Karbonisieren [1]

Karbonisieren [1]

Karbonisieren, Trennung animalischer und vegetabilischer Stoffe unter Zerstörung der letzteren, beruht auf dem Vorgang, daß alle Pflanzenstoffe durch eine Mineralsäure (Schwefel-, Salzsäure) bei einer gewissen Temperatur chemisch und physikalisch durch Verwandlung ihres Hauptbestandteils, der Cellulose, in Hydrocellulose derart verändert werden, daß sie nun leicht zerreiblich sind und bei der mechanischen Einwirkung des Reibens, Klopfens, Bürstens in Staub zerfallen, während die animalischen Faserstoffe weniger angegriffen werden, falls die Konzentration der Säure passend gewählt und letztere nach einer gewissen Dauer der Einwirkung gründlich entfernt wird. Auf Grund dieses Umstandes wird insbesondere die Schafwolle von den anhaftenden Klettenteilen befreit. Ist die Wolle damit nicht zu stark verunreinigt, so erfolgt ihre Entfernung in der fertigen Ware (Karbonisation im Stück); andernfalls karbonisiert man das lose Fasernmaterial. S.a. Tuchfabrikation.

Die Karbonisation der losen Wolle geschieht entweder im Schweiß oder nach gründlichem Waschen derselben. Im ersteren Falle wird die Wolle in nicht vollständig gereinigtem Zustande karbonisiert, indem man sie im Leviathan ohne Zuhilfenahme von Waschmitteln vorwäscht. Dabei wird der größte Teil der verseifbaren Fette von den alkalischen Salzen des Wollschweißes ausgewaschen, und es bleiben meist nur verseifbare Fette auf der Faser zurück,[383] die beim Karbonisieren nicht verändert und später durch eine ausgedehnte Seifenwäsche entfernt werden. Damit ist eine Vereinfachung in der Bearbeitung gegeben, da das Spülen der Wolle zwischen dem Waschen und Karbonisieren sowie das Entsäuern nach letzterem sich erübrigt. Bei der gewöhnlichen Karbonisation loser Wolle wird diese gründlich gewaschen und rein gespült, darauf mehrere Stunden in ein Schwefelsäurebad von 3–4° Bé eingelegt. Die Wolle wird dann herausgehoben, von der überschüssigen Säure mechanisch befreit und gelangt nun in den Trocken- und Karbonisierraum, wo sie bei 30–50° vorgetrocknet und bei 70–90° karbonisiert wird. Würde man die Wolle gleich dem hohen Hitzegrad aussetzen, so würde sie gleichfalls angegriffen werden. Empfehlenswerte Karbonisiermaschinen für lose Wolle bauen Rudolf & Kühne in Berlin und Demeuse & Cie. in Aachen. Bei letzterer Maschine (D.R.P. Nr. 46018) wird das Material während des Karbonisierens bewegt und öfters gewendet, wodurch dasselbe in allen seinen Teilen gleichmäßig karbonisiert und die Spinnfähigkeit der Faser geschont wird. Die folgenden Operationen bezwecken die Entfernung der mürben Pflanzenteile und die Entsäuerung der Wolle. Erstere geschieht unmittelbar nach dem Erhitzen durch eine Behandlung im Klopfwolf, der die Pflanzenteile zu Staub zerschlägt und diesen herausbläst. Letztere wird durch ein gründliches Waschen in Wasser, Einlegen in Sodalösung von 5° Bé und nochmaliges intensives Waschen erreicht.

Die Karbonisation von Wollgeweben zieht man derjenigen von Rohwolle vor, wenn sie nur in geringem Maße mit Klettenteilen verunreinigt ist. Zur Imprägnation mit Säure weicht man das Gewebe, meist wie es vom Webstuhl kommt, im Loden, aber sorgfältig gewaschen, in Schwefelsäure von 4° Bé unter zeitweisem Umziehen ein bis zwei Stunden ein. Nachdem die Ware gut getränkt ist, wird sie scharf geschleudert und in der Karbonisiermaschine getrocknet. Vielfach wendet man die Maschinen von Rudolf & Kühne in Berlin und von Haubold in Chemnitz an. Sie bestehen aus zwei neben- bezw. übereinander liegenden heizbaren Räumen, durch die das Gewebe über Leitwalzen geführt wird. Der eine Raum dient als Vortrockenkammer, der andre als Karbonisierraum. Das folgende Entsäuern und Waschen erfolgt auf der Waschmaschine erst mit Wasser, dann mit Sodalösung von 5° Bé, schließlich wieder mit Wasser.


Literatur: [1] Grothe, Technologie der Gespinstfasern, Berlin 1876, I, S. 186, 203; II, S. 70. – [2] Ders., Appretur der Gewebe, Berlin 1882, S. 60 ff. – [3] Knecht, Rawson und Löwenthal, Handbuch der Färberei, Berlin 1900/01. – [4] Herzfeld, Bleicherei, Wascherei und Karbonisation, Berlin 1890, S. 203. – [5] Scheuerle, Die Fabrikation der Kunstwolle und der Karbonisationsprozeß, in »Deutsch. Wollengewerbe« 1885, S. 157 ff. (Preisarbeit). – [6] Löbner, Die Karbonisation der Wolle, Gewebe, Lumpen etc. und die Kunstwollfabrikation, Grünberg 1890. – [7] Müller, E., Handbuch der Spinnerei, Leipzig 1882, S. 388.

R. Möhlau.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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