Gleitflug

Gleitflug

Gleitflug. Die lotrechte Sinkgeschwindigkeit einer horizontal eingestellten, frei schwebenden Platte wird erfahrungsgemäß kleiner, wenn dieser Platte gleichzeitig eine Verschiebung in ihrer Ebene erteilt wird, und zwar erhält die Fallstrecke einen um so kleineren Wert, je größer die seitliche Verschiebung der Platte in der Zeiteinheit wird.

Die Bewegung geschieht, weil der Schwerpunkt gleichzeitig beiden Bewegungen folgen will, in Richtung der Diagonale des aus beiden Geschwindigkeiten gebildeten Parallelogramms; die Geschwindigkeit der resultierenden schrägen Bewegung muß daher größer sein als beim freien Fall. Die Ebene der schräg sinkenden Platte bildet mit der Bewegungsrichtung, d.h. mit der Richtung der resultierenden Geschwindigkeit einen spitzen Winkel ε (s. Fig. 1). Die Mittelkraft des Luftwiderstandes ist wegen der horizontalen Lage der Platte senkrecht nach oben gerichtet, sie wirkt also als direkter Auftrieb und vermindert das Gewicht der Platte.

Die schräg gleitende Platte vermag demnach bei gleicher Fallhöhe ein größeres Gewicht zu tragen oder sie sinkt bei gleichem Gewicht langsamer als die frei fallende Platte, was vor allen Dingen durch die Vergrößerung der Stützmasse zu erklären ist. Liegt nun die Platte nicht[329] wagerecht, so schließt die Mittelkraft des durch den Luftwiderstand hervorgerufenen Auftriebs einen Winkel mit der durch den Druckmittelpunkt gezogenen Senkrechten ein, so daß eine Zerlegung des Auftriebs in eine senkrechte Av- und horizontale Ah-Komponente notwendig wird. Hiervon wirkt die Vertikalkraft dem Gewicht oder der Schwerkraft entgegen, die wagerechte dagegen als Vortrieb. Wird die Platte in der angegebenen Weise aus einer erhöhten Lage fallen gelassen, so wird sich nach kurzer Beschleunigungsperiode, während welcher die Vertikalgeschwindigkeit überwiegt, die gleichmäßige, resultierende Geschwindigkeit einstellen; die Platte gleitet in schräger Bahn abwärts.

Es kommt als antreibende Kraft lediglich die Schwerkraft S in Betracht, so daß sich also nebenstehendes Kräftebild (Fig. 2) ergibt. Die Sehne des Tragflügels bildet mit der Flugbahn zusammen den Winkel ε; der Winkel der flachsten, überhaupt möglichen Flugbahn mit der Horizontalen heißt ρ; je kleiner dieser ausfällt, desto bessere Flugeigenschaften besitzt der Apparat, Winkel ε für diese flache Flugbahn liegt in der Regel zwischen 6 und 8°. Dem günstigsten Flugwinkel entspricht die kleinste Neigung der Flugbahn gegen die Horizontale, d.h. der Flugapparat legt bei Einhaltung dieses Winkels den längsten Weg zurück, bis er zur Erde gelangt; es gibt zwei Möglichkeiten, diesen Weg zu verkürzen, also einen Heiteren Gleitflug einzuschlagen oder aber einen Sturzflug vorzunehmen. Einmal kann man den Apparat vorn aufbäumen, also ε vergrößern; er verliert dadurch an Auftrieb und sackt mit nahezu horizontaler Lage des Rumpfes in steiler Richtung durch. Oder aber man kann den Apparat vorn neigen (ε verkleinern) und nun mit steil nach unten gerichtetem Flugzeug in sturzartigem Fluge herniedergehen. Bei Vergrößerung des Winkels ε wird die Flugbahn erst ganz allmählich steiler, während die Geschwindigkeit sehr bald ein Maximum erreicht. Bei Neigung des Flugzeuges nach vorn um wenige Grad wächst der Winkel der Flugbahn ganz außerordentlich schnell; der Tragflügel erhält Druck von oben und beschleunigt das Abstürzen noch mehr. Eine Vergrößerung von ε um nur einen Grad kann vom Heilen Gleitflug (45°) in den Sturzflug überführen.


Literatur: [1] Huppert, Leitfaden der Flugtechnik, Berlin 1913. – [2] Nimführ, Grundlagen der Physik des Fluges, Leipzig 1910.

Béjeuhr.

Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 1., Fig. 2.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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