Kulissensteuerungen

Kulissensteuerungen

Kulissensteuerungen, eine besondere Klasse von Steuerungen (s.d.) an Dampfmaschinen, welche es ermöglichen, den Gang der Maschine beim Stillstand oder auch während des Betriebes aus Vorwärtsgang in Rückwärtsgang und umgekehrt umzusteuern. Sie finden Anwendung bei allen Lokomotiven, Schiffsmaschinen, bei Fördermaschinen, Aufzügen, Dampfkranen (s. Krane), ferner bei manchen andern Arbeitsmaschinen, welche eine Bewegungsumkehr erfordern, so bei Reversierwalzenzugmaschinen, Baggermaschinen, Exkavatoren u.s.w. Die wichtigsten und verbreitetsten Kulissensteuerungen sind die folgenden:

Stephensonsche Kulissensteuerung. Auf der dem Dampfzylinder am nächsten liegenden, in der Figur im Querschnitt dargestellten und mit A bezeichneten Lokomotivachse sind zwei gleichgroße Exzenter B und B1 (s. Bd. 3, S. 524) unter einem bestimmten Winkel gegeneinander und gegen die Maschinenkurbel aufgekeilt. Mittels zweier Exzenterstangen C und C1 sind dieselben mit dem oberen bezw. unteren Ende der bogenförmig gekrümmten Kulisse DD verbunden, welche am unteren Ende mittels zweier Hängestangen an dem dreiarmigen Umsteuerhebel G G1 aufgehangen ist. Im Innern der Kulisse ist ein bogenförmiger Schlitz, in welchem sich ein kleiner Stahlklotz, der Kulissenstein, verschiebt und an dem die zur Bewegung des Muschelschiebers F (s. Steuerungen) dienende Schieberschubstange E angreift. Durch den Handhebel oder Steuerhebel J, welcher an dem mit Verzahnung versehenen Gradbogen K sich hin und her bewegt, kann die Kulisse gehoben und gesenkt werden. In der gesenkten Stellung (vgl. die Figur) wirkt das sogenannte Vorwärtsexzenter auf die Kulisse und den Schieber und bewirkt die richtige Dampfverteilung, wie wenn überhaupt nur ein einziges Exzenter vorhanden wäre. Soll nun der Drehsinn der Maschine umgekehrt werden, so wird die Kulisse in die höchste Stellung gehoben, wodurch, eine Verschiebung des Muschelschiebers derart herbeigeführt wird, daß der Dampf auf der entgegengesetzten feste des Dampfzylinders wie bei der vorigen Stellung der Kulisse einströmt, die Maschine also entgegengesetzte Drehrichtung bekommt. Diese Umsteuerung findet meistens während des Stillstandes der Maschine statt, kann jedoch auch ausnahmsweise während des Ganges erfolgen, so bei Lokomotiven, um in Fällen dringender Gefahr die Maschine möglichst rasch zum Stillstand zu bringen. Man nennt das Umsteuern dann Gegendampf geben [1], weil der frisch einströmende Dampf bremsend auf die Maschine wirkt. Die am Gradbogen des Steuerhebels vorhandenen Verzahnungen 0, 1, 2, 3 gestatten, die Kulisse in verschiedenen Zwischenlagen zwischen der höchsten und tiefsten Stellung festzuhalten, zu welchem Zwecke man eine am Steuerhebel befindliche verschiebbare Klinke in die gewünschte Zahnlücke einspringen läßt. Bei der Mittelstellung der Kulisse steht die Maschine überhaupt still, weil sodann auf keiner der beiden Zylinderseiten infolge der Ueberdeckungen des Schiebers Dampfeinströmung stattfindet. Je weiter nun die Kulisse aus der Mittellage gehoben oder gesenkt wird, desto größer ist die Füllung der Maschine oder umgekehrt desto geringer die Expansion (s.d. unter Dampfmaschinen, Bd. 2, S. 598 ff.). Beim Anfahren eines Eisenbahnzuges, wo die meiste Arbeit zu leisten ist, oder bei Steigungen wird daher die Kulisse am weitesten ausgelegt, während sonst mit geringerer Füllung, also auch geringerem Dampfverbrauch, weil erhöhter Expansion, gefahren werden kann. Zu den Kulissensteuerungen, welche ebenfalls mit zwei Exzentern arbeiten, gehören diejenigen von Gooch, Allan-Trick u.a. [2], während die Steuerungen von Pius Fink [3], Heusinger v. Waldegg [2], Joy [4], Klug [5], Belpaire und Walchaërt nur ein Exzenter besitzen. Bei der Goochschen Kulisse, welche fest aufgehangen und nach entgegengesetzter Richtung wie die Stephensonsche Kulisse gekrümmt ist, wird die Schieberschubstange gehoben und gesenkt. Bei der Allan-Trickschen Steuerung ist ein doppelarmiger Hebel vorhanden, an dessen kürzerem Arm die (gerade) Kulisse, am längeren Arm die Schieberschubstange aufgehangen ist, so daß bei einer Verstellung des Hebels gleichzeitig die Kulisse gesenkt und die Schieberschubstange gehoben wird und umgekehrt, beide sich also gegeneinander bewegen, mithin für gleiche Relativbewegung beider gegeneinander ein geringerer Winkelausschlag erforderlich ist. Ueber die Theorie findet sich Ausführliches in [1] und [2].


Literatur: [1] »Ueber die Gegendampfwirkung bei Maschinen mit Umsteuerung« in Zeuner, Schiebersteuerungen, 4. Aufl., Leipzig 1874, Anhang, S. 163. – [2] Leist, Die Steuerungen der [748] Dampfmaschinen, 4. Aufl., Berlin 1900. – [3] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1894, S. 769. – [4] Ebend. 1886, S. 1052; 1887, S. 254, 588; 1888, S. 989. – [5] Ebend. 1885, S. 949. – Ferner: Anchincloß-Müller, Die praktische Anwendung der Schieb- und Kulissensteuerungen, Berlin 1886. – Inhalt der Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1883–1903, Art. Steuerungen.

v. Ihering.

Kulissensteuerungen

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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