemacht wird. Man verbindet deshalb die Schienen unter sich mittels verzinnter, doppelter Kupferbügel.
In vereinzelten Fällen kommen auch unterirdische Leitungen zur Ausführung. Die Anlagekosten derselben sind indes gegenüber den vorstehend beschriebenen Leitungen so bedeutend, daß dieselben nur eine beschränkte Anwendung finden können.
3. Die Triebwagen. Das Obergestell der Triebwagen hat im allgemeinen die in Fig. 6 angedeutete Form. Die elektrische Ausrüstung, die aus dem Kontakt- oder Stromabnehmeapparat, der Regulier- und Steuervorrichtung, der elektrischen Beleuchtungseinrichtung und verschiedenen Kabelleitungen besteht, ist der Hauptsache nach auf den beiden Plattformen und dem Wagendach untergebracht. Die Kontaktvorrichtung besteht aus einem leichten schmiedeeisernen Rohr, das am oberen Ende die Kontaktrolle trägt. Am Fuße des Stromabnehmers ist eine federnde Hebelvorrichtung angebracht, durch welche die Rolle stets mit gleichbleibender Kraft gegen die Kontaktleitung angedrückt wird. Die Steuerungs- bezw. Regulierungsvorrichtung hat die in Fig. 7 gezeigte Anordnung und ist an den Stirnseiten der Plattformen untergebracht. Mittels der Schalter ist der Führer imstande, die Fahrtrichtung umzukehren, die Geschwindigkeit zu regeln und die elektrische Bremse zu bedienen. Das Stehenbleiben der Schalter in falschen Mittelstellungen ist durch Anwendung geeigneter federnder Klinken verhindert. Die Bildung von Lichtbogen an den Kontaktstellen wird durch eine magnetische Ausblasevorrichtung, Bauart Thomson, beseitigt. Bei kleineren und mittleren Wagen, auf mäßigen Steigungen, wird nur eine der beiden Achsen angetrieben und die Abstufung der Fahrgeschwindigkeit durch Vorschalten geeigneter feuersicherer Widerstände, die unter dem Boden des Wagenkastens angebracht sind, erreicht. Da dies vor allem beim Anfahren der Fall ist, so kommen bei richtiger Wahl der Motorwicklung jene Widerstände nur ganz kurze Zeit in Anwendung, und die Arbeitsverluste fallen sehr gering aus. Bei Anwendung von zwei Motoren für größere Wagen oder bedeutendere Steigungen werden die beiden Motoren eines Wagens beim Anlaufen und langsamer[309] Fahrt hintereinander, zur Erzielung der vollen Geschwindigkeit jedoch parallel geschaltet. Die Anwendung von Widerständen ist dadurch auf ein geringes Maß beschränkt.
Die elektrische Wagenausrüstung umfaßt ferner die Beleuchtung durch Glühlampen, die Anordnung von Notausschaltern und Bleisicherungen sowie der Blitzschutzvorrichtungen mit selbsttätiger Funkenlöschung. Elektrische Heizapparate kommen nur bei Wagen, die lange Außenstrecken befahren und in denen demgemäß eine gleichmäßige Temperatur leicht aufrechterhalten werden kann, in Betracht. Bei regem Verkehr im Innern der Städte und oft wechselnder Besetzung der Wagen ist die Heizung derselben überhaupt von fraglichem Wert. Jedenfalls hat die elektrische Heizung, wenn auch nicht immer den Vorzug der Billigkeit, so doch den der einfachen Handhabung und Regulierfähigkeit sowie den einer Reinlichkeit und Dauerhaftigkeit im Betriebe, welchen jedes andre Heizungssystem entbehrt. Die unauffällig unter den Sitzen angebrachten elektrischen Heizkörper verbreiten eine angenehme und gleichmäßige Wärme, Vorzüge, die in vielen Fällen die etwas höheren Betriebskosten mit in den Kauf nehmen lassen.
Die hauptsächlichsten Anforderungen, die an das Untergestell eines elektrischen Motorwagens gestellt werden, sind große Stabilität und Fettigkeit bei möglichster Einfachheit des Aufbaues und Vermeidung vieler Verschraubungen und Vernietungen, welche die Ursache zahlreicher Reparaturen werden können. Die verschiedenartigen Konstruktionen sind mehr oder weniger durch die Größe der aufzusetzenden Wagenkasten und die Bauart der Federung bedingt. Die Längsträger liegen mittels Federn auf den Achskasten. Die Wagenkasten selbst ruhen mit Hilfe von Spiral- oder Evolutfedern auf dem Untergestell. Zum Schutz gegen Ueberfahren von Fußgängern werden die Untergestelle mit geeigneten Schutzrahmen umschlossen. Neuerdings sind häufig, abweichend von der Darstellung der Fig. 6 und 8, die Stirnbretter des Schutzrahmens nicht schräg, sondern senkrecht zur Wagenmittellinie ausgeführt und unmittelbar vor den Rädern angebracht. Die Untergestelle werden entweder zweiachsig ausgeführt oder mit zwei Drehgestellen mit je zwei Achsen versehen, wie dies Fig. 9 zeigt.
Fast allgemein wird jetzt der Antrieb der Wagenachsen von dem Elektromotor aus durch ein einfaches Stirnradvorgelege mit Uebersetzungsverhältnissen von 1 : 4 bis 1 : 6 durchgeführt. Der Motor selbst ist im allgemeinen derartig gebaut, daß das Magnetsystem ein den Anker und die Magnetspulen vollständig umschließendes Gehäuse bildet. Letzteres ist aufklappbar, um eine bequeme Revision des Motors zu ermöglichen (vgl. Fig. 10). Auch das Vorgelege wird von einem gut schließenden Gehäuse eingefaßt. Zur Stromzuführung werden allgemein Kohlenbürsten verwendet. Die Umdrehungszahl beträgt bei der normalen [310] Geschwindigkeit der zu betreibenden Wagen im allgemeinen 500600 pro Minute, während die durchschnittliche Leistung der Motoren in der Regel zu 2030 PS. angenommen wird.
B. Elektrischer Betrieb der Hauptbahnen.
Gegenüber dem elektrischen Betrieb der Straßenbahnen hat die elektrische Zugförderung auf Hauptbahnen bisher nur geringe Erfolge zu verzeichnen, wenngleich auch in letzter Zeit einzelne Ausführungen insofern von hervorragendem Interesse sind, als sie wesentlich dazu beigetragen haben, die hauptsächlichsten für die elektrische Betriebsweise in Betracht kommenden Fragen zu klären. Eine der wesentlichsten Ursachen für die langsame Entwicklung der elektrischen Betriebsweise auf Hauptbahnen ist darin zu finden, daß es sich hierbei um viel größere Leitungen und um viel größere Entfernungen handelt. Während bei den Straßenbahnen Leistungen von 2040 PS. und Entfernungen von wenig mehr als 10 km die Regel bilden, kommen auf Hauptbahnen im allgemeinen Leistungen von mehr als 600 PS. und Entfernungen, die nach Hunderten von Kilometern rechnen, in Frage. Die ganze Entwicklung der Betriebseinrichtungen hat sich danach in eingangs angedeuteter Weise vollzogen.
Der Versuchsbetrieb auf der Wannseebahn ist seinerzeit mit der ausgesprochenen Absicht eingerichtet worden, um erstens genaue Anhaltspunkte für die wesentlichsten Bauteile elektrischer Zügförderungsanlagen für Hauptbahnen, und zwar besonders für Vorort- und Stadtbahnen, zu gewinnen, zweitens den Nachweis der für Hauptbahnen unbedingt erforderlichen Betriebstüchtigkeit[311] festzustellen, und drittens möglichst einwandfreie Unterlagen für die Betriebskonten der elektrischen Zugförderung gegenüber der bisherigen Zugförderung mit Lokomotiven zu gewinnen. Die Beobachtungen des Versuchszuges während des fast zweijährigen Betriebes haben ergeben, daß die elektrische Zugförderung im besonderen für Vorortzüge in betriebstechnischer Beziehung allen zu stellenden Anforderungen entspricht. Als Vorzüge gegenüber dem Lokomotivbetriebe können hervorgehoben werden: 1. Bessere und leichtere Anpassungsfähigkeit an die jeweilig vorliegenden Verkehrsbedürfnisse durch Bildung von Zügen aus einer oder mehreren Zugeinheiten. Die Zugeinheiten werden dabei in der Weise gebildet, daß jede derselben sowohl an der Spitze als am Schlusse mit einem Führerabteil versehen ist und eine ihrer Zuglast entsprechende Zugkraft besitzt. 2. Beseitigung der Rauch- und Rußplage sowohl für die Reisenden als auch für die Anwohner der Bahn. 3. Weitestgehende Steigerung des Adhäsionsgewichtes durch Verteilung der Motoren auf eine größere Anzahl Achsen. 4. Erzielung größerer Anfahrbeschleunigung und geringerer Arbeitsverluste infolge Fortfalls des teilweisen Gleitens der Treibräder. 5. Geringere Abnutzung des Oberbaues wegen Verringerung des Maximalraddruckes.
Neben der Betriebstüchtigkeit ist nun aber von besonderer Bedeutung die Betriebskostenfrage. Nach dieser Richtung hin sind sehr eingehende Ermittlungen angestellt worden, die zu dem Ergebnis geführt haben, daß sich die Zugförderungskosten unter sonst gleichen Umständen für einen Zug von 30 Achsen wie folgt gestalten.
[312] Nach der vorstehenden Zusammenstellung sind nun zwar die Kosten für den elektrischen Betrieb um einen geringen Betrag höher als diejenigen des Lokomotivbetriebs; dieser Mehrbetrag verschwindet aber, sobald man die bessere Anpassungsfähigkeit an die Verkehrsverhältnisse ausnutzt. Dies kommt besonders bei Stadt- und Vorortbahnen, auf denen der Verkehr zu den verschiedenen Tageszeiten erheblichen Schwankungen unterworfen ist, ganz besonders in Betracht, und aus diesem Grunde ist auch die elektrische Zugförderung in erster Reihe für diese Bahnen besonders günstig. Für derartige Bahnen gestaltet sich die Zugförderungsanlage bei Verwendung von Gleichstrom im allgemeinen wie folgt. Von einer annähernd im Schwerpunkt eines derartigen Bahnnetzes zu errichtenden Stromerzeugungsanlage ist der hochgespannte Wechselstrom durch besondere Speiseleitungen nach den in angemessenen Entfernungen gelegenen Umformerstationen zu leiten und von diesen den Fahrzeugen zuzuführen. Die Gestaltung der Züge würde nach den bisherigen Erfahrungen im allgemeinen zweckmäßig derart zur Durchführung kommen, daß diese Züge entweder aus einer, zwei oder mehreren Zugeinheiten gebildet werden. Als Betriebsmittel könnten dabei entweder drei- oder vierachsige Vorortwagen Verwendung finden. Jede Zugeinheit würde je nach den einzelnen Streckenverhältnissen im ersteren Falle aus drei bis sechs, im letzteren Falle aus zwei bis vier Wagen zusammenzusetzen sein. Die Zahl der Motoren wäre der Stärke der Zugeinheit entsprechend so zu bemessen, daß die durchschnittliche Anfahrtsbeschleunigung bis zur Erreichung einer Geschwindigkeit von 45 km pro Stunde etwa 0,20,25 m pro Sekunde beträgt. Eine weitergehende Anfahrtsbeschleunigung einzuführen obwohl vom betriebstechnischen Standpunkte aus ohne weiteres zulässig ist aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu empfehlen. Es würden sich aber auch bei Einführung der vorgenannten Anfahrtsbeschleunigung und einer durchschnittlichen Stationsentfernung, wie sie bei den Vorortbahnen vorhanden ist, bereits eine Reisegeschwindigkeit von mehr als 30 km pro Stunde ergeben, wobei noch die einschränkende Bedingung innegehalten werden kann, daß die Höchstgeschwindigkeit von 50 km pro Stunde nicht überschritten werden darf. Jede Zugeinheit müßte sowohl an der Spitze als am Schlusse mit einem Führerabteil versehen werden, von dem aus sowohl die Steuerung einer Zugeinheit als auch mehrerer zu einem Zuge zusammengesetzten Zugeinheiten erfolgen kann. Nach den vorhin genannten vergleichenden Kostenermittlungen darf unter diesen Umständen mit Sicherheit darauf gerechnet werden, daß der elektrische Betrieb für den gesamten Vorortverkehr sich in betriebstechnischer Hinsicht wesentlich günstiger und in wirtschaftlicher Beziehung keinesfalls unvorteilhafter durchführen läßt als der bisherige Lokomotivbetrieb.
[313] Als Beispiel einer Zugförderungsanlage für eine Vorortbahn sei nachstehend die elektrische Zugförderungsanlage für die. Strecke Berlin, Potsdamer VorortbahnhofGroß-Lichterfelde-Ost in ihrer allgemeinen Anordnung kurz angeführt. Die Züge werden meist aus je zwei Triebwagen III. Klasse und einem Triebwagen II. Klasse zusammengestellt. Eine solche Zugeinheit hat 206 Sitzplätze und wiegt vollbesetzt 135 t. Zur Verstärkung der Züge können im Bedarfsfalle bis zu drei Stück der beim Dampfbetrieb gebräuchlichen dreiachsigen Vorortwagen dem Zuge eingefügt werden. Bei schwächerem Verkehr können durch Abschaltung eines Triebwagens III. Klasse auch Zugeinheiten aus zwei Wagen gebildet werden. Jeder Triebwagen besitzt zwei Elektromotoren von je 100 PS. Die Wagen III. Klasse haben ein Führerabteil, einen Gepäckraum und neun Personenabteile; die Wagen II. Klasse haben sieben Personenabteile und einen Heizkesselraum für die kombinierte Hoch- und Niederdruckdampfheizung des Zuges. Die Wagen werden durch elektrische Glühlampen beleuchtet. Als Betriebsstrom wird Gleichstrom verwendet, dessen Spannung in der Arbeitsstation 550 Volt beträgt. Die Stromleitung längs der Strecke wird durch eine neben jedem Fahrgleise isoliert verlegte Stromschiene, die sogenannte dritte Schiene oder Leitungsschiene, bewirkt, während als Rückleitung auf der Strecke die Fahrschienen selbst dienen. Fig. 11 zeigt die Anordnung der dritten Schiene auf freier Strecke. Durch zwei Abteilungsisolatoren ist die ganze Strecke in drei Teile unterteilt; auch kann die Stromzuführung zum Betriebsbahnhof besonders abgeschaltet werden. Um ein Wandern der dritten Schiene zu vermeiden, ist diese in Abständen von etwa 1 km verankert.
Wie schon früher erwähnt wurde, werden die Züge meist aus drei Triebwagen zusammengesetzt. Jeder dieser Triebwagen entnimmt den Betriebsstrom für sich mittels doppelten Stromabnehmers[314] (vgl. Fig. 12). Die Stromabnehmer sind an demjenigen Drehgestell angebracht, an dem die Motoren eingebaut sind, und zwar an beiden Seiten. Vom Stromabnehmer führt die Hauptleitung für den Betriebsstrom zu den Widerständen und Motoren und dann durch die Laufräder zu den Fahrschienen bezw. zur Erde. In jedem Wagen ist eins der beiden Drehgestelle mit zwei Motoren ausgerüstet, die mittels Zahnradübersetzung den Antrieb auf die Räder bewirken.
Die Motoren mehrerer zu einem Zuge zusammengestellter Wagen können von jedem dieser Wagen aus nach Belieben gleichzeitig ein- und ausgeschaltet werden. Die grundsätzliche allgemeine Anordnung einer solchen Steuerung ist aus Fig. 13 zu ersehen; es sind drei Wagen angenommen, und der Einfachheit wegen ist vorausgesetzt, daß jeder Wagen mit nur einem Motor ausgerüstet ist. Nach der Figur ist die Schaltwalze des Wagens 1 auf die erste Fahrtstellung geschaltet, während die der andern Wagen ausgeschaltet sind. Der Steuerstrom nimmt daher seinen Weg vom Stromabnehmer des ersten Wagens zu dessen Schaltwalze und von hier durch das erste der drei Schützen zur Erde. Parallel hierzu wird ein Zweigstrom gleichzeitig durch das erste Schütz des zweiten und durch das erste des dritten Wagens zur Erde geleitet. Durch elektromagnetische Wirkung wird der Arbeitsstromkreis in diesen drei erregten Schützen geschlossen, so daß also der Arbeitsstrom von den drei Stromabnehmern durch die von den drei ersten Schützen geschlossene Verbindung zu den Widerständen und weiter durch die Motoren zur Erde gehen wird. Beim Weiterschalten der Schaltwalze des ersten Wagens auf die zweite Fahrtstellung werden auch die zweiten Schützen sämtlicher Wagen angezogen, so daß also der Arbeitsstrom nur noch durch den zweiten Widerstand und Motor eines jeden Wagens geht. Beim Schalten auf die dritte Stellung endlich sind sämtliche Schützen erregt, die Widerstände also kurzgeschlossen, so daß der Betriebsstrom seinen Weg nur durch die Motoren nimmt. Es ist aus der Figur ersichtlich, daß ein Schalten mit der Schaltwalze des zweiten oder dritten Wagens genau denselben Erfolg hätte, so daß also von jeder Schaltwalze aus der Zug, der auch aus mehr oder weniger Wagen zusammengesetzt werden kann, nach Belieben zu steuern ist.
In der Ausführung ist nun die Schaltung nicht ganz so einfach, wie sie der besseren Uebersicht halber in Fig. 13 gezeichnet ist. Es befinden sich in jedem Wagen zwei Motoren, die hintereinander und nebeneinander geschaltet werden müssen. Ein Schema, das eine derartige Schaltanordnung für einen Wagen zeigt, ist in Fig. 14 gegeben.
Die Ansicht eines Führerabteils mit den dort angebrachten Schalt- und Sicherheitseinrichtungen zeigt Fig. 15 für die Wagen III. Klasse. Außer der Schaltwalze sind die Sicherungen, Ausschalter und Meßinstrumente sowie die Bremsvorrichtungen und die Signalpfeife aus der Figur zu ersehen. Wie aus Fig. 15 hervorgeht, ist auf der Kurbel der Schaltwalze ein Druckknopf angebracht, der vom Wagenführer vor dem Einschalten niedergedrückt werden muß, wodurch die elektrische Verbindung zwischen der Stromleitung vom Stromabnehmer zu den Schaltleitungen hergestellt wird. Läßt der Führer den Druckknopf während der Fahrt los, so wird diese Verbindung sofort selbsttätig unterbrochen, den Motoren des Zuges also kein Strom mehr zugeführt. Durch diese Einrichtung ist es ausgeschlossen, daß der Zug unter Strom führerlos weiterfährt, falls dem Führer einmal während der Fahrt ein Unfall zustoßen sollte.
Die Geschwindigkeitsdiagramme für die erste Teilstrecke Potsdamer Bahnhof-Yorkstraße sind in Fig. 16 für beide Fahrtrichtungen gegeben. Sie zeigen, daß der Zug vom Stillstand aus zunächst mit einer Beschleunigung von 0,5 m pro Sekunde anfährt, so daß er nach acht Sekunden schon eine sekundliche Geschwindigkeit von 4 m erreicht hat. Bei dem nun folgenden Parallelschalten der Motoren wird die Beschleunigung herabgesetzt, doch beträgt die mittlere Beschleunigung während der eigentlichen Anfahrtszeit, d.h. bevor die letzte Fahrtstellung erreicht ist und die Motoren ohne Widerstand nebeneinander arbeiten, immerhin noch 0,21 m pro Sekunde, so daß ein Zug in noch nicht 50 Sekunden eine Geschwindigkeit von 10 m pro Sekunde, d.h. 36 km pro Stunde erreicht. Die mittlere Beschleunigung von da ab bis zur größten Geschwindigkeit von 50 km pro Stunde (etwa 14 m pro Sekunde) ist dann etwa 0,10 m pro Sekunde. Die Diagramme der elektrischen und mechanischen Arbeit zeigen, welche elektrische Arbeit während[315] einer Fahrt der dritten Schiene entnommen wird und welche Arbeit die Motoren leisten. Aus den Spannungsdiagrammen geht hervor, daß der Spannungsverlust in der dritten Schiene beim Anfahren eines Zuges bis zu 50 Volt beträgt. Falls mehrere Züge gleichzeitig anfahren, wird dieser Spannungsabfall entsprechend größer werden.
Sämtliche Hauptstromleitungen sind unter den Wagenkasten angebracht und gut isoliert. Die Leitungen des Steuerstroms sind zu einem biegsamen Kabel vereinigt, das, wie Fig. 15 zeigt, durch den ganzen Zug führen muß. Die Kupplung zwischen den einzelnen Wagen erfolgt durch ein biegsames Zwischenkabel, das durch einfache Steckdosen beiderseits an die Enden der Wagenkabel angeschlossen wird. Außer diesen Stromkabeln wird noch die Leitung der Luftdruckbremse durch den Zug geführt. Die Bremseinrichtung und Notbremse stimmt mit Ausnahme des Antriebs der Luftpumpe mit der in Dampfzügen gebräuchlichen überein. Zum Anlassen und Abstellen des Pumpenmotors dient ein selbsttätiger Anlasser, der beim Sinken des Ueberdrucks im Hauptluftbehälter auf 61/2 Atmosphären den Motor angehen läßt und bei Erreichung von 8 Atmosphären ihn ausschaltet.
Ueber den Versuchsbetrieb auf der Nebenbahn Niederschöneweide-Johannistal-Spindlersfeld mit einphasigem Wechselstrom von 6000 Volt sind zurzeit die Ergebnisse noch nicht zum Abschluß gelangt. Soweit sich indes schon jetzt übersehen läßt, wird diese Anordnung wegen ihrer sehr einfachen Leitungsanlage voraussichtlich zu ausgedehnter Anwendung kommen.
Literatur: Glasers Annalen für Gewerbe und Bauwesen; Zeitschr. des Vereins deutscher Ingenieure; Elektrotechnische Zeitschrift; Elektrische Bahnen und Betriebe.
W. Bork.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.