- Wasser
Wasser, im gewöhnlichen Sinne die flüssige Aggregatform von H2O, bei +100° C. und darüber unter atmosphärischer Pressung dampfförmig (s. Dampf, Bd. 2, S. 537 ff.), von 0° C. abwärts fett (s. Eis, Bd. 3, S. 260). Bei ca. 4° C. tritt unter atmosphärischer Pressung das Maximum der Dichtigkeit (s.d. Bd. 2, S. 740) des flüssigen Wassers ein; die Dichtigkeit desselben für verschiedene Temperaturen zwischen 0° und 100° und bei verschiedenen Pressungen s. Bd. 1, S. 396 ff. Ueber Entstehung, Menge und Verlauf des sich aus der Dampfform bildenden flüssigen Wassers s. Hydrologie, Hydrometeore, Meteorologie, Niederschläge, Regenmesser.
Nach der Herkunft unterscheidet man Regenwasser, Schneewasser, Grundwasser, Quellwasser, Flußwasser, Seewasser, Meerwasser u.s.w. Der Kreislauf des Wassers beginnt vom Meere aus in Form von Wasserdampf; letzteren führen die Windströmungen über das Festland. Ein Teil desselben wird dabei sowohl in der oberirdischen als auch in der unterirdischen Atmosphäre kondensiert und kehrt schließlich als flüssiges Wasser oder Eis in das Meer zurück; ein andrer, stets veränderlicher Teil bleibt in Form von Grundwasser (s.d.), Flußwasser, Seewasser über und unter dem Festlande erhalten oder geht als Konstitutionswasser Verbindungen mit andern Körpern ein bezw. nimmt seinen Lauf durch Pflanzen und Tierkörper. Schon die Hydrometeore nehmen aus der Luft Staub und Gase auf (Bd. 1, S. 33); treffen sie die Bodenoberfläche, so werden die Bedeckungen der letzteren abgespült bezw. das Wasser mit diesbezüglichen Lösungen und Suspensionen beladen. Der in Bodenarten mit kapillaren Zwischenräumen versickernde Teil des meteorischen Wassers entledigt sich der Suspensionen und auch eines Teils der chemischen Lösungen beim Versickern; in diesem Falle ist das sich bildende Grundwasser (s.d.) klar und bei unverdorbenem Boden auch rein. Bei nichtkapillaren Zwischenräumen des Bodens kann getrübtes unreines Wasser in große Tiefen gelangen. Die mehr oder weniger große Tiefe einer Wasserentnahmestelle unter Terrain bietet deshalb keine absolute Garantie für die Reinheit des Wassers; letztere hängt vielmehr von der Beschaffenheit des Grundwasserträgers ab. Ausführliches über das Verhalten des Bodens zum Wasser s. Bd. 2, S. 115. Das über die Bodenoberfläche wegfließende Wasser gelangten die offenen Wasserläufe (Bäche, Flüsse, Seen u.s.w.); durch Aufnahme fremder, ihm übergebener Stoffe, durch Uferabbruch[840] und chemische Angriffe auf sein Bett verändert dasselbe fortwährend seine Beschaffenheit. Näheres hierüber in [1], S. 141 ff.
Trinkwasser soll klar, wohlschmeckend und gesund sein. Die erstgenannte Eigenschaft kann den meisten Wassern durch Filtration verstehen werden. Der Wohlgeschmack wird in erster Linie durch Kohlensäuregehalt und Temperatur, dann aber auch durch chemische Beimengungen beeinflußt. Letztere sind erforderlichenfalls zu beseitigen (Fällung von Salzen, Enteisenung u.s.w.); die Temperatur soll zwischen 813° C. liegen. Wässer von mehr als 13° C. schmecken in unserm Klima auch im Sommer nicht mehr erfrischend. Gesundes Wasser erfordert die Abwesenheit von Ammoniak, salpetriger Säure, Schwefelwasserstoff und besonders von pathogenen Bakterien. In der Natur kommen letztere (sowie Bakterien überhaupt) bei Grundwasser mit kapillaren Trägern und einer Spiegellage von 23 m unter Bodenoberfläche nicht mehr vor. Man hat deshalb in solchen Trägern die gesundesten Wasser zu erwarten, besonders wenn mächtige Grundwasserströmungen in denselben bestehen, die sich dann auch durch nahezu konstante, erfrischende Temperatur auszeichnen. Trinkwasseruntersuchungen (s.d. u. [2]) sind deshalb in allen Fällen angezeigt; sie bestehen im wesentlichen aus chemischen und bakteriologischen Analysen, Temperaturmessungen sowie genauen Orientierungen über die Herkunft des Wassers. Selbstverständlich ist es nicht überall möglich, gesundes Quellwasser oder Grundwasser zu beschaffen, und es wird deshalb auch vielfach Flußwasser, Seewasser, destilliertes Wasser u.s.w., nach entsprechender Vorbereitung ([1], § 38) zu Trinkzwecken verwendet. Bakterienhaltiges Wasser kann im Notfalle durch Abkochen sterilisiert werden.
Wasser für den Gewerbebetrieb (Brauchwasser, s.d.) muß hinsichtlich seiner chemischen Beschaffenheit besonderen Ansprüchen genügen [3]; von der größten Bedeutung ist die Härte des Wassers (s. unten). Verschiedene Gewerbe (z.B. Bierbrauereien, Seidenhaspeleien, Türkischrotfärbereien u.s.w.) können hartes Wasser verwenden; in den meisten andern Gewerben (z.B. beim Dampfkesselbetrieb, bei Bade- und Waschanstalten, textilchemischen Betrieben, Papierfabrikation u.s.w.) sind weiche Wasser erwünscht bezw. geboten. Von besonderer Wichtigkeit ist weiches Wasser in der Färberei [4], Ist natürlich weiches Wasser nicht zu beschaffen, so können harte Wasser durch chemische Zusätze und Prozesse weich gemacht werden (vgl. Wasserreinigung und Kesselsteinmittel).
Literatur: [1] Lueger, Wasserversorgung, Darmstadt 1895. [2] Handbuch der Hygiene, Bd. 1, Abt. 2, Jena 1896; Tiemann u. Gärtner, Handbuch der Untersuchung des Wassers, 4. Aufl., Braunschweig 1895; Grundsätze bei der Beurteilung von Trink- und Nutzwasser, Gesundheitsingenieur, 1898, S. 404 ff. [3] Guichard, L'eau dans l'industrie, Paris 1894. [4] Lauber, Das Wasser in der Färberei, Leipzig 1898.
Lueger.
Wasserhärte. Den Gehalt des Wassers an Erdalkalienverbindungen, vornehmlich an den Bikarbonaten und Sulfaten von Kalk und Magnesia, nennt man die Härte (gesamte Härte) des Wassers. Es entspricht: 1 deutscher Härtegrad 10 mg CaO (Calciumoxyd) in 11 Wasser, 1 französischer Härtegrad 10 mg CaCO3 (Calciumkarbonat) in 1 l Wasser, 1 englischer Härtegrad 10 mg CaCO3 in 0,7 l Wasser; 1 französischer Härtegrad entspricht 0,56 deutschen Graden; 5 englische Grade sind 4 deutsche Grade. Der Magnesiagehalt ist in obigen Werten inbegriffen, d.h. auf den Kalkwerk umgerechnet: 1 Teil Magnesia entspricht 1,4 Teilen CaO. Der äquivalente. Kalkgehalt des Wassers wird deshalb durch Multiplikation des Magnesiagehaltes mit 1,4 gefunden. Man unterscheidet in der Technik weiterhin noch zwischen vorübergehender, temporärer, schwindender (transitorischer) und bleibender (permanenter) Härte. In wissenschaftlicher Hinsicht sind die Bezeichnungen nicht ganz zutreffend. Wird das Wasser gekocht, so fällt ein erheblicher Teil von Kalk und ein geringerer von Magnesia als unlösliches Karbonat aus. Die diesem ausfallenden Teil entsprechende Härte des Wassers ist die temporäre (schwindende) Härte, während die von Sulfaten, Nitraten und Chloriden herrührende Härte durch das Kochen nicht verschwindet und deshalb permanente oder bleibende Härte oder auch Sulfathärte genannt wird. Einen Anhaltspunkt für die Bezeichnung der Härtestufen gibt folgende Aufstellung: Wasser von 04 deutschen Härtegraden nennt man sehr weich, ein solches von 48 weich, von 812 mittelhart, von 1218 ziemlich hart, von 1830 hart, über 30 sehr hart. Gesundheitliche Bedeutung harten und weichen Wassers s. [1]; technische s. Wasser, Wasserreinigung. Wasser mit mehr als 20 deutschen Graden ist als Kesselspeisewasser nicht ohne weiteres brauchbar. Es muß weich gemacht werden; s. Wasserreinigung. Eine rasche Orientierung, ob ein Wasser hart ist, gibt bei einiger Erfahrung schon die Reaktion mit Neßlers Reagens gelegentlich der Prüfung auf Ammoniak. Tritt sofort oder innerhalb 12 Minuten eine weißliche Trübung oder Flockenbildung ein, so ist auf das Vorhandensein von mehr als 18 Härtegraden zu schließen. Genauer und auch rasch ausführbar ist das Clarksche, von Faißt und Knauß modifizierte Verfahren mit titrierter Seifelösung. Bei einiger Uebung liefert es ganz gute Resultate, Nichtgeübten laufen aber, besonders bei magnesiareichen Wassern, grobe Fehler unter. Wenn auch die bleibende Härte bestimmt werden soll und die Probe auch am gekochten Wasser vorgenommen werden muß, bietet sie gegenüber den genaueren Methoden keine Vorteile mehr. Die genaue Härtebestimmung geschieht einmal durch die Ermittlung von Kalk und Magnesia nach den Regeln der quantitativen chemischen Analyse, dann aber auch durch Titrieren. Titriermethoden zu Härtebestimmungen in Wasser haben Lunge, Pfeifer, Wartha, Vignon und Meunier, Wehrenpfennig, Grittner und Procter u.a. angegeben [2]. Vgl. a. [3].
Literatur: [1] Pfeiffer, R., u. Proskauer, B., Encyklopädie für Hygiene 1905, Bd. 2, S. 110. [2] Lunge, Chemisch-technische Untersuchungsmethoden 1904. [3] Klut, Untersuchung des Wassers an Ort und Stelle 1908.
Bujard.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.