Navigation im Luftfahrzeug

Navigation im Luftfahrzeug

Navigation im Luftfahrzeug. Beim Freiballon beschränkt sich die willkürliche Lenkung auf Höhenänderungen; eine Beeinflussung der Fahrtrichtung ist nur durch Aufsuchen geeigneter Luftströmungen in verschiedenen Höhen möglich. Dementsprechend beschränken sich die Aufgaben der Seitennavigation auf Feststellung des jeweiligen Standortes sowie auf Berücksichtigung der voraussichtlichen Fahrtrichtung und -geschwindigkeit, die durch Wettermeldungen und Beobachtungen während der Fahrt mehr oder minder bekannt sind. Die Höhennavigation gründet sich auf die Gesetze der Gewichts- und Volumenänderungen der Gase bei Temperatur- und Druckänderungen (Gay Lussac und Boyle-Mariotte). Beim Flugzeug tritt die Höhennavigation gegenüber der Seitennavigation zurück; die Wahl der geeigneten Flughöhe hängt innerhalb der Leistungsgrenzen des Flugzeugs und Motors von der erforderlichen Sicherheit (Gleitradius), wechselnder Bewölkung und Ausnutzbarkeit günstiger Windströmungen ab. Hohe Anforderungen stellt das Luftschiff als Motorfahrzeug mit gasgefülltem Tragkörper an Seiten- und Höhennavigation. Die richtige Ausnutzung der Motorleistung (Reise-, Höchstgeschwindigkeit) und der Luftströmungen (Wirbel, Passate, Monsume) wird bei dem zu erwartenden Luftschiffverkehr über ganz große Strecken (transozeanische Fahrt) von größter Bedeutung für Durchführbarkeit und Wirtschaftlichkeit des Betriebes werden. Unumgänglich ist die Errichtung weiterer großer Richtungsstationen für drahtlose Telegraphie zur Sicherung der Orientierung über See und bei unsichtigem Wetter (s.u.). Die Höhennavigation beruht, wie beim Freiballon, auf den physikalischen Gasgesetzen. Zu den hierdurch gegebenen statischen Aenderungen kommt beim Motorluftschiff noch die Möglichkeit dynamischer Aenderungen durch Ausnutzung der Drachenwirkung des Schiffskörpers bei vorhandener Eigenbewegung des Fahrzeugs.

Seitennavigation (s.a. Navigierung, Ergbd. I, S. 561). – Für die terrestrische Navigation (über Land) benutzt man im allgemeinen Karten im Maßstab 1 : 200000 und 1 : 300000. Für die Besteckrechnung müssen gegeben sein: Eigengeschwindigkeit des Fahrzeuges, Windrichtung und -stärke in Fahrthöhe. Letztere werden während größerer Fahrten durch Funkentelegraphie von den Wetterwarten mitgeteilt. Erstere wird durch Abfahren einer bekannten Strecke mit und gegen den Wind bestimmt. Bezeichnet man mit v die Eigengeschwindigkeit, mit s die abgefahrene Strecke, mit t1 bezw. t2 die benötigte Zeit bei Fahrt mit bezw. gegen den Wind, mit β den Abtriftwinkel, so ist v = s/2 · (t1 + t2)/(t1 · t2) + 1/cos β.

Die astronomische Ortsbestimmung (über See und bei fehlender Sicht nach unten) kam in der praktischen Luftfahrt während des Krieges wenig zur Anwendung. Sie dürfte bei Ausbau des Luftverkehrs an Bedeutung gewinnen. Sehr wichtig wurde die funkentelegraphische Ortsbestimmung, die den großen Vorzug der Anwendbarkeit auch bei völlig unsichtigem Wetter hat. Bei dem bisher gebräuchlichen System gibt das Luftfahrzeug ein Zeichen, das von mindestens zwei Richtungsstationen an Land aufgenommen wird. Die Stationen teilen funkentelegraphisch dem Luftfahrzeug das Resultat ihrer Peilung mit; durch Eintragen des Resultats in entsprechende Karten wird der Schiffsort festgelegt (Kreuzpeilung). Neuerdings geschieht die Peilung in der Weise, daß die Landstationen bestimmte Zeichen geben, deren Richtung vom Luftfahrzeug aus gepeilt wird. Dieses System ist weniger Störungen unterworfen und hat vor allem im Kriege den Vorzug, daß das Luftfahrzeug nicht durch ausgesandte Zeichen seinen Standort verrät.

Höhennavigation im Luftschiff. – Notwendige Vorbedingung ist genaue Kenntnis der Hubkraftverhältnisse des Schiffes. Die Gesamthubkraft H berechnet sich aus der Formel:

H = V (spez. Luftgewicht – spez. Gasgewicht)

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wo V den Gasraum des Schiffes, b den Luftdruck in Millimeter Hg, Tl und Tg die absolute Luft- bezw. Gastemperatur, s das spezifische Gewicht des Füllgases, φ die relative Luftfeuchtigkeit in Prozent und P die maximale Dampfspannung bei der gegebenen Lufttemperatur bedeutet. Die Differenz: Gesamthubkraft minus Leergewicht des Schiffes gibt die augenblickliche Nutzlast. (Zur Vergleichbarkeit der Leistungen verschiedener Schiffe legt man der »reduzierten Nutzlast« folgende Daten zugrunde: b = 760 mm, Tl = Tg = 0° C, s = 0,1, φ = 60%.) Die Nutzlast zerfällt in während der Fahrt unveränderliche Gewichte (Besatzung, Fahrgäste, Fracht), in zwangsläufig veränderliche Gewichte (Betriebsstoffe) und in willkürlich veränderliche Gewichte (Wasserballast, in Notfällen abwerfbare Gegenstände). Beim Pralluftschiff ist die maximale Steighöhe durch die Größe der Luftballonets bestimmt. Beim Starrluftschiff besteht diese[481] Beschränkung nicht; hier hängt die maximale Steighöhe von den jeweils verfügbaren veränderlichen Gewichten ab. Für die Hubkraftänderungen bei Starrluftschiffen (und Freiballonen) in Fahrthöhen bis etwa 5000 m gelten folgende Regeln (– bedeutet Abnahme, + Zunahme):


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Aus der Tabelle ergibt sich auch das Ballastgesetz: Die Abgabe eines Gewichts gleich 1% der Hubkraft entspricht (bei prallem Schiff) einem Steigen um 100 m sowie (ohne Rücksicht auf den Füllungsgrad) einer Lufttemperaturzunahme oder Gastemperaturabnahme um 3° C. Die entgegen gesetzten Einwirkungen auf die Hubkraft (Zunahme derselben durch Lufttemperaturabnahme bezw. durch Gastemperaturzunahme) können durch Abgabe von Gas durch die Manövrierventile ausgeglichen werden. Während der Fahrt wird man, um Ballast und Gas zu sparen, bis zu gewissem Grade den Wirkungen der Hubkraftänderungen nicht statisch sondern dynamisch zu begegnen suchen. Bei den gebräuchlichsten Schiffstypen beträgt die durch Schrägstellung des Schiffskörpers erreichbare dynamische Steig- oder Sinkkraft bei voller Fahrt bis zu 10–14% der Gesamthubkraft, bei einem günstigsten Neigungswinkel der Schiffsachse gegen die Horizontale von 15–18°. Infolge des vergrößerten Widerstandes sinkt natürlich die Eigengeschwindigkeit hierbei um mehrere Sekundenmeter. Von großer Wichtigkeit kann die dynamische Reserve bei unvorhergesehenen Hubkraftänderungen (Schneebelastung, Leerlaufen von Zellen, Temperatursprüngen u.s.w.) werden.

Der Einfluß der Strahlung auf die Temperatur des Füllgases ist beim Starrluftschiff wegen der doppelten Hülle und der ausgleichenden Wirkung der Ventilation nicht so groß wie beim Freiballon; immerhin können bei starker Sonnenbestrahlung Uebertemperaturen der Füllung von 10 bis 15° C auftreten. Starke Ausstrahlung bei Nacht macht sich durch geringe Untertemperatur des Füllgases bemerkbar. Im übrigen folgt der Gang der Füllungstemperatur – mit erheblicher Verzögerung – den Temperaturänderungen der durchfahrenen Luftschichten. – S.a. die Art. Luftfahrt (Instrumente) und Luftverkehr.


Literatur: Emden, Grundlagen der Ballonführung, Leipzig und Berlin 1910. – Bassus, Die physikalischen Grundlagen der Höhennavigation, München 1917. – Leick, Astronomische Ortsbestimmungen, Leipzig 1912.

Helffrich.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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