Himmel [1]

Himmel [1]

Himmel, auch Himmelsgewölbe und Firmament genannt, bildet die scheinbare Begrenzung des Weltenraumes und stellt sich dem unbefangenen Beobachter als eine Kugelkalotte dar, die auf dem frei zu überblickenden Teil der Erde mit kreisförmiger Begrenzungslinie (Horizont, s.d., oder nautisch Kimm) aufzuruhen scheint.

Das sogenannte Himmelsgewölbe erscheint nicht als Halbkugel, sondern man hat den Eindruck, als ob die einzelnen Zonen desselben, je weiter sie vom Horizont nach dem höchsten Punkt (dem Zenit, s. Koordinaten am Himmel) zu abstehen, dem Beobachter immer näher rücken. Eine Folge davon ist die Tatsache, daß man einen Punkt in der Mitte zwischen Horizont und Zenit nur mit etwa 25–30° Höhe einschätzt, obgleich doch die wirkliche Richtung dahin 45° gegen den Horizont geneigt ist. Aehnlich ist dieses Verhältnis für andre Höhen. Uebrigens hängt diese Schätzung etwas von den Beleuchtungsverhältnissen und von der Bewölkung ab. Es ist bisher noch nicht gelungen, eine ganz befriedigende Erklärung für diese Erscheinung zu geben. Mit ihr in innigem Zusammenhang steht auch die bekannte falsche Auffassung von der Größe der Sonne und des Mondes in der Nähe des Horizontes; obgleich der Durchmesser dieser Gestirne wegen der Einwirkung der Refraktion bei tiefem Stande kleiner ist als bei hohem, glaubt man dieselbe am Horizonte doch viel größer zu sehen.

Es ist wahrscheinlich, daß bei der unrichtigen Schätzung der Himmelsgestalt physiologische Ursachen mitwirken; aber die Erklärung, die nach eingehenden historischen Studien und vielfachen eignen Beobachtungen E. Reimann in Hirschberg gibt, hat doch auch sehr viel für sich, und er ist wenigstens der erste, der versucht, die Erscheinung mit exakten Messungen klarzustellen. Die Entfernung, bis zu der man sehen kann, ist abhängig von dem diffusen Licht, das von den der Luft beigemengten Staubpartikelchen reflektiert wird, und dieses bedingt, daß in der Nähe des Horizontes ein Gegenstand erst in größerer Entfernung auf dem dunkeln Hintergrund unsichtbar wird, also bei nach oben gehender Sehrichtung. Reimann hat auch durch sinnreiche Versuche das Verhältnis der Entfernungen zu 31/3 bestimmt. Das widerspricht der Erklärung, nach der uns die Entfernung des Zenits des Himmels deshalb kürzer erscheinen soll als die der Gegend des Horizontes, weil wir uns der Grenze der sichtbaren Atmosphäre (etwa 10 Meilen) etwa um den Unterschied zwischen dem Radius des Gesichtskreises und der Höhe der Atmosphäre näher befinden füllten. (Erklärung von Hobbes, Treiber und später von Smith.)

An dem Firmament erscheinen uns auch die Sterne als leuchtende Punkte, und zur Orientierung dieser und der damit verknüpften scheinbaren Bewegung des Himmelsgewölbes pflegt man sich dort gewisse Liniensysteme (größte Kreise) gezogen zu denken, die sich auf dem Horizonte als Grundebene aufbauen. Diese Linien stehen wieder in gewissen Beziehungen zu andern solchen Systemen, die ihrerseits auf die Ebene des Aequators oder der Ekliptik gegründet sind; solche Systeme nennt man Koordinatensysteme (s. Koordinaten am Himmel). Die scheinbare Bewegung des Himmelsgewölbes, die das Abbild der völlig gleichmäßig vor sich gehenden Rotation der Erde um ihre Achse ist, dient als Mittel zur Zeitmessung; und weiterhin gewinnt man durch diese scheinbare Bewegung des Himmelsgewölbes gewisse Beziehungen zwischen den einzelnen Koordinatensystemen. Die Färbung des Himmelsraumes rührt nur von dem oben schon erwähnten diffusen Lichte her; sie ist in der Nähe des Horizontes bei klarem Himmel weit weniger intensiv blau als im Zenit. Je höher man in der Atmosphäre emporsteigt (auf hohe Berggipfel, bei Ballonfahrten), desto dunkler wird der Himmelsgrund, bis sich diese Färbung einem tiefen Dunkelblau nähert. Würde die Atmosphäre nicht vorhanden sein, so würde uns der Himmel völlig schwarz erscheinen, und die Sterne würden auch noch bei Sonnenschein sichtbar bleiben.


Literatur: Ueber den jetzigen Stand der Frage nach der scheinbaren Gestalt des Himmelsgewölbes vgl. Reimann, Beiträge zur Bestimmung der Gestalt des scheinbaren Himmelsgewölbes (Progr.), Hirschberg 1890 und 1894, und »Ueber die scheinbare Vergrößerung der Sonne und des Mondes am Horizont« (Progr.), Hirschberg 1901 und 1903; dort finden sich weitere sehr eingehende Literaturangaben. Weitere Beiträge zu dieser Materie finden sich in Pflügers Archiv, Bd. 59, 1894 (Art. von Filehne) und in einer Abhandlung von W. v. Zehender: »Die Form des Himmelsgewölbes und des Größererscheinens der Gestirne am Horizont«, Zeitschr. für Physiologie der Sinnesorgane, Bd. XX, S. 353, 1899. Auch ist dazu zu vergleichen: Kosmische Physik von S. Arrhenius, Bd. 1, 1903.

Abegg.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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