- Motoren
Motoren für Luftfahrzeuge. Die ersten Versuche mit Kraftmaschinen in Flugzeugen sind mit Dampfmaschinen unternommen worden. Den ersten Verbrennungsmotor als Flugmotor konstruierten Pilcher und Wilson 1892. Der Motor besaß 4 PS. und wog 18,2 kg. Die zweite brauchbare Konstruktion war[537] der Wright-Motor von 24 PS. im Jahre 1900; ihm folgte 1906 als dritter Flugmotor der 15-PS. V-förmige 8-Zylinder-Motor »Antoinette«.
Die jetzt in der Luftfahrt gebräuchlichen Motoren stehen noch hauptsächlich unter dem Einfluß der Automobilindustrie. Es wird jedoch immer mehr begonnen, Spezialmotoren zu schaffen, die lediglich ihrem neuen Verwendungszweck dienen. Als Kraftstoff kommen ausschließlich Brennstoffe mineralischen Ursprungs in Betracht, die in hervorragendem Maße die Eigenschaft besitzen, große Kräfte zu entfalten, ohne jedoch bei geringstem Gewicht einen großen Raum zu beanspruchen. Diese Stoffe Benzin, Petroleum und Benzol werden in besonderen Spritzvergasern zerstäubt, mit der nötigen Luftmenge in innige Berührung gebracht und im geeigneten Augenblick in einem Zylinder verbrannt.
Diese Verbrennung geht explosionsartig vor sich, und die hiermit verbundene erhebliche Raumvergrößerung wird zur Arbeitsverrichtung benutzt. Zur vollkommenen Verbrennung des betreffenden Stoffes ist eine bestimmte Luftmenge nötig, woraus sich das theoretische Mischungsverhältnis ergibt. Erfahrungsgemäß muß jedoch mit einem gewissen Luftüberschuß gearbeitet werden, so daß es auf die Erreichung des wirtschaftlich günstigsten Mischungsverhältnisses ankommt. Bei sämtlichen Luftfahrzeugmotoren wird der Brennstoff außen mit der Verbrennungsluft gemischt und dann erst in den Zylinder eingeführt (äußere Gemischbildung).
Das Arbeitsspiel der Viertaktmaschine umfaßt 4 Hube: das Ansaugen, die Verdichtung, die Ausdehnung und die Verdrängung; eigentlich arbeitsleistend ist hiervon nur die Ausdehnung. Da es nun sehr darauf ankommt, den Zylinder vor einer neuen Ladung gänzlich rein zu haben, so fügt man den 4 Hüben noch 2 weitere hinzu, nämlich ein Ansaugen von Luft und eine erneute Verdrängung der nunmehr gebildeten Mischung; dieses Arbeitsspiel der Sechstaktmaschine wird dadurch etwas günstiger, es erzielt gleichzeitig eine gute Innenkühlung, aber das Drehmoment ist bedeutend ungleichförmiger. Bei der Zweitaktmaschine dagegen haben wir nur den Verdichtungshub und darauf die Ausdehnung; kurz vor Ende der Ausströmung wird durch eine besondere Spülpumpe ein scharfer Spülluftstrahl eingeblasen, darauf sofort das Brennstoffluftgemisch, worauf die Verdichtung beginnt. Dieser Zweitaktmotor hat den Nachteil, nur bei einer bestimmten Tourenzahl und Belastung richtig und mit geringem Brennstoffverbrauch zu funktionieren, er ist also in bezug auf Drehmoment und Umdrehungszahl nicht so variabel.
Die vorgenannten Arbeitsvorgänge spielen sich bei Luftmotoren meist nur auf einer Kolbenseite ab (einfach arbeitende Maschinen). Der Wirkungsgrad hängt in der Hauptsache von der Reinheit und günstigen Zusammensetzung der Ladung, von der hohen Verdichtung, kräftig wirkenden Zündung und richtigen Lage des Zündungspunktes, Einschränkung der Eigenverdrängungs- und Ansaugewiderstände sowie peinlicher Genauigkeit und Sauberkeit der Ausführung ab.
Besonders erschwerend ist für das Arbeiten der Luftmotoren die wechselnde Höhe und die hierdurch hervorgerufene Verringerung des Luftdruckes, die sich dadurch bemerkbar macht, daß das gleichmäßig angesaugte Luftgewicht ungefähr im Verhältnis der äußeren Luft abnimmt. Der Verdichtungsgrad des Gemisches sinkt also, und mit ihm geht die Leistung des Motors zurück, wobei allerdings zu erwähnen ist, daß auch die Verdrängungswiderstände sich etwas verringern. Und gerade in größerer Höhe muß der Motor seine höchste Kraft entfalten, weil ja die dünne Luft in der Höhe schon an und für sich dem Flugzeug weniger Tragkraft verleiht.
Als wichtigste Forderung für einen Luftfahrzeugmotor ergibt sich die Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit, die allen sonstigen
Eigenschaften desselben vorangestellt werden sollte. Hierzu ist außer einer guten Dauerleistung, die voraussichtlich mit der weiteren Entwicklung sich stets steigern wird, eine leichte Zugänglichkeit zu allen einer Abnutzung unterworfenen Teilen unbedingt notwendig, damit bei kleinen Betriebspausen ein Ueberholen und eventuelles Auswechseln stattfinden kann. Weiter ist ein guter Massenausgleich und ein erschütterungsfreier Gang zu fordern, weil das Fundament stets das denkbar leichteste bleiben wird, und weil ferner durch diese Eigenschaft vielleicht noch konstruktive Erleichterungen für die Flugzeuge zu erwarten stehen. In zweiter Linie ist[538] ein geringes Einheitsgewicht, d.h. ein geringes Gewicht für die abzugebende Leistung, sowie ein geringer Verbrauch an Betriebsstoffen anzustreben. Besonders der letzteren Eigenschaft ist eine große Bedeutung beizulegen, weil bei den größeren Flügen der Gesamtvorrat schon ein erhebliches Gewicht repräsentiert und bei Luftschiffen außerdem der durch den Verbrauch hervorgerufene vermehrte Auftrieb störender ist als ein von Anfang an vielleicht etwas größeres Gewicht, das dann aber nur eine verhältnismäßig geringfügige Verringerung durch den Verbrauch erleidet.
In der Technik gilt im allgemeinen der Grundsatz, daß eine »große Einheit« das geringste Baugewicht ermöglicht. Dies würde theoretisch zum Einzylindermotor führen; bei dem heute fast allgemein üblichen Viertaktexplosionsmotor kommt jedoch nur ein Arbeitshub auf zwei Umdrehungen. Der Einzylindermotor würde daher sehr ungleichmäßig arbeiten, ein verhältnismäßig schweres Schwungrad bedürfen und im Flugzeug derartige Erschütterungen hervorrufen, daß ein unverhältnismäßig festes und daher schweres Gerüst des Flugzeuges notwendig wäre. Beim Vierzylindermotor leistet bei jeder halben Umdrehung der Kurbelwelle wenigstens ein Zylinder Arbeit, aber auch hiermit ist ein guter Ausgleich der hin und her bewegten Massen noch nicht vollständig zu erreichen. Dies gelang erst beim Sechszylindermotor, wie er heute von den deutschen Firmen Argus, Benz, Daimler, Neue Automobil-Gesellschaft (Fig. 2) u.a. in den Handel gebracht wird.
Diese Motoren zeigen einen völlig erschütterungsfreien Lauf; nur haben sie den Nachteil, daß die sechs in einer Reihe angeordneten Zylinder eine große Baulänge des Motors bedingen. Diese große Baulänge erschwert es wieder, die Gewichte des Flugzeuges möglichst an einem Punkte zu vereinen. Bedeutend kürzer wird die Baulänge, wenn je 2 oder 4 Zylinder V-förmig zueinander angeordnet werden und je 2 Pleuelstangen auf eine gemeinsame Kurbel wirken. Endlich bleibt noch der Weg, alle Zylinder sternförmig im Kreise um eine einfach oder doppelt gekröpfte Kurbelwelle anzuordnen. So haben wir die kürzeste Bauart eines Motors, wie sie sich für leichte, wendige Flugzeuge bestens bewährt hat. Drei Bewegungsmöglichkeiten bieten sich für einen solchen Sternmotor. Einmal bleiben die Zylinder fest, und die allen Kolben gemeinsame Kurbelwelle rotiert; dann können die Zylinder um die feststehende Kurbel herumlaufen, und endlich bewegen sich beide: Zylinder und Kurbelwelle, was ebenfalls in der Praxis erprobt wurde.
Der Gnôme-Motor (Fig. 1) selbst ist in seiner Normaltype ein luftgekühlter Siebenzylindermotor mit feststehender einmal gekröpfter Kurbelwelle, um die die Zylinder mit dem Gehäuse rotieren. Die Kurbelwelle ist im Durchmesser besonders stark ausgeführt, da sie als Hauptträger der Maschine großer Beanspruchung ausgesetzt ist. Sie ist durchbohrt und dient gleichzeitig dazu, dem Motor das Benzingemisch in das Gehäuse zu führen; von hier gelangt das Gemisch durch automatische Einlaßventile im Kolbenboden in die Zylinder. Mit Rücksicht auf die großen zentrifugalen Kräfte bei der Rotation sind diese Ventile durch kleine Gegengewichte sorgfältig ausbalanciert. Die Auslaßventile sind gesteuert und befinden sich außen am Zylinderkopf. Jeder Zylinder mit seinen messerdünnen Kühlrippen wird aus einem einzigen Stahlblock von etwa 30 kg Gewicht gedreht und wiegt fertig bearbeitet nur 2,8 kg. Die Kolben werden mit Rücksicht auf die Zentrifugalkraft und die sehr hohen seitlichen Drucke besonders leicht ausgeführt. Als[539] Material dient Gußeisen. Der Seitendruck bedingt ferner eine gute Zylinderschmierung, wozu Rizinusöl verwendet wird, da es auch bei hohen Temperaturen sich nicht verändert.
Die Vorzüge des Gnôme-Motors sind große Leistung bei geringem Gewicht, geringe Baulänge, einfache Luftkühlung, da bei der hohen Umlaufgeschwindigkeit der vorbeistreichende Luftstrom vollständig zur Kühlung ausreicht, und endlich der vorzügliche Massenausgleich.
Nachteilig ist vor allem der große Brennstoff- und Oelverbrauch des Motors. Ein normaler wassergekühlter Flugzeugmotor braucht etwa 225 g Benzin und 20 g Oel für die PS.-Stunde, der Gnome dagegen 400 g Benzin und 70120 g Oel. Bemerkt sei, daß Umlaufmotoren stets mehr Brennstoff als feste Motoren im Verhältnis zu der an den Propeller abgegebenen Arbeit verbrauchen, weil ein Teil (ca. 12%) der Arbeit durch den Luftwiderstand der umlaufenden Zylinder verzehrt wird.
Demgegenüber besitzen die Motoren mit für Wasserkühlung eingerichteten Zylindern die Vorteile einer wesentlich besseren Ausnutzung der Betriebsstoffe, sowie die weit bessere Verwendungsmöglichkeit im Winter, weil mit Glyzerin versetztes Wasser erst bei sehr viel höheren Kältegraden gefriert als Rizinusöl. Der Wasserkühler läßt sich bei richtiger Konstruktion und Anordnung mit geringem zusätzlichen Widerstand einbauen, und die hintereinander angeordneten Zylinder können ebenfalls in passender Weise eingekapselt werden. Die große Bedeutung des stehenden Motors mit Wasserkühlung liegt aber darin, daß er hinsichtlich der Größe seiner Leistung noch lange nicht am Ende angekommen ist. Der Gnôme-Motor und alle luftgekühlten Umlaufmotoren lassen sich in ihrer Leistung kaum noch steigern. Aus dem einzelnen Zylinder ist nicht mehr herauszuholen, wenn nicht zur Wasserkühlung geschritten wird. Die zweireihigen Umlaufmotoren arbeiten aber mit sehr viel schlechterem Wirkungsgrad.
Beim Sechszylinder-100-PS.-Mercedes-Daimler-Motor (Fig. 2) sind die in Stahl ausgeführten Zylinder zu Zweien zusammengeschweißt und mit einem gemeinsamen Kühlmantel aus Stahlblech versehen. Jeder Zylinder hat ein Ein- und Auslaßventil, die schräg zu der Zylinderachse direkt über dem Kolben eingebaut sind. Die Ventile werden durch eine über den Zylindern liegende gemeinsame Steuerwelle, die in einem Gehäuse eingekapselt ist, betätigt. Die Steuerwelle wird durch Kegelräderpaare von der Kurbelwelle aus angetrieben. Die Gemischbildung wird durch einen mit Warmwasserheizung versehenen Mercedes-Doppel-Drehschiebervergaser bewirkt, wovon je 3 Zylinder von einem Vergaser mit Gemisch versehen werden.
Die Zylinder des hängenden Daimler-Motors (Fig. 3) sind paarweise zusammengegossen und mit Kühlwasserräumen versehen. Durch eine gemeinsame Steuerwelle wird unter Zwischenschaltung von Hubstangen und Schwinghebel und einer unter jedem Ventil angeordneten Schraubensender die Betätigung der Ventile bewirkt. Die Steuerwelle wird durch ein Stirnräderpaar angetrieben, das zwischen die Zylinderpaare verlegt ist.
Bei den aufrechtstehenden Motoren sitzt der Propeller direkt auf der Kurbelwelle, dagegen ist bei diesem hängenden Motor ein Vorgelege eingebaut, auf dessen langsam laufender Welle der Propeller angebracht wird. Der Vorzug dieser Anordnung besteht in der wesentlich freieren Ausblickmöglichkeit des Fliegers über das niedere Gehäuse hinweg. Die Konstruktions-Prinzipien des NAG (Neue Automobil Gesellschaft-) Flugmotors, Fig. 4, sind folgende: Die außerachsige Anordnung der Zylinder im Verhältnis zur Kurbelwelle erlaubt eine äußerst niedrige Bauart. Die einzelstehenden Zylinder sind bis zum Kopf allseitig bearbeitet, wodurch genaue Wandstärken erzielt und Gußspannungen vermieden werden. Die Ventilsendern liegen oben über den Zylinderköpfen und werden vom Propellerwind gekühlt, zumal ihre Windungen groß gewählt sind. Das Kurbelgehäuse faßt den gesamten Oelvorrat für 10 Stunden, so daß ein besonderer Oelbehälter fortfällt. Hierdurch ist gleichzeitig eine bequemere Platzverteilung im Flugzeug gegeben, die häufigen Brüche und das Leckwerden der Leitung lind ausgeschlossen. Als Ein- und Auslaßorgane am Zylinder werden hauptsächlich Kegelventile vorgesehen (in neuerer Zeit auch Schieber),[540] die für möglichst große Querschnitte dimensioniert werden, so daß sich ungefähr eine Ansaugegeschwindigkeit von 55 m/Sek. ergibt; diese Ventile werden durch Spiralfedern gegen ihren Sitz gedrückt und durch besondere Schwinghebel, die wieder durch eine Nockenwelle gesteuert werden, betätigt. Um an Platz zu sparen, wird manchmal eine Vereinigung beider Ventile zu einem ineinander geschachtelten Doppelventil vorgenommen.
Durch die hohen Verbrennungstemperaturen würden die Zylinderwandungen sehr bald unbrauchbar werden, wenn nicht durch besondere Vorrichtungen eine geeignete Abkühlung herbeigeführt würde. Als Kühlmittel dient in letzter Linie immer die atmosphärische Luft, jedoch sind zwei Anwendungsarten zu unterscheiden. Entweder werden die zu kühlenden Teile (die Zylinder und die Auslaßleitung) direkt einem Luftstrom ausgesetzt, oder sie werden durch einen im Kreislauf fließenden Wasserstrom gekühlt, der dann seine erhöhte Temperatur wieder an die Luft abgibt. Der bei der unmittelbaren Luftkühlung nötige Luftstrom wird entweder durch den bei der Fortbewegung sich ergebenden Luftstrom gebildet oder durch Rotation der Zylinder um die Achse noch besonders verstärkt, oder aber er wird durch einen besonderen Ventilator erzeugt, der ihn dann zwischen die betreffenden Wandungen und eine Blechhülle preßt. Im ersten und letzten Fall haben wir es mit dem stehenden Motor mit senkrechter, V-förmiger, Stern- oder Fächeranordnung der Zylinder zu tun, im zweiten mit den Umlaufmotoren.
Der natürliche Luftstrom des Fluges reicht nicht aus, die Wandungen genügend zu kühlen, auch eine Rotation der Zylinder hat noch den Nachteil, daß die Stirnseite der Zylinder im relativen Luftstrom intensiver gekühlt wird als die Rückenseite; wird aber ein Ventilator zur Verstärkung des Luftstromes benutzt, so erfordert dieser seiner Abmessung wegen einen erheblichen Teil der Motorenleistung. Daher ist allgemein die mittelbare Kühlung durch einen Wasserstrom vorzuziehen, der seine Rückkühlung in einem Wärmeaustauschgefäß, dem Kühler, erhält. Beim Kühler fließt entweder das Wasser durch flache dünnwandige Röhrchen oder es umspült dieselben, während die Luft die andre Rohrwand bestreicht. Bei Luftschiffen, die eventuell mit sehr geringer Geschwindigkeit fahren, empfiehlt sich zur Verstärkung des Luftstromes für den Kühler ein kleiner Ventilator.
Literatur: [1] Moedebeck, Taschenbuch für Luftschiffer und Flugtechniker, Berlin 1911. [2] Hummel, Die Wärmemotoren, Leipzig 1913. [3] Güldner, Entwerfen und Berechnen von Verbrennungsmotoren, Berlin 1905. [4] Rumpler, Motoren für Luftfahrzeuge, Berlin 1909.
Béjeuhr.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.