Momentverschlüsse

Momentverschlüsse

Momentverschlüsse, Vorrichtungen an photographischen Kameras (s.d.), welche sehr kurze Belichtungen der empfindlichen Platte gestatten.

Der Momentverschluß kann vor dem Objektiv, zwischen den Linsensystemen (bei Doppelobjektiven, zentraler Verschluß), hinter dem Objektiv und endlich dicht vor der empfindlichen Platte angebracht sein. Zu den einfachsten, zumeist vor den Objektiven angeordneten Momentverschlüssen gehören die Fallbrett- oder Guillotineverschlüsse, bei welchen ein dünnes Brett oder Blech, mit einem in der Regel länglichen Ausschnitt versehen, an dem Objektiv vorbei nach abwärts gleitet. Der Fall wird hier und da durch Federkraft oder ein Gewicht beschleunigt. Bei kleinen billigen photographischen Momentapparaten läßt man auch vor dem Objektiv eine Metallscheibe rasch eine Umdrehung vollziehen, wobei die Belichtung gewöhnlich durch einen sektorförmigen Ausschnitt erfolgt, dem man diese Gestalt gibt, um den unteren Teil der empfindlichen Platte kürzer, den oberen (Vordergrund) länger belichten zu können. Dies zu regeln gestatten manchmal verstellbare Schlitzwangen. Viele Vorrichtungen beruhen anderseits darauf, daß zwei Verschlußbleche auf und zu schnellen oder zwei mit kreisrunden Löchern versehene Metallscheiben rasch aneinander vorbeigeführt und dabei stets selbsttätig wieder gespannt werden. Durch Anbringung eines Regulators ist es möglich, die Federspannung so zu ändern, daß die Belichtungszeiten zwischen 1 bis 1/200 Sekunde variiert werden können. Bei den Irismomentverschlüssen, welche zumeist zwischen den Linsensystemen angebracht werden, öffnen sich zahlreiche Sektoren von der Mitte aus, um dann wieder zuzuklappen. Sie ersetzen zugleich die Blende, weil eine Vorrichtung gestattet, die Oeffnung nur bis zum Erreichen eines Kreises von jeweilig gewünschtem Durchmesser vor sich gehen zu lassen. Vortrefflich ist der Anschütz-Schlitzverschluß, welcher aus einer lichtdichten, mit einem Schlitze – dessen Breite veränderlich ist – versehenen Stoffjalousie besteht, die bei Momentaufnahmen abrollt, wodurch der Spalt an der empfindlichen Platte (vor welcher unmittelbar die Vorrichtung angebracht ist), vorübergleitet, diese also zonenweise der Exposition freigibt. Durch Verengerung des Schlitzes einerseits und stärkere Spannung der treibenden Feder anderseits kann die Belichtungszeit bis auf 1/1000 Sekunde herabgedrückt werden. Bei Dauerbelichtungen wird die Jalousie zuerst ganz aufgezogen und am Schlusse der Exposition zum Abrollen gebracht. Ein sehr großer Vorzug des Anschütz-Verschlusses besteht darin, daß unter voller Ausnutzung der Lichtstärke des Objektivs die empfindliche Platte überall gleichstark belichtet wird. Der ähnlich funktionierende Schlitzverschluß von Thornton & Pickard wird vor dem Objektiv benutzt. Seltenere Anwendung finden die Klappenverschlüsse (z.B. läßt man hinter dem Objektiv zwei Klappen mit parallelen Drehungsachsen sich auf- und abwärts oder von rechts nach links bewegen, wodurch ein Schlitz vor der empfindlichen Platte gebildet und diese so wie beim Schlitzverschluß belichtet wird; fallen die Klappen von oben nach unten, so findet infolge der später beschleunigten Bewegung im unteren Teile der Platte eine kürzere Belichtung statt, was bei Landschaftsaufnahmen von Vorteil ist, weil dadurch der Vordergrund länger exponiert wird) und die Hahnverschlüsse. Bei diesen findet das Prinzip eines Zweiweghahns Anwendung, indem zwei ineinander geschobene, mit zwei Einfallsöffnungen versehene Metallzylinder die Belichtung herbeiführen, sobald durch Drehung ihre Oeffnungen korrespondieren. – Bei Momentverschlüssen, die sich von der Mitte aus öffnen, ist die Anbringung vor dem Objektiv nicht ratsam, weil dadurch die Plattenränder eine geringere Belichtung erfahren.[480] Die Auslösung der Momentverschlüsse erfolgt zumeist dadurch, daß der Sperrhaken durch Fingerdruck auf einen Knopf oder Hebel oder pneumatisch durch Austreiben eines Gummiballons gehoben wird. Bei den derzeit für die Naturforschung schon große Wichtigkeit besitzenden Aufnahmen von in der Freiheit lebenden Tieren dient häufig eine elektrische Auslösevorrichtung. Zum Beispiel bewirken die Tiere selbst durch Zerreißen eines über ihren Weg gespannten Seidenfadens den elektrischen Kontakt, damit die Schließung eines Stromkreises und die Anregung eines Elektromagneten, welcher wieder den Sperrhaken eines mit Federkraft gespannten Kolbens einer Luftpumpe anzieht. Hierdurch flößt aber der Kolben mit Vehemenz zu; durch die Luftkompression wird ein Gummiballen aufgetrieben, der endlich den Momentverschluß auslöst. Für Nachtaufnahmen kann mit Hilfe solcher elektrischer Vorrichtungen die Auslösung des Momentverschlusses mit der Zündung eines Blitzlichtes (s.d.) verbunden werden. Wenn nur elektromagnetisch, also ohne Zuhilfenahme einer pneumatischen Vorrichtung oder dergl., der Momentverschluß zur Funktion gebracht werden fall, so erfordert dies die Anwendung starker Stromquellen und kräftiger Elektromagneten, weil verhältnismäßig große Widerstände zu überwinden sind. – Die allgemeinen Anforderungen an einen guten Momentverschluß sind: 1. der Verschluß soll verschieden kurze Expositionen gestatten, deren Dauer bekannt ist; 2. das Funktionieren des Verschlusses darf nicht von Erschütterungen der Kamera begleitet sein; 3. der Verschluß muß eine gleichmäßige Erhellung des Bildfeldes ermöglichen; 4. der Verschluß soll, insofern er nicht etwa nur bei Moment- oder Detektivkameras (s. Kamera) verwendet wird, auch Daueraufnahmen gestatten. – Die Prüfung von Momentverschlüssen bezw. die Messung der Funktionsgeschwindigkeit derartiger Apparate erfolgt mittels mehrerer Methoden: 1. durch solche, welche auf dem Photographieren eines mit bekannter Geschwindigkeit sich bewegenden Lichtpunktes beruhen (z.B. man photographiert eine in einem bestimmten Zeitraum einen Kreis beschreibende, stark reflektierende Kugel oder einen Zeiger, etwa vor einem mit Gradeinteilung versehenen schwarzen Brette oder dergl. oder eine vor einem eingeteilten Hintergrunde freifallende Kugel); 2. durch photometrische Verfahren (der erhaltene Schwärzungsgrad ergibt im Vergleichswege die nützliche Belichtungszeit); 3. durch Methoden, bei denen eine z.B. mit einer reflektierenden Kugel versehene, in Schwingung versetzte Stimmgabel mit bekannter Schwingungszahl photographiert wird u.s.w.


Literatur: Eder, J.M., Ausführl. Handbuch der Photographie, 1. Teil, 2. Hälfte, Halle a. S. 1892; Ders., Jahrb. s. Photographie u. Reproduktionstechnik, Halle a. S. 1888 ff.

A.W. Unger.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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