- Gips
Gips, schwefelsaurer Kalk mit 2 Molekülen Wasser, enthält 32,54 Teile Kalk, 46,51 Teile Schwefelsäure und 20,95 Teile Wasser, ist als Mineral farblos, vollkommen durchsichtig oder weiß, manchmal auch gelb, rot, braun, grau, schwarz, selten grün oder blau. Varietäten sind Gipsspat (Frauenglas, Selenit), farblose, spatige Massen; Fasergips (Atlasgips), parallelfaserig; Alabaster, körnig, derb. Härte 1,52, spez. Gew. 2,22,4; spaltbar in dünne, an den breiten Seiten stark perlmutterglänzende rhomboidische Täfelchen. Löslichkeit in Wasser: bei 0° in 488, bei 20° in 414, bei 55° in 393 und bei 100° in 460, unlöslich in Alkohol; er ist leichter als Wasser, das Kochsalz, Salzsäure oder Salpetersäure enthält. Auf 100120° erhitzt, verliert er etwa 18% seines Kristallwassers sehr schnell, der letzte Anteil entweicht aber sehr langsam; bei 200250° sehr schnell. In Rotglühhitze schmilzt er entwässert ohne Zersetzung.
Bei mäßig hoher Temperatur entwässerter und gepulverter Gips mit Wasser zu einem Brei angerührt, bindet Wasser, und die Masse erhärtet unter Vergrößerung des Volumens mit geringer Wärmeentwicklung. Gebrannter Gips zieht bei gewöhnlicher Temperatur und in feuchter Luft Wasser an und wird kristallinisch. Beim Brennen ist es von Wichtigkeit, die Hitze innerhalb gewisser Grenzen zu halten; in einem mäßigen Luftstrom auf 90° oder in ruhender Luft auf 100126° erhitzt, verliert der Gips genau 57% seines Kristallwassers; wenig über 200° verliert er auch das letzte Viertel, hat die Eigenschaft, mit Wasser angemacht zu erhärten, verloren und ist totgebrannt. Wird er aber weiter bis 400° und mehr erhitzt, so wird er dichter und schwerer und bindet mit Wasser sehr langsam zu einer äußerst harten Masse (Mauergips, Estrichgips) ab. Man brennt das Gipsgestein behufs Entziehung des Wassers und eines Teiles Schwefelsäure auf ähnliche Weise wie Kalk in Oefen oder Meilern. Rationelle Gipsöfen sind mit einem Gewölbe überspannt, für feinere Gipssorten benutzt man Flachöfen. Gipsgrubenöfen werden an Bergabhängen angelegt, wahrend man Gipshochöfen in unmittelbarer Nähe der Gipsbrüche errichtet. Kleine Mengen von Gips kann man auch auf Blechen oder in Trommeln brennen; in der letzten Zeit sind mehrere Trommelapparate eingeführt worden. Gebrannter Gips ist sehr weich, wird auf Brechwerken zerkleinert und zwischen Walzen oder Mahlsteinen, auch in rotierenden Trommeln (Kugelmühlen) gemahlen und gesiebt; der Qualität nach unterscheidet man für die verschiedenen Verwendungszwecke Alabastergips, Baugips, Bildhauergips. Gips erlangt durch Brennen, also durch Entwässern bei entsprechend hoher Temperatur, die Fähigkeit, nach dem Anrühren mit Wasser (Löschen) zu erhärten; anstatt Wasser wird jetzt auch Wasserdampf zum Löschen benutzt; der Grad der Härte des erstarrten Gipses hängt zum Teil davon ab, daß beim Löschen nicht mehr Wasser zugesetzt wird, als nötig ist, zum Teil aber auch schon von der Beschaffenheit des ungebrannten Gipssteines und dem Grad des Brennens. Dichter, faseriger, blätteriger Gips besteht nach dem Brennen und Mahlen aus sehr seinen Teilen, die sich gleichmäßig löschen; körniger Gips nimmt Wasser anfangs nur an der Oberfläche auf, später dringt es erst in die inneren Partien, und man erzielt damit eine härtere Masse. Uebermäßiger Wasserzusatz verhindert das Binden; beim Erhärten dehnt sich der Gips um ungefähr 1% aus, die Abgüsse sind daher immer etwas größer als die Form, und lassen sich durch wiederholtes Abformen von kleineren Modellen größere Abgüsse ohne Schaffung eines besonderen Originals erhalten.
Gebrannter Gips findet ausgedehnte Anwendung in den Baugewerben, zum Formen und Gießen, als Düngemittel, zum Entwässern breiiger Substanzen, in der Kellerwirtschaft u.s.w. Sehr alt ist seine Verwendung zu Mörtel (Gipsmörtel, s.d.); der Mörtel der großen Cheops-Pyramide besteht zu 83% aus Gips, Vitruv und Plinius erwähnen schon des Gipses zu Stuckarbeiten; mit Gipsspat bestreute man den Boden bei den zirzensischen Spielen. In Frankreich, namentlich um Paris, findet er als Baumaterial ausgedehnte Anwendung; außer zum Putz im Innern der Gebäude wird der reine Gipsmörtel ebensowohl zu allen Umfassungsmauern wie auch zum Abputz von Fassaden verwendet. Annalith ist eine Mischung von Gips mit einem scharfen Sand, zu künstlichen Steinen und als Beton benutzt. Gipsmarmor ist eine Imitation von Marmor aus Gipsmasse, durch und durch oder nur oberflächlich gefärbt, Stucco lustro, ebenfalls eine Marmorimitation, direkt auf das Mauerwerk aufgetragen. Um Gips zu härten, hat man Tränken der fertigen Objekte mit Alaunwasser (alaunierter Gips) angewendet, auch Wasserglas, Barytlösung, Borverbindungen u.a.m. sind mit mehr oder weniger Erfolg in Anwendung gekommen.
[532] Literatur: Hüttmann, Der Gipser, Weimar; Bernhard, Gipsabgüsse u.s.w., Frankfurt a.M. 1903; Höfer, Plastische Masten, Wien 1885; Pedrotti, Gips, Wien 1902.
Andés.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.