Luftbefeuchtung

Luftbefeuchtung

Luftbefeuchtung. Durch Einführung der Luftbefeuchtung wurde in den weitab vom Meere gelegenen Spinnereien erst die Herstellung seiner und glatte Garne möglich. Bei der Verarbeitung der Spinnstoffe, namentlich der tierischen entsteht durch die Reibung der Fasern aneinander und an den Werkzeugen der Maschinen, Häkchen, Kämme, Nadeln, statische Elektrizität. Da Kämme und Fasern sich mit entgegengesetzter Elektrizität laden, bleiben die Fasern leicht an den Kämmen hängen, und die mit gleicher Elektrizität geladenen Fasern stoßen einander ab und der Faden wird rauh. Das Auftreten der statischen Elektrizität rief an Tagen mit sehr trockener Luft früher viele Betriebsschwierigkeiten, ja selbst Störungen hervor. Versuche haben nun ergeben, daß bei einer relativen[398] Feuchtigkeit von 70% eine schnelle Entladung erfolgt. Man wird also den Feuchtigkeitsgehalt in dieser Höhe zu halten haben, doch ist die Höhe auch abhängig von der Art der Gespinstfasern und der Bearbeitungsstufe. Als Grenzen können 65 : 85, äußerstenfalls 90% angesehen werden. Die höchste Wassermenge in 1 cbm Luft ist abhängig von der Temperatur (vgl. Fig. 1). Bei 25° C kann 1 cbm höchstens 22,9 g Wasser aufnehmen und enthält bei 80% Feuchtigkeit 18,32 g. Sinkt die Temperatur auf 20°, kann 1 cbm nur noch 17,2 g enthalten, also 18,32 – 17,2 = 1,12 g weniger als vorhanden war; der Taupunkt ist überschritten und 1,12 g Wasser werden ausgeschieden. Man erkennt, daß zur Erhaltung eines gleichmäßigen Feuchtigkeitsgehaltes auch die Temperatur auf gleicher Höhe erhalten werden muß.

Die Befeuchtung der Luft erfolgt durch Dampf oder Wasser, doch wird die Dampfbefeuchtung, weil sie umständlich und teuer ist und Veranlagung zu starker Rostbildung an den Maschinen gibt, heute kaum noch ausgeführt. Zur Wasserbefeuchtung benutzt man kaltes oder heißes Wasser, das sehr rein sein muß. Kaltes Wasser, das durch eine Pumpe unter 5 ÷ 9 Atm. Druck gesetzt wird, läßt man aus Düsen austreten, welche es äußerst sein zerstäuben, oder es tritt unter geringem Druck in die Düsen und wird durch Preßluft zerstäubt. Eine Düse letzterer Art, bei welcher außerdem die Fliehkraft zur Zerstäubung wesentlich beiträgt, zeigt Fig. 2 (Gebr. Körting, A.-G., Hannover). Durch Stutzen B tritt Wasser, durch E Preßluft ein. A ist die Düse für Wasser, in welche ein leicht auswechselbares Filter G eingesetzt ist. Der aus A austretende Wasserstrahl wird sofort durch die Preßluft zerteilt und einem in der Düse F befindlichen schraubengangförmigen Kanal zugeführt, wodurch er in eine heftige Drehbewegung kommt und bei dem Austritt sehr fein zerstäubt wird, einen Kegel (Fig. 3) bildend. Die Befeuchtung der Luft erfolgt entweder durch einzelne Zerstäuber, welche unter der Decke des Arbeitsraumes möglichst gleichmäßig verteilt angebracht sind, oder durch eine zentrale Anlage, die in den meisten Fällen zugleich zur Heizung und Lüftung dient und folgendermaßen angeordnet ist: Ein Ventilator langt Außenluft an, treibt diese zunächst durch eine Heizkammer und hierauf in eine zweite Kammer, in welche die Zerstäuber eingebaut sind, von wo aus die erwärmte und angefeuchtete Luft durch die unter der Decke befindlichen Rohrleitungen den Arbeitsräumen zugeführt wird. Bei dem großen Luftwechsel, häufig 5–7 mal in der Stunde, würde im Winter ein sehr großer Wärmeaufwand für die Heizung erforderlich sein, wenn nur mit Außenluft gearbeitet wird. Man nimmt deshalb die Raumluft, gegebenenfalls nach vorheriger Filtrierung, zurück und setzt gar keine oder nur wenig Außenluft zu. – Im Sommer läßt man zur Kühlung der Luft kaltes Wasser durch die[399] Heizkörper strömen und erzielt dadurch eine Erniedrigung der Raumtemperatur, die besonders in Ringspinnereien hoch steigt, weil ein erheblicher Teil der für die hohen Spindelumlaufszahlen erforderlichen Arbeit in Wärme umgesetzt wird. – Fig. 4 gibt eine unter dem Namen »Jacobine« bekannte Befeuchtungsanlage von Rudolph Jacobi in Nimwegen (Holland) für einen Shedbau. Die Außenluft tritt bei A, die Raumluft bei B ein; die Eintrittsöffnungen sind durch Klappen abschließbar. Die Luft wird durch bei K im Rohr H befindliche Zerstäuberdüsen, denen das von der Pumpe L mit hohem Druck zugeführte Wasser entströmt, angesaugt. Das überschüssige Wasser sammelt ein Wasserabscheider E, von dem es dem Behälter M zugeführt wird, um dann durch ein Filter gereinigt der Pumpe wieder zuzufließen. Bei dieser Anordnung ist kein Ventilator nötig; der Apparat wirkt wie die in den Laboratorien viel angewandten Saugstrahlpumpen, hat aber den Nachteil, daß eine Lüftung ohne Befeuchtung nicht möglich ist, A ist das Luftverteilungsrohr mit seitlichen Oeffnungen C. – Sconfietti endlich verwendet heißes Wasser, welches unter 1 ÷ 2 Atm. Ueberdruck aus den Düsen austritt und sofort verdampft. Die Anlage erfordert wie manche andere auch Vorkehrungen zum Fangen mitgerissener Wassertropfen.

Auch in Webereien hat sich die Luftbefeuchtung als vorteilhaft erwiesen. Die Webkette bleibt infolge des höheren Feuchtigkeitsgehaltes geschmeidiger, wodurch die Zahl der Fadenbrüche vermindert und die Leistung der Stühle erhöht wird.

Noch sei erwähnt, daß die künstliche Befeuchtung eine Bindung des in der Raumluft vorhandenen Staubes bewirkt, was der Gesundheit förderlich ist. Demgegenüber steht aber der ungünstige Einfluß, den hoher Feuchtigkeitsgehalt und hohe Temperatur ausüben; sie wirken erschlaffend, ja sogar gesundheitsschädlich durch Hervorrufung einer Stockung der Hautatmung. Man müßte die Temperatur möglichst niedrig halten; bei 85% relativer Feuchtigkeit etwa 16, bei 70%. dem Durchschnittswert, etwa 19° C, was aber bei der geringen körperlichen Tätigkeit der Arbeiter in Spinnereien und Webereien zu niedrig ist. Man rechnet mit Saaltemperaturen von 20 bis 22° im Winter und 25° im Sommer. Steigt die Temperatur höher, muß zur Kühlung geschritten werden. (Vgl. Lüftung geschlossener Räume.)


Literatur: Otto Willkomm, Beiträge zur Frage der Luftbefeuchtung in Spinnereien und Webereien, Habilitationsschrift, Leipzig 1909. – Gebr. Körting, A.-G., Hannover, Luftbefeuchtung und Ventilation für die Textilindustrie. – A. Schweizer, Einfluß der Luftfeuchtigkeit auf den Fortgang des Baumwollspinnprozesses, Leipziger Monatsschr. s.d. Textilindustrie 1911, S. 184. – E. Stadelmann, Die Luftbefeuchtung für Räume der Textilindustrie, Gesundh.-Ing. 1917, S. 434.

Lüdicke.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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