Fetthärtung

Fetthärtung

Fetthärtung, die Ueberführung von flüssigen Fetten bezw. Oelen durch chemische Anlagerung von Wasserstoff in feste Fette bei gewöhnlicher Temperatur.

Die Nachfrage nach letzteren stieg seit langer Zeit fortgesetzt durch den großen Aufschwung den die Kunstspeisefettindustrie, die Stearinkerzenindustrie und die Seifenfabrikation genommen hatten. Die flüssigen Oele sind von Natur aus im Ueberschuß vorhanden und vom chemischen Standpunkt aus bot das zu lösende Problem großen Anreiz. Bei demselben handelt es sich darum, die ungesättigten Fettsäuren in den Glyzerinstern der flüssigen Fettsäuren (Oel-, Linol-, Linolen- u.s.w. Säuren) durch Anlagerung von Wasserstoffatomen in die feste Stearinsäure überzuführen. Sabatier und Senderens waren die ersten, die (1897) die Hydrierung (Wasserstoffanlagerung) bei flüchtigen organischen Verbindungen in Gegenwart von Kontaktsubstanzen (Katalysatoren) durchführen konnten. Als Katalysatoren benutzten sie auf Bimssteinstückchen aufgetragenes, zu Oxyd geglühtes Nickelnitrat, das sie bei 250° zu Nickel reduzierten. Ueber diese Bimssteinstückchen leiteten sie dann, mit Wasserstoff innig vermischt, die Dämpfe des zu reduzierenden Körpers. Sie wendeten jedoch ihr Verfahren nicht auf Fettsäuren an, erst Normann tat dies (D.R.P. Nr. 141029). Der wesentliche Wortlaut des betreffenden Patentes lautet »Gibt man z.B. seines Nickelpulver, durch Reduktion im Wasserstoffstrom erhalten, zu chemischreiner Oelsäure, erwärmt im Oelbad und leitet einen kräftigen Strom von Wasserstoffgas längere Zeit hindurch, so wird die Oelsäure bei genügend langer Einwirkung vollständig in Stearinsäure übergeführt. Die Menge des zugesetzten Nickels und die Höhe der Temperatur sind unwesentlich und beeinflussen höchstens die Dauer des Prozesses. Die Reaktion verläuft, abgesehen von der Bildung geringer Menge Nickelseife, die sich mit verdünnten Mineralsäuren leicht zerlegen läßt, ohne Nebenreaktion. Dasselbe Nickel kann wiederholt gebraucht werden. Ebenso wie die freien Fettsäuren verhalten sich auch deren in der Natur vorkommende Glyzeride, die Fette und Oele ...«

Das Charakteristische des heute in großem Maßstabe angewandten Verfahrens liegt also darin, daß der Katalysator im Oel suspendiert wird und durch diese Suspension Wasserstoffblasen hindurchgeleitet werden. Die Berührung zwischen dem mit Katalysator vermischten Oel und dem Wasserstoff findet also an der Oberfläche der Gasblasen statt. Das Patent wurde 1902 genommen, kam aber erst auf Umwegen über England wieder nach Deutschland zurück. Bei einem weiteren Verfahren von Erdmann (D.R.P. Nr. 211669) werden die flüssigen Fettsäuren oder die Fette selbst in seinen Tropfen zusammen mit überschüssigem Wasserstoff dem auf große Oberfläche verteilten und erhitzten Nickel zugeführt. Eine Ausführungsform des Verfahrens besteht darin, daß ein heizbares, zylindrisches Gefäß mit Nickelbimsstein gefüllt wird oder mit nickelhaltigen, porösen Tonkugeln u.s.w., auf deren Oberfläche sich frisch reduziertes Nickel in seiner Verteilung befindet. Von unten her läßt man Wasserstoff in den heißen Zylinder eintreten, während von oben die zu reduzierende Flüssigkeit in seinen Tropfen, am besten durch eine Düse mittels Wasserstoff zerstäubt, eingeführt wird. Die Flüssigkeit nimmt hierbei Wasserstoff auf und sammelt sich schließlich in geschmolzenem, mehr oder weniger hydriertem Zustande im unteren Teil des Zylinders, wo sie kontinuierlich abgezogen wird, so daß der Prozeß ohne Unterbrechung fortgehen kann, solange das Nickel seine Wirksamkeit behält. Die Reaktionstemperatur kann nach dem Erfinder innerhalb weiter Grenzen schwanken. Am günstigsten sollen sich Temperaturen bis 200° erwiesen haben. Die Berührung des Wasserstoffs mit dem Oel geht an der Oberfläche des auf dem Nickelbimsstein langsam in dünner Haut herabfließenden Oels vor sich. Darin liegt das Charakteristische dieses Verfahrens.

Ein drittes Verfahren von Wilbuschewitzsch (Patentanmeldung W 36 294/IV d. B.) besteht darin, daß der zu behandelnde Stoff mit dem Katalysator aufs innigste gemischt und in dieser Mischung in sein zerstäubtem Zustande in Autoklaven unter Druck Wasserstoff oder einem Wasserstoff enthaltenden Gase entgegengeführt wird, wobei gleichzeitig eine stetige Durchwirbelung der Massen eintritt. Da hierdurch eine außerordentlich innige Berührung des Wasserstoffs mit der feinverteilten Mischung aus Fett und Katalysator erreicht wird, ist zur Umwandlung der Fette nur eine verhältnismäßig niedrige Temperatur erforderlich. Das Verfahren geht im Kreislaufbetrieb vor sich, indem der Katalysator und der nicht aufgenommene Wasserstoff immer wieder von neuem verwendet werden. Das Charakteristische dieses technisch ebenfalls in großem Maßstabe durchgeführten Verfahrens liegt darin, daß die Berührung zwischen dem mit Katalysator vermischten Oel und dem Wasserstoff an der Oberfläche der Oeltropfen stattfindet, im Gegensatz zu dem Normannschen Verfahren, bei dem die Oberfläche der Gasblasen die Berührung vermittelt. Ubbelohde und Svanoe stellten vergleichende Untersuchungen über diese drei genannten Verfahren an bei verschiedener Temperatur, Katalysatormenge, Tourenzahl, Druck u.s.w. Sie wählten zu ihren Versuchen ein pflanzliches und ein tierisches Oel (Cottonöl und Tran) und wandten Temperaturen von 120 bis 200° an. Gesunden wurde, daß die Hydrierungsgeschwindigkeit mit steigender Temperatur wächst, bis etwa 200°; oberhalb 200° hört die Steigerung auf. Die Hydrierungsgeschwindigkeit ist ferner abhängig von der Menge des Katalysators und wächst annähernd proportional mit seiner Menge. Sie ist ferner abhängig von der Wasserstoffkonzentration und wächst mit steigender Konzentration, jedoch nicht proprotional mit ihr. Sie ist weiter abhängig von dem Grade der Durchmischung zwischen Oel, Katalysator und Wasserstoff und wächst mit steigendem Grade der mechanischen Mischung von Wasserstoff und Oelkatalysator. Sie ist abhängig von der Art des Katalysators, namentlich von seiner Oberflächenentwicklung. In kleinen, für Laboratoriumsversuche entsprechend den großen[194] Apparaten gebaute Modellen, nahmen sie ihre Versuche vor. Diese ergaben, daß die Hydrierungsgeschwindigkeit auf dem Wilbuschewitzschschen Apparat am größten, auf dem Normannschen Apparat kleiner und auf dem Erdmannschen Apparat am kleinsten ist.

Ueber die Löslichkeit des Wasserstoffs in Oel wurden Versuche angestellt, welche ergaben, daß dieselbe bei Cottonöl sowie beim Tran klein ist. Sie wächst etwas mit steigender Temperatur und beträgt bei 150° etwa 5 Volumenprozent (Gas berechnet auf Normalzustand). Der Wirkungsgrad verschiedener Katalysatoren (Reinnickel und verschiedene Gemische mit Kieselgur und Bimsstein) wurde miteinander verglichen. Ueber die Abnahme der Wirkung der Katalysatoren wurden Versuche angestellt und gefunden, daß diese von einem »Tätigkeitsfaktor« und einem »Zeitfaktor« abhängig ist. Zu hohe Temperatur ist von schädlichem Einfluß. Bei Untersuchungen der Hydrierungsprodukte wurde gefunden, daß alle Oele bei den verschiedenen Hydrierungsstufen feststehende Beziehungen zwischen den Größen: Jodzahl, Schmelzpunkt, Tropfpunkt und Refraktometerzahl aufweisen. Bei Cottonöl und Tran wurde untersucht, mit welcher Geschwindigkeit die einzelnen ungesättigten Fettsäuren sich in gesättigte verwandeln. Es wurde gefunden, daß die höher ungesättigten Säuren schneller hydriert werden als die Oelsäure. Die gehärteten Fette werden nach Jodzahl und Schmelzpunkt gehandelt. Früher waren nachfolgende Produkte im Handel: Talgol, Talgol extra, Candelite, Candelite extra und Koryptol aus Rizinusöl, ferner Linolith und Linolith extra aus Leinöl, Durutol, vermutlich aus Kokosfett, Talgit, Olinit, Linn und Castorit. Während die ungesättigten Oele früher außerordentlich billig waren, verursachte die bei Bekanntwerden der Fetthärtung einsetzende Spekulation bald ein Anziehen der Preise, dadurch näherten sich die Preise der ungesättigten flüssigen Oele bald den Preisen der festen Fette (Talg, Kokosfett, Palmkernöl) so sehr, daß nur noch eine Verarbeitung in großen Hydrierungsanlagen Aussicht auf Gewinn versprach. Die Stearinkerzenindustrie nahm jedoch durch die Einführung der Hydrierung der flüssigen Fette zu festen Fetten nicht den Aufschwung, den man erwartet hatte. Die Ausnutzungsversuche von Lehmann, Müller und Thoms sowie von Peckelharing ergaben, daß weder in hygienischer noch in physiologischer Hinsicht Bedenken gegen die Verwendung der gehärteten Oele zu Speisefetten bestehen; damit ist ihrer Einführung in die Margarineindustrie jedenfalls bis auf weiteres der Weg geebnet.


Literatur: W. Fahrion, Die Härtung der Fette, Braunschweig 1915. – J. Klimot, Die neueren synthetischen Verfahren der Fettindustrie, Leipzig 1916. – H.H. Franck, Reduktions- und Oxydationskatalysen, Zeitschr. f. angew. Chemie, 26, 313 (1913). – G. Meyerheim, Die gehärteten Oele, Fortschritte d. Chem. Phys. 1914, 293. – Ullmann, Enzyklop. d. techn. Chemie, Bd. 5, S. 341; Zeitschr. f. angew. Chemie, Ubbelohde und Svanoe, Heft 66, 68, 70.

Mezger.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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