Abfallfette

Abfallfette

Abfallfette. Zu den Abfallfetten im weiteren Sinne des Wortes gehören Knochenfett, Wollfett, Hautfette, Abdeckereifette, Abwässerfette und Walkten. Dazu kommen die Rückstände vom Raffinieren und Bleichen der Oele und Fette. In England bezeichnet man alle diese Fette als »greases«, eine Bezeichnung, die öfter auch im deutschen Handel gebraucht wird [1], Gewöhnlich versteht man aber unter Abfallfetten nur die Fette aus den Gerbereien, den Abdeckereien, den Schlachthäusern, die Abwässerfette, Walkten und die Rückstände vom Raffinieren und Bleichen der Oele und Fette und unterscheidet sie nach ihrem Herkommen als Kadaverfette, Leimseite, Gerberfett, Lederfett, Abwässerfett und Walkten, während man die aus den Rückständen von der Raffinierung der Oele gewonnenen Fette häufig mit dem Namen »soapstock« belegt [2]. Bei dem großen Mangel an Oelen und Fetten spielen diese Abfallfette heute eine große Rolle in der Seifenfabrikation, obwohl sie sehr wechselnde Zusammensetzungen zeigen, meist Oxyfettsäuren, Unverseifbares und Wasser enthalten und ihre Verseifung häufig mit großen Schwierigkeiten verknüpft ist. Will man sich vor unliebsamen Ueberraschungen bei der Fabrikation bewahren, so ist dringend geboten, sie vorher einer chemischen Untersuchung zu unterziehen, insbesondere sie auf einen Gehalt an unverseifbaren sowie auch an flüchtigen Stoffen zu untersuchen. Ueber die Methode zur Untersuchung der Abfallfette s. Seife, Seifenpulver. Am wertvollsten für die Seifenfabrikation sind unter den genannten Produkten die Kadaverfette und Leimseite, da sie fast frei von unverseifbaren Bestandteilen sind und eine außergewöhnliche Vorbereitung kaum benötigen.

Die Kadaverfette werden bei Vernichtung und Verarbeitung von Tierkadavern und Schlachthausabfällen auf Futtermehl und Düngemittel als Nebenprodukte erhalten. Die Kadaver werden zu dem Zwecke in geschlossenen Druckgefäßen mit gespanntem Dampf gekocht. Die entstandene Leimbrühe und das Fett werden abgezogen und das letztere durch Umschmelzen und Waschen gereinigt. Die Ausbeute beträgt gewöhnlich ungefähr 11%. Da eine Sonderung des Kadavermaterials in dem Sinne, daß immer nur ganze Apparatfüllungen von ein und derselben Tierart verarbeitet werden, meist nicht vorgenommen wird, so stellt das Fett gewöhnlich ein Gemisch verschiedener Tierfette vor. Da Pferdefett neben geringer Konsistenz eine dunkle Farbe hat, während Rinder- und Schweinefett weiß aussehen, so ist das Gesamtprodukt, das Mischfett, selten ganz weiß; es hat vielmehr stets einen mehr ausgeprägten Stich ins Graue. Werden überwiegend Pferde verarbeitet, so nimmt die dunkle Farbe zu. Für die Bewertung der Kadaverfette im Handel sind ausschließlich Farbe und Geruch maßgebend. Je heller das Fett und je weniger Geruch ihm anhaftet, um so wertvoller ist es [3].

Die Leimfette, besser Leimsiedereifette, bilden ein Nebenprodukt bei der Verarbeitung von Leimleder, d.h. von ungegerbten Hautabfällen, die entweder in grünem, nicht gebeiztem Zustande oder nach einer längeren Behandlung mit Kalk auf Leim verkocht werden. Im ersteren Fall wird das auf der heißen Leimbrühe schwimmende Fett durch Abschöpfen als sogenanntes »Abschöpffett« gewonnen; im zweiten Fall hinterbleibt nach Entfernung der Leimbrühe ein Rückstand, in dem das Fett zum größten Teil als Kalkseife enthalten ist. Durch Verkochen mit etwa 10% Schwefelsäure, Zentrifugieren der aufgeschlossenen Masse und gegebenenfalls durch Extraktion der verbleibenden Rückstände erhält man schließlich das aus einer Mischung von Neutralfett und Fettsäure bestehende »Aufschließfett«.

[13] Die in der Regel schmalz- oder talgartigen Kadaverfette ergeben feste, geschmeidige Natronseife, während die in ihrer Farbe, ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften am ehesten den Knochenfetten vergleichbaren Leimseite besonders bei Herstellung von Textilseifen Verwendung finden.

Die Gerberfette werden aus gegerbtem Leder entweder durch Abkratzen oder durch Einlegen des Leders in heißes Wasser gewonnen. Sie sind gewöhnlich von dunkler Farbe und sehr unrein. Bisweilen können sie durch Umschmelzen auf Wasser noch gereinigt werden; meist ist aber die Anwendung der in der Seifenfabrikation üblichen Reinigungsverfahren zwecklos, da auch die mehr oder weniger gereinigten Produkte infolge ihres hohen Gehalts an Unverseifbarem zur Herstellung von Seifen wenig geeignet sind.

Auch die Lederfette, die durch Extraktion von gegerbten Lederabfällen der Gerbereien, Schuhfabriken u.s.w. gewonnen werden, enthalten meist erhebliche Mengen von Kohlenwasserstoffen, da neben tierischen und pflanzlichen Oelen und Fetten auch Mineralöle zum Einfetten von Leder zur Verwendung kommen. So fand Stadlinger [4] in einem solchen Lederextraktionsfett 5,12% Unverseifbares und 19,20% flüchtige Bestandteile. Solche Fette neigen außerordentlich zur Emulsionsbildung und können daher beträchtliche Mengen Wasser binden.

Die Abwässerfette, die aus Kanal- oder Klärbeckenschlamm, Fäkalien u.s.w. durch Extraktion erhalten werden, pflegen auch erhebliche Mengen Mineralöle zu enthalten, die in Form von Schmierölen u.s.w. in die Kanalisation gelangt sind. S. Fettgewinnung aus Abwässern.

Die Walkfette, die man aus den seifenhaltigen Waschwässern der Spinnereien und Tuchfabriken durch Schwefelsäure zur Abscheidung bringt, bilden eine dickflüssige Masse von brauner bis schwarzer Farbe und unangenehmem Geruch. Sie finden in den Seifensiedereien vielfach bei Herstellung von Textilseifen Verwendung, weniger zu Hausseifen, abgesehen von Harzfelsen, da man an der dunkeln Farbe, die das Walkten den Seifen erteilt, Anstoß nimmt. Auch die Wallseite sind sehr häufig schmutz- und wasserhaltig und haben sich nach Stadlinger [4] in letzter Zeit erheblich verschlechtert, seitdem zahlreiche Textilbetriebe aus Sparsamkeitsrücksichten dazu übergegangen sind, Textilöle und Schmälzen mit hohem Gehalt an Kohlenwasserstoffen zu verwenden, die naturgemäß in die abfallenden Seifenwässer mit übergehen. Der genannte Chemiker hat Wallseite bis zu einem Gehalt von 22% an Unverseifbarem beobachtet.

Die meisten der hier besprochenen Abfallfette sind von einer Beschaffenheit, daß die Seifensiederei nicht imstande ist, sie mit den von ihr gebräuchlichen Methoden zu reinigen. Das geeignetste Reinigungsverfahren ist die Destillation mit überhitztem Wasserdampf. Da diese Fette, abgesehen vom Walkten, das ohne weiteres der Destillation unterworfen werden kann, neben Fettsäuren und Neutralfett häufig auch noch Seifen enthalten, so verseift man sie zunächst zu einer möglichst trockenen Kalkseife oder Natronseife, scheidet daraus durch Destillation oder Extraktion die Mineralöle ab, zersetzt die zurückbleibende Seife mit Schwefelsäure und destilliert die erhaltenen Fettsäuren mit überhitztem Wasserdampf. Die auf diese Weise aus den Abfallfetten gewonnenen Fettsäuren sind ohne weiteres zur Seifenfabrikation verwendbar. Sie geben in der Regel feste Kernseifen von silberglänzendem Aussehen und einwandfreiem Geruch; doch kommt es auch zuweilen vor, daß Seifen aus solchen Fettsäuren erheblich nachdunkeln.

Auch beim Einkauf solcher Fettsäuren muß man vorsichtig sein, da sie häufig genug Mineralöle und andere unverseifbare Bestandteile enthalten. So fand Stadlinger [4] in Produkten, die als animalische Fettsäuren verkauft waren, 21,02–22,94% Unverseifbares und in einer tierischen Abfallfettsäure 37,75% Kohlenwasserstoff.

Unter dem Namen Seifenfett, Butterfett u.s.w. werden vielfach Abfallfette angeboten, die aus den Oelrückständen der Speiseölfabrikation sowie aus Raffinationsrückständen der Kunstbutterfabrikation bestehen und in der Seifenfabrikation Verwendung finden. Am bekannteren in dieser Hinsicht ist der Satz von der Raffinierung des Baumwollsaatöls. Beim Raffinieren dieses Oeles mit Natronlauge erhält man einen Niederschlag, der aus einem Gemisch von Baumwollsaatöl, Farbstoff und harzartigen Körpern besteht. Im Handel wird diese Masse als »Mucilage« bezeichnet. Der Satz von amerikanischem Baumwollsaatöl ist verhältnismäßig hell gefärbt, da die Saat im frischen Zustande gepreßt wird. Er findet unter dem Namen »soapstock« in der Seifenfabrikation Verwendung. Die ägyptische Saat, die hauptsächlich in England gepreßt wird, erhitzt sich während des Seetransports sowie auch während der Lagerung. Dadurch treten Veränderungen im Samen auf, die dem rohen Baumwollsamenöl eine sehr dunkle Farbe verleihen, so daß der beim Raffinieren erhaltene Satz fast schwarz ist. Aus der beträchtlichen Menge an Seife und Oel, die darin enthalten sind, wird das Oel durch Behandeln mit Schwefelsäure wieder gewonnen. Die abgeschiedene Fettmasse wird mit überhitztem Wasserdampf destilliert. Die gewonnenen Fettsäuren pflegen mehrere Prozent Unverseifbares zu enthalten. Für technische Zwecke wird das Baumwollsaatöl häufig durch Einrühren von 1 bis 4% konzentrierter Schwefelsäure raffiniert, und man erhält als Rückstand einen ölhaltigen Säureteer. Er wird mit warmem Wasser behandelt, wobei sich die Fettanteile an der Oberfläche abscheiden. Auf diese Weise erhält man das sogenannte »Black grease«. Es hält hartnäckig Wasser zurück, so daß ein Auswaschen der Säure eine recht Schwierige Arbeit ist. Viele Fabrikanten geben sich gar nicht die Mühe, die Säure zu entfernen, und so findet man Produkte, die bis zu 15% Mineralsäure enthalten [5],

Die aus Amerika eingeführten großen Mengen von minderwertigen Fetten, wie sie unter den Namen »Bone grease«,»Inedible grease«, »Glues grease«, »Garbage grease«, »Inedible tallow« u.s.w. zu scheinbar billigen Preisen auf den Markt kommen, sind nach Franz Knorr [6] mit Mißtrauen aufzunehmen. Sie zeigen meist einen ekelhaften Geruch nach Fäkalien infolge ihres Gehalts an Eiweißstoffen und Schwefelverbindungen. Andere Fette haben einen Geruch nach Schweinedärmen, während wieder andere nach dem Extraktionsmittel riechen. Das Fett ist meist sehr dunkel, die Konsistenz meist eine schmierige, der Gehalt an Wasser und Asche[14] dagegen gering. Der Gehalt an Unverseifbarem beträgt bei besseren Sorten 1–5%, bei schlechteren bis 25%. Letztere lassen sich natürlich schlecht destillieren. Die bei der Spaltung im Autoklaven erzielten Fettsäuren zeigen den Geruch des Ausgangsstoffes und kristallisieren meist schlecht. Käufer solcher Fette sollten sich nicht mit einer kleinen Probe begnügen, sondern ein Probebarrel verlangen. – Eine schnelle Prüfung nimmt man wie folgt vor: Man mischt 100 g des Fettes mit 30 g Wasser und arbeitet in einem kleinen Dämpfapparat kräftig durch unter ständigem Einströmen von Dampf. Darauf setzt man soviel Schwefelsäure zu, daß das Säurewasser 20° Bé zeigt. Nach nochmaligem guten Durchrühren läßt man absetzen. Setzt sich das Säurewasser schlecht ab und ist Emulsion zu bemerken, dann hat man mit Schwierigkeiten bei der Verarbeitung zu rechnen. Noch besser ist es, einen kleinen Spaltversuch in einem Laboratoriumsautoklaven vorzunehmen. Bei der Destillation muß man auf große Ueberraschungen gefaßt sein. Ost geht schon bei niedriger Temperatur ein dünnflüssiger Vorlauf, aus Kohlenwasserstoffen bestehend, über. Die Fettsäuren kristallisieren schlecht, färben sich an der Luft rot und geben dunkle Seifen von unangenehmem Geruch. Die Ausbeute an Stearin beträgt nur 42–45% entgegen 52–55% bei guten Fetten, und es bilden sich 3–6% Goudron. – Mit großen Verlusten ist bei diesen Fetten meist auch durch den schlechten Zustand der Fässer zu rechnen.


Literatur: [1] Lewkowitsch, Technologie der Oele und Fette. Bd. 2, S. 726, Braunschweig 1905. – [2] Deite-Schrauth, Handbuch der Seifenfabrikation, 4. Aufl., Bd. 1, S. 127, Berlin 1917. – [3] Ubbelohde, Chemie und Technologie der Oele und Fette, Bd. 1, S. 693, Leipzig 1908. – [4] Seifenfabrikant 1914, S. 1248. – [5] Lewkowitsch a.a.O., S. 728. – [6] Seifens.-Ztg. 1914, Nr. 13 und 14; Seifenfabrikant 1914, S. 722.

Deite.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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