Clausiusscher Grundsatz

Clausiusscher Grundsatz

Clausiusscher Grundsatz. Von Clausius neben der Aequivalenz von Wärme und Arbeit (s. Energie und Wärmeäquivalent, mechanisches) als Grundlage der mechanischen Wärmetheorie (s.d.) angenommen [2], [3], [5], und wie folgt ausgesprochen: »Die Wärme kann nicht von selbst aus einem kälteren in einen wärmeren Körper übergehen«, oder auch: »Ein Wärmeübergang aus einem kälteren in einen wärmeren Körper kann nicht ohne Kompensation stattfinden.« Die Worte »von selbst« oder »ohne Kompensation« sind der Kürze halber gewählt und deuten an, daß ein Wärmeübergang vom kälteren zum wärmeren Körper nicht allein, sondern nur in Verbindung mit gewissen andern Vorgängen, z.B. unter Verwandlung von Arbeit in Wärme, möglich ist. Näheres s. insbesondere [5]. Eine wichtige technische Konsequenz des Satzes besteht in der von Carnot ([1], S. 9, 12, 16) schon zuvor erlangten Erkenntnis, daß Nutzarbeit von Wärmemotoren nur beim Uebergange der Wärme von wärmeren zu kälteren Körpern (z.B. vom Heizraum zum Kondensator einer Dampfmaschine) geleistet werden kann.

Aus dem Clausiusschen Grundsatze läßt sich zur Entwicklung der wärmetheoretischen Beziehungen zunächst das folgende Carnot-Clausiussche Theorem ableiten: Machen irgendwelche [472] Körper Carnotsche Kreisprozesse beliebiger adiabatischer Uebergänge, aber gleicher isothermischer Uebergänge t1, t2 durch (s. Kreisprozeß), wobei auf letzteren die absoluten Wärmemengen Q1, Q2 zugeführt bezw. abgeführt werden, dann hat das Verhältnis Q1 : Q2 für alle jene Körper den gleichen Wert, es ist unabhängig von der Körperart und den gewählten adiabatischen Uebergängen:


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Damit wird auch das Verhältnis der äußeren Arbeit (die proportional Q1Q2 ist) zu Q1 und zu Q2 nur von den Temperaturen t1, t2 abhängig. – Insoweit dies Theorem die Unabhängigkeit des Verhältnisses der äußeren Arbeit zu Q1, Q2 von der Körperart und seine alleinige Abhängigkeit von den Temperaturen t1, t2 festsetzt, rührt es von Sadi Carnot her [1], S. 28, 38, der sich dabei auf die Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile stützte. Indem sich jedoch Carnot von den Anschauungen seiner Zeit nicht vollständig frei machen konnte, behandelte er die Wärme wie einen von höherer zu niederer Temperatur herabsinkenden (quantitativ unveränderlichen) Stoff und nahm Q1 = Q2 an [1], S. 10, 37, was eine Erzeugung der geleisteten äußeren Arbeit aus nichts bedeuten würde. Clausius hat dem Satze den obigen veränderten Inhalt gegeben und ihn so mit dem Prinzip von der Erhaltung der Energie (s. Energie) in Einklang gebracht. Das Carnot-Clausiussche Theorem führt nun weiter dazu, daß, wenn bei einer Wärmezufuhr d Q der Ausdruck


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ein vollständiges Differential und also 1 : T einen integrierenden Faktor darstellen soll, für die gewöhnlichen umkehrbaren Zustandsänderungen der Wärmetheorie T die absolute Temperatur ist (Voraussetzungen [8], S. 36) und mit dieser Bedeutung von T für jeden umkehrbaren Kreisprozeß:


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d.h. (vgl. [5], S. 93 und [8], S. 40, 69): wenn bei einem umkehrbaren Kreisprozesse jedes von dem veränderlichen Körper aufgenommene (positive oder negative) Wärmeelement durch die absolute Aufnahmetemperatur dividiert und der so entstandene Differentialausdruck für den ganzen Verlauf des Kreisprozesses integriert wird, so hat das Integral den Wert Null. Dieser Satz oder dessen Ausdruck 3. oder auch der Satz, daß die absolute Temperatur den integrierenden Divisor der Gleichung für d Q darstelle, wird gewöhnlich als »zweiter Hauptsatz« der mechanischen Wärmetheorie für die gewöhnlichen Zustandsänderungen bezeichnet. Erweiterungen für andre Zustandsänderungen s. z.B. [5], S. 220, [4], S. 416 und [8], S. 84. Mitunter hat man schon den Clausiusschen Grundsatz oder das Carnot-Clausiussche Theorem den zweiten Hauptsatz genannt (vgl. Wärmetheorie, mechanische). Die Größe S, deren vollständiges Differential 2. ausdrückt, heißt nach Clausius die Entropie (s.d. und Aequivalenz der Verwandlungen).

Gegen den Clausiusschen Grundsatz, der nach vorstehendem eine der wichtigsten Grundlagen der Thermodynamik und damit der neueren Physik bildet, sind von Anfang an mancherlei Einwände erhoben worden (s. z.B. [5], S. 314, 367, 371, 377, 379, 383, und [4], S. 371, 374, 379, 389), die durch seine unbestimmte Fassung erleichtert wurden und sich bis in die neueste Zeit fortgesetzt haben. So hat Eddy, wie früher Rankine, die strahlende Wärme gegen eine ausnahmslose Gültigkeit ins Treffen geführt (Scientific Proceedings of the Ohio Mechanics Institute for July 1882, S. 105), A. Schmidt die den Anschauungen der kinetischen Gastheorie entsprechende Selbstmischung der atmosphärischen Luft (Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg 1894, S. CIV); Th. Groß greift die Clausiussche Erweiterung des zweiten Hauptsatzes für nicht umkehrbare Zustandsänderungen an (Annalen der Physik und Chemie 1892, Bd. 46, S. 339, 517); nach Mewes (Dampfturbinen, Berlin 1904, S. 274) krankt die moderne mathematische Wärmetheorie an einem von Clausius gegen die Grundregeln der Differentialrechnung begangenen Verstoß und an der Unhaltbarkeit des zweiten Hauptsatzes und des Carnotschen Kreisprozesses. Zuzugeben ist, daß die bisherigen Beweisführungen des zweiten Hauptsatzes nicht alle Fälle umfassen. Die Hauptschwierigkeit liegt in unsrer ungenügenden Kenntnis vom Wesen der Wärme. Wenn also die Diskussion über den Clausiusschen Grundsatz und den zweiten Hauptsatz noch keineswegs abgeschlossen ist, so kann doch zweifellos für alle thermodynamischen Probleme der Technik der Clausiussche Grundsatz und für die gewöhnlichen Zustandsänderungen der Wärmetheorie ([8], S. 36) der zweite Hauptsatz ohne weiteres als gültig angenommen werden.


Literatur: [1] Carnot, Réflexions sur la puissance motrice du feu, Paris 1824. – [2] Annalen der Physik und Chemie 1850, Bd. 79, S. 503; 1854, Bd. 93, S. 488; 1863, Bd. 120, S. 426. – [3] Clausius, Abhandlungen über die mechanische Wärmetheorie, Bd. 1, Braunschweig 1864, S. 50, 134, 297 (Ueber einen Grundsatz der mechanischen Wärmetheorie). – [4] Rühlmann, Handbuch der mechanischen Wärmetheorie, Bd. 1, Braunschweig 1876, S. 358 (Der zweite Hauptsatz). – [5] Clausius, Die mechanische Wärmetheorie, Bd. 1, Braunschweig 1887, S. 81 (Ein neuer Grundsatz in bezug auf die Wärme). – [6] Poincaré, Thermodynamik, Berlin 1893, S. 79 (Das Prinzip von Carnot-Clausius). – [7] Helmholtz, Vorlesungen über die Theorie der Wärme, Leipzig 1903, S. 202. – [8] Weyrauch, Grundriß der Wärmetheorie I, Stuttgart 1905, S. 43. – Irgendwelche Darstellung des zweiten Hauptsatzes geben alle Lehrbücher der mechanischen Wärmetheorie oder Thermodynamik.

Weyrauch.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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