Fischbein [1]

Fischbein [1]

Fischbein, schwarzes (Baleine, Whale bone, Whale fins), die am Gaumen des grönländischen Bartenwales (Balaena mysticetus) sitzenden dreieckigen, seltener viereckigen, in Querreihen angeordneten Hornplatten, die sogenannten Barten. Eine geringere Sorte liefert der Finnfisch (Physalus antiquorum, Megaptera boops.).

[42] Jede einzelne der schwarzbraunen bis schwarzen, an den Brettflächen glatten, an der größten Längsseite in Fasern aufgelösten Hornplatten richtet sich quer gegen das Pflugscharbein; ihre Zahl beträgt 300–600 mit einem Gewichte von 750–1600 kg; es soll aber auch eine Gewichtsmenge von 2500 kg von einem Tiere gewonnen worden sein; je nach der Stellung und dem Alter des Tieres ist die Länge verschieden, von 1,5 bis 4 m; die mittleren sind die längsten. Vergleicht man solche Platten mit einem Dreieck, so ist die längste Kathete desselben am Gaumen angeheftet, die Hypotenuse nach unten hin in die besprochenen Fasern aufgelöst und die kürzeste Kathete vom Oberkieferrande aus senkrecht nach unten gerichtet [1]. Der histologische Bau ist der eines Horngebildes. Die Barte besteht aus mit Zellkern und reichlichen Pigmentkörnchen versehenen Plattenzellen, die an den Außenseiten tangential geschichtet (Nebeskis Außenlamellen) [2], im Innern aber in konzentrischen Kreisen angeordnet sind, die zahlreiche sogenannte Mark- oder Hornkanälchen umlagern [4]. (Nebeski nennt diese konzentrischen Kreise Hornröhrchen, die ganze Schicht Mittellamelle.) Zwischen den Kreissystemen liegen sehr zarte, kleinere Plattenzellen. Von der beschriebenen Barte des Grönlandwals läßt sich die Finnwalbarte leicht unterscheiden: diese besitzt in der Mittelschicht eine einzige Reihe schon mit freiem Auge deutlich sichtbarer Markkanäle, die von konzentrisch angeordneten Zellen umlagert sind; es gibt daher nur eine Reihe von Kreissystemen [2], [4].

Die technische Verwendbarkeit des Fischbeins gründet sich auf seine hohe Elastizität, bedeutende Zugs- und Bruchfestigkeit, Härte und seine ausgezeichnete, fast unvergleichliche Teilbarkeit in der Längsrichtung, hinsichtlich welcher es auch das spaltbarste Holz weit übertrifft. Allerdings kann unter Umständen diese Eigenschaft wegen des Zerspleißens beim Gebrauch zum Nachteil gereichen. Die vom Wale ausgeschlagenen und von anhängendem Speck und Hautteilen gereinigten Barten werden in Packe zu 10–12 Stück oder auch schon der Länge nach gespalten versendet. In den Fischbeinreißereien (Hamburg, Bremen, Amsterdam, Kopenhagen, Berlin, Wien) werden sie von den Fasern befreit und in möglichst lange Stücke zersägt. Zur weiteren Verarbeitung wird das Objekt in heißem Wasser erweicht, in den Schraubstock gespannt, mit eignen Messern zu verschiedenen Nutzstücken zersplissen: 1. zu viereckigen Stäben als Schirmfischbein; 2. zu flachen Stücken als Schneiderfischbein zu Miedern, bei 3–4,5 cm Breite zu Blankscheiten; 3. zu dünnen Ruten zum Einlegen in Damenhüte; 4. zu Stöcken, Reitpeitschen, seiner Korbware, Galanterieartikeln. – Die Schabespäne, das sind die bei der Zurichtung abfallenden Fasern, werden wie Roßhaar als Polsterungsmaterial verwendet. Das in heißem Wasser oder Sand erweichte Fischbein kann auch zu Knöpfen, Dosen u.s.w. gepreßt werden. Von den Surrogaten und Nachahmungen, zu denen auch gebeiztes Rindshorn gehört, scheint sich nur das von Th. Vöckler in Cölln bei Meißen erfundene Wallosin (Walosin) einer größeren Verbreitung zu erfreuen [3]. Es besteht aus geschältem und vierkantig gespaltenem spanischem Rohre (Stuhlrohr), das schwarz gefärbt, unter Dampfdruck gekocht, völlig getrocknet und hierauf mit einer Lösung von Kautschuk und Guttapercha mittels hydraulischen Druckes imprägniert wird; zugleich werden durch eine Schwefelteeröllösung die beiden Stoffe vulkanisiert. Die schließlich gedämpften, gewalzten und bestgetrockneten Stäbe können als (künstliches) Schirmfischbein Verwendung finden. Bei wenig sorgfältiger Imprägnierung wird aber das spanische Rohr leicht Wasser aufnehmen und sich krümmen und verziehen. Die größte Verwendung fand das Fischbein in der Zeit des Rokoko, in der die mächtigen Reifröcke und panzerartigen Schnürbrüste der Damen enorme Mengen benötigten. – Weißes Fischbein, Sepiaknochen, die Rückenschulpe des Tintenfisches.


Literatur: [1] Brehms Tierleben, Leipzig 1877, l. Abt, Bd. 3, S. 725 u. 740. – [2] Nebeski, O., Beiträge zur histologischen Charakteristik der Hornmaterialien, 11. Jahresbericht der Wiener Handelsakademie, Wien 1883, S. 217–219. – [3] Merk, K., Warenlexikon, Leipzig 1882, S. 132, 133 – [4] Hanausek, T.F., Technische Mikroskopie, Stuttgart 1901, S. 430–432.

T.F. Hanausek.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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