- Munition [2]
Munition. Die Munition der Schiffsgeschütze, bestehend aus der Pulverladung oder dem Treibmittel und dem Geschoß, hat in dem letzten Jahrzehnt keine wesentlichen Aenderungen erfahren.
Trotz der Selbstentzündung des Nitrozellulosepulvers, wodurch in Frankreich der Verlust von zwei Linienschiffen herbeigeführt wurde, halten Frankreich, Rußland und die Vereinigten Staaten an diesem chemischen Pulver fest. Man ist jedoch dazu übergegangen, die Herstellung dieses Pulvers sorgfältiger zu überwachen und besser getrocknet zu verausgaben. Die schädlichen Ausbrennungen der Rohre durch die hohen Verbrennungstemperaturen namentlich des in England, Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Italien und Japan gebräuchlichen Nitroglyzerinpulvers sucht man dadurch einzuschränken, daß man nach jedem Schuß staubförmigen Graphit ist das Rohr einführt, um eine bessere Abdichtung gegen vorbeischlagende Gase, eine Herabsetzung der Verbrennungstemperatur und einen Schutz der Seelenwandung durch einen Hauch von Graphit zu erzielen. Auch ist man bestrebt, die Zündladung von Schwarzpulver durch vollkommen vergasende Stoffe zu ersetzen. Die Pulverladung wird sowohl in einem Kartuschbeutel als auch in einer Metallhülse vereinigt. Die letztere Packung ist für die Einheitsmunition der Geschütze der leichten und mittleren Artillerie allgemein gebräuchlich. Für schwere Geschütze bevorzugt man Beutelkartuschen, und zwar für jede Ladung zwei bis drei getrennte Kartuschen Halb- oder Drittelkartuschen. Nur Deutschland und Oesterreich verwenden auch für diese Geschütze die schwereren Metallhülsenkartuschen und erzielen hierbei die großen Vorteile einer zuverlässigen Ladung, einer absoluten Sicherheit gegen vorzeitige Entzündung der Rückflammer und eine günstigere Stabilität des Pulvers bei der Aufbewahrung desselben.
Die Entwicklung der Geschoßkonstruktion hat fast in allen Marinen gleiche Bahnen eingeschlagen. Die Stahlvollgeschosse sind für die schweren Geschütze aufgegeben, dafür tritt die bekappte Panzergranate mit einer brisanten Sprengladung von 21/25% des Geschoßgewichts und Bodenzünder, welche kaliberstarken Panzer für alle praktisch möglichen Gefechtsentfernungen[559] durchschlägt und die Sprengwirkung in das Ziel trägt. Daneben finden für die schweren Geschütze reine Sprenggranaten mit 8% Sprengladungsgewicht und Augenblickszündung Verwendung. Einen bemerkenswerten Fortschritt in ballistischer Beziehung Verminderung des Luftwiderstandes, größere Rasanz und Schußweite sowie erhöhte Durchschlagskraft bezeichnet die Einführung einer schlanken, zugespitzten Geschoßkappe von 48 statt wie bisher 2 Kaliber-Krümmungsradius (vgl. die Figur S. 558), welche von den Vereinigten Staaten eingeführt und von fast allen Marinen aufgenommen wurde. Die Zuspitzung der Kappe wird meist durch Aufsetzen einer zweiten Kappe erzielt.
Literatur: [1] L. Jacob, Artillerie navale. Paris 1909. [2] Nauticus, Die Steigerung der Wirkung der Schiffsartillerie in den größeren fremden Marinen, Berlin 1910. [3] Ders., Artillerie und Panzer in ihren jüngsten Fortschritten. Berlin 1912. [4] Brassay, Naval Annual, Portsmouth 1912.
T. Schwarz.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.