- Chloren
Chloren der Wolle. Behandelt man die Wollfaser nach dem Entfetten und Bleichen mit verdünnten Chlorkalklösungen, so wird diese aufnahmefähiger für Farbstoffe. Von dieser Tatsache macht man in der Färberei weniger Gebrauch als im Wollmusselindruck. Die meiden Anilinfarbstoffe, auf unchlorierte Wolle gedruckt, sehen unegal aus und werden durch das Dämpfen teilweise reduziert, was besonders beim Fonddruck stark zum Ausdruck kommt. Auf gechlorter Wolle hingegen erhält man brillante und egale Drucke.
Die chemische Wirkung des Chlorkalkes auf die Wollfaser ist noch nicht genau bekannt, sie ist jedoch ganz verschieden von der Wirkung des Chlorkalkes auf die vegetabilische Faser. Während die Wirkung bei der Baumwolle eine langsame ist, ist sie bei der Wolle eine sehr rasche. In einer, höchstens zwei Minuten ist das ganze im Bade befindliche Chlor von der Wollfaser absorbiert und kann man sogar mit Indigokarminlösung kein Chlor mehr nachweisen. Hieraus folgt, daß man, um eine rationelle Chlorierung der zum Druck bestimmten Wollstücke herbeizuführen, die gut angenetzten Stücke auf einmal in die Chlorkalkflotte geben muß, die von vornherein die für die Stückwaren berechnete Chlorkalkmenge enthält (für helle und mittlere Nuancen 3% Chlorkalk vom Gewicht der Wolle, für dunkle Töne und Schwarz 5%). Diese Operation wird nun entweder so ausgeführt, daß man den Chlorkalk mit der entsprechenden Menge Salzsäure versetzt oder nach dem Chloren die Stücke durch Salzsäure nimmt; die erstere Methode wird in der Praxis bevorzugt. Es sind auch schon Chlorierungsmaschinen im Gebrauch, bei denen eine fortwährende Speisung der Chlorkalkflotte während des Durchganges der Stücke stattfindet. Behandelt man die Wolle in zu starken Chlorbädern, so erleidet die Textur dieser Faser eine Veränderung; das schuppenartige Aussehen (unterm Mikroskop) verschwindet und die Wolle wird hart und brüchig.
Vor einiger Zeit brachte man auch sogenannte Seidenwolle in den Handel, die den Griff und Glanz der Kokonseide zeigte. Das Verfahren blieb nicht lange Geheimnis, und heute dürfte wohl die Herstellung der Seidenwolle jedem Färber bekannt sein. Harte Wollgarne werden nach gründlichem Entfetten in einer dünnen Chlorkalklösung kalt behandelt, abgesäuert, hierauf bei 70° C. geseift und dann nochmals abgesäuert. Das Chloren ruft den Glanz hervor (dasselbe kann übrigens auch durch eine Behandlung mit Salpetersäure erreicht werden), die[444] auf der Faser ausgeschiedene Fettsäure verursacht das »Krachen«. Der Artikel hat die anfängliche Beachtung verloren, jedenfalls auch aus dem Grunde, weil sich, der Griff mit der Zeit verliert und die Garne einen fettigen Geruch annehmen.
Verwebt man chlorierte mit gewöhnlicher Wolle zu Stücken und färbt letztere mit geeigneten Farbstoffen, so erhält man leicht zweifarbige Effekte, indem die chlorierte Wolle sich wesentlich dunkler anfärbt als die gewöhnliche. Bei Einhaltung gewisser Vorschriften gelingt es sogar, die nichtchlorierte Wolle in solchen Stücken nahezu weiß zu erhalten.
Eine andre Verwendung findet das Chloren der Wolle bei der Herstellung von wollenen Wirkwaren, die durch Wäsche nicht einschrumpfen sollen. Man behandelt zu diesem Zwecke die entfettete Wolle zuerst mit verdünnter Salzsäure, hierauf in einem Bade, das 1015% Chlorkalk vom Gewichte der Ware enthält, säuert dann wieder ab und spült zum Schlusse sorgfältig in reinem Wasser. Allerdings haben so behandelte Waren eine schwach gelbliche Färbung angenommen und etwas von ihrem weichen Griff und ihrer Elastizität verloren.
A. Singer.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.