Schall

Schall

Schall, diejenigen Wahrnehmungen unsers Gehörorgans, welche eine außerhalb unsers Körpers liegende Ursache haben.

Man unterscheidet von den unregelmäßigen Schallwahrnehmungen, wie Knall, Geräusch u.a., die regelmäßigen oder die Töne. Die nächste Ursache der Reize unsers Gehörorgans liegt in der von irgend einer Erregungsstelle sich ausbreitenden Wellenbewegung der an das Ohr angrenzenden Luft, welche sich bei Tonempfindungen im Zustande des raschen periodischen Wechsels von Verdichtungen und Verdünnungen befindet.

I. Die Schallwellen. Versuche mit der Luftpumpe zeigen, daß das Vakuum des Rezipienten den Ton einer angeschlagenen Glocke nicht mehr zu leiten imstande ist. Dieses Vakuum ist durchsichtig, enthält also wohl noch einen Träger der Lichtwellen, aber nicht mehr denjenigen der Schallwellen. Weder eine zu kleine Zahl periodischer Schwingungen der Luft (unter 9–16 pro Sekunde) noch eine zu große Zahl derselben (über 30000–36000 pro Sekunde) wird vom Ohr als Ton empfunden.

Die Sirenen sind tongebende Apparate, welche die sekundliche Zahl der Schwingungen, die Schwingungszahlen der Töne, zu messen gestatten. Von denselben ist besonders diejenige von Cagniard de Latour zu erwähnen, bei der ein Luftstrom durch die schief durch einen Zylinder geführten Bohrungen getrieben wird und dabei einen zweiten Zylinder mit gleicher Achse und übereinstimmenden, aber entgegengesetzt schiefen Bohrungen nach Art einer Turbine in Umdrehung versetzt. Die z.B. 16 Bohrungen jedes Zylinders bewirken bei jeder Umdrehung eine 16malige Unterbrechung des Luftstroms, also bei n Umdrehungen, die durch ein Zählwerk gemessen werden, 16 n Luftschwingungen. Bei der Sirene von Savart werden die Luftstöße durch die Stöße eines gedrehten Zahnrades gegen ein Kartenblatt erzeugt. Man kann aber die Tonwellen auch dadurch zählen, daß man sie phonautographisch aufzeichnet (s. Phonautograph), oder daß man die Schwingungszahl berechnet.

Die einem Ton entsprechende Länge der Luftwelle, der Abstand zwischen zwei sich folgenden Verdichtungen (s. Wellenbewegung) ist der Messung zugänglich, wenn man die Tonwellen durch die Luftsäule einer Röhre leitet und den Wellenzug entweder mit sich selbst in entgegengesetzter Richtung zur Interferenz bringt oder mit sich selbst in gleicher Richtung, letzteres mittels einer sich verzweigenden und nach ungleichen Längen der Arme sich wieder vereinigenden Röhre. Im ersteren Fall, wo die Tonwellen an einem in der Röhre beliebig verstellbaren Stempel in sich selbst reflektiert werden, entstehen durch Interferenz stehende Wellen, deren Schwingungsknoten nach Kundt durch ringförmige Anhäufungen von Korkstaub erkennbar gemacht werden; im zweiten Fall vernichten sich die zwei Wellenzüge, der Ton wird unhörbar, sobald die Wegdifferenz der zwei geteilten Zweige eine halbe Wellenlänge beträgt; in beiden Fällen geben enge Röhren bei zu großen Wellenlängen etwas zu kleine Resultate gegenüber der Wellenlänge desselben Tones in freier Luft.

Die Schwingungszahl n und Wellenlänge λ eines Tones führen zur Bestimmung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Schallwellen nach der Formel c = n λ. Indessen ist auch diese Geschwindigkeit sowohl der direkten Messung als der Berechnung aus den spezifischen Eigenschaften der Luft zugänglich. Durch die Beobachter Humboldt, Gay-Lussac und Bouvard einerseits, Arago, Mathieu und Prony anderseits wurde 1822 zwischen den Orten Monthery und Villejuif bei Paris mittels an beiden Orten gelöster Kanonenschüsse, für welche je am andern Ort der Zeitunterschied zwischen Lichtblitz und Knallwahrnehmung bestimmt wurde, auf eine Entfernung von 18622,27 m die Geschwindigkeit des Schalls bei 16° C. Lufttemperatur gleich 340,8 m ermittelt, woraus für die Temperatur 0° eine Geschwindigkeit von 331,2 m folgt. Ueber die Berechnung der Schallgeschwindigkeit aus der Dichte der Luft bei 0° und bei Normalbarometerstand s. Wellenbewegung. Diese Geschwindigkeit ist vom Druck der Luft unabhängig und der Quadratwurzel aus der absoluten Temperatur proportional. Wegen der Veränderung der Lufttemperatur mit der Höhe der Atmosphäre ist daher auch die Geschwindigkeit der Schallwellen mit der Höhe veränderlich. Zum Beispiel für eine Abnahme der Temperatur um 1° pro 100 m Erhebung muß bei 0° (absolut 273°) die entsprechende Abnahme der Schallgeschwindigkeit eine nach unten konvexe Krümmung der Schallstrahlen (Normalen der Wellen, s. Brechung unter Licht) zur Folge haben. Der zugehörige Krümmungsradius ρ entspricht der Gleichung: ρ : ρ + 100 = √272 : √273 und gibt ρ = 54,4 km. Der Schall von der Erdoberfläche pflanzt sich daher gewöhnlich in nach unten konvexen, nur[594] in Ausnahmefällen in nach unten konkaven Strahlen fort. Nur in letzterem Fall ist eine Vernehmbarkeit des Schalls auf große Entfernung möglich. Von einem Orte, welcher von den aus einem andern Orte ausgehenden Schallstrahlen nicht mehr erreicht wird, sagt man, er liege im Schallschatten des andern. – Echo heißt der durch Reflexion der Schallwellen zu seinem Ausgangspunkt zurückgeworfene Schall.

II. Die Schallwahrnehmung. Unser Ohr unterscheidet die Töne nach ihrer größeren oder geringeren Stärke, ihrer Höhe und ihrer Klangfarbe. Die Unterschiede in der Stärke sind bedingt durch die Größe des Schwingungsausschlags, die Amplitude, der in Wellenbewegung begriffenen Luftteilchen oder der Wellenhöhe der phonautographisch aufgezeichneten Luftwellen. Bei konzentrisch sich ausbreitenden Wellen nimmt die Wellenhöhe proportional der Entfernung ab, oder die Intensität der Wellenbewegung ist dem Quadrat der Entfernung von der Schallquelle umgekehrt proportional. Die Unterschiede der Tonhöhe sind verursacht durch die verschiedene Größe der Schwingungszahlen bezw. der Länge der Schallwellen, welche bei konstanter Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Schwingungszahl umgekehrt proportional ist. Das Gehörorgan ist ein arithmetisches Organ, das sowohl die Gleichheit der Schwingungszahlen zweier gleichhoher Töne als auch das Verhältnis dieser Zahlen bei zwei Tönen verschiedener Höhe zu beurteilen imstande ist. Es empfindet diese Verhältnisse als Tonintervalle, denen es eine um so größere Reinheit zuschreibt, je mehr sich das Verhältnis der Schwingungszahlen einem einfachen Bruche nähert, z.B. 1 : 2 entspricht der Empfindung des Intervalls der Oktave; 1 : 4 der zweiten, 1 : 2n der n-ten Oktave, 2 : 3 der Quinte, 1 : 3 der Quinte der Oktave, 3 : 4 der Quarte, 4 : 5 der großen Terz, 5 : 6 der kleinen Terz, 3 : 5 der großen Sext, 5 : 8 der kleinen Sext, 8 : 9 der großen Sekunde, 25 : 27 der kleinen Sekunde, 5 : 9 der kleinen Septime, 8 : 15 der großen Septime. Je nachdem beim Zusammenklingen bezw. der Aufeinanderfolge zweier Töne das Ohr eine mehr angenehme oder unangenehme Empfindung hat, unterscheidet man die Intervalle als Konsonanzen und als Dissonanzen; Oktave und Quint sind vollkommene, Terz, Quart und Sext unvollkommene Konsonanzen, Sekunde und Septime gelten mehr für Dissonanzen. Die Konsonanzen erzeugen die Empfindung der Harmonie, die Dissonanzen die der Disharmonie. Ein Intervall zweier Töne, das kleiner ist, d.h. der Einheit näher kommt als das Verhältnis 80 : 81, das sogenannte syntonische Komma, ist für das Ohr schwer unterscheidbar. Bei der melodischen Tonfolge können sich solche Töne ersetzen. Beim Zusammenklingen naher Töne vernimmt das Ohr Schwebungen, abwechselnde Verstärkungen und Schwächungen infolge der Interferenz der bald in übereinstimmender, bald in entgegengesetzter Schwingungsphase zum Ohr gelangenden beiderlei Schallwellen. Die sekundliche Zahl Schwebungen ist gleich dem Unterschiede der beiden Schwingungszahlen. Uebersteigt der Unterschied die Zahl 16, so hört das Ohr ein schwirrendes Geräusch bezw. einen dritten tieferen Ton, den Differenzton, daneben einen vierten höheren, den Summationston, dessen Schwingungszahl gleich der Summe der Schwingungszahlen beider Töne ist. Diese Töne heißen Kombinationstöne, Tartinische Töne. Zwei harmonische Töne erzeugen auch zu ihnen harmonische Kombinationstöne. Sehr reich wird die Fülle harmonischer Tonempfindung beim Erklingen mehrerer unter sich paarweise in Konsonanz stehender Töne, einem Akkord. Der große oder Dur-Dreiklang ist der Akkord dreier Töne, deren Schwingungszahlen im Verhältnis 4 : 5 : 6 stehen; der Moll-Dreiklang hat das Verhältnis 10 : 12 : 15. Das Wort Klang bezeichnet ein Tongemisch (s. Klang, Klanganalysator). – Die eine Oktave umfassende Reihenfolge der Töne C D E F G A H c mit den verhältnismäßigen Schwingungszahlen 24, 27, 30, 32, 36, 40, 45, 48 heißt die diatonische Dur-Tonleiter, die Reihe C D Es F G As Bc mit den Verhältniszahlen 40, 45, 48, 53,3, 60, 64, 72, 80 heißt die Moll-Tonleiter; von denselben wird die erstere durch das Gesetz des Dur-Dreiklangs, die zweite durch das des Moll-Dreiklangs beherrscht. Das Intervall zweier aufeinander folgender Töne der Tonleiter heißt, wenn es den Wert 8 : 9 hat, ein großer ganzer Ton, wenn 9 : 10, ein kleiner ganzer Ton, wenn 15 : 16, ein halber Ton; die Oktave teilt sich demnach in fünf ganze und zwei halbe Tonintervalle. Das Bedürfnis, zu jedem Ton der Reihe als Grundton nicht bloß die Oktaven, sondern auch die andern harmonischen Intervalle bilden zu können, führt zur Einschaltung weiterer Töne in die Tonreihe, zu den erhöhten und erniedrigten Tönen, welche durch an die Tonbezeichnung angehängtes is bezw. es ihre Bezeichnung finden. Da man bei den musikalischen Instrumenten mit fester Stimmung und beschränkter Tonzahl diesen Ansprüchen der Harmonie nicht voll genügen kann, wendet man die temperierte Stimmung, die Tonreihe der gleichschwebenden Temperatur an, bei welcher nur die Oktaven vollkommen rein, die übrigen Intervalle so ausgeglichen sind, daß die Oktave in 12 vollkommen gleiche Tonintervalle zerfällt, 12 halbe Töne, deren jeder den Wert


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hat, so daß z.B. das G der temperierten Skala 27/12 = 1,49831 erhält statt 1,5 des Verhältnisses des reinen G zum Grundton C = 1. Zusammenwirkende Instrumente müssen auf denselben Grundton gestimmt sein, wobei an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten die Stimmung willkürlich sein kann. Durch einen internationalen Kongreß zu Wien 1886 wurde eine Normalstimmung eingeführt, bei welcher der Ton a1 die Schwingungszahl 435 besitzt. Normalstimmgabeln mit diesem Ton verfertigt z.B.R. König in Paris.

Alle tonerzeugenden Instrumente erzeugen nicht einzelne Töne bestimmter Schwingungszahl, sondern jedes wohl einen vorherrschenden Hauptton, aber begleitet von mehr oder weniger vernehmbaren Nebentönen, teils höheren, den Obertönen, teils manchmal tieferen, den Untertönen, die den Klang des Tones bedingen, die Klangfarbe und Klangfülle je nach dem Instrumente, den Unterschied wohlklingender und unangenehmer Töne, je nachdem die Nebentöne zum Hauptton harmonisch oder unharmonisch sind, die Unterschiede der [595] Vokalklänge, je nachdem die vorherrschenden Obertöne mehr oder weniger hoch sind, vgl. [1], S. 163 ff. und 184 ff.

III. Die Schallerzeugung. Irgendwelche Ursachen, die in der Luft Wellen erzeugen, welche als kurze Verdichtungsstöße das Gehörorgan treffen, erzeugen den Schall. Selbst Windstöße können bei genügend weiter Fortpflanzung ihrer Wellen zu Schallerregern werden (s. Knall). Der Sturm, der sich an den Kanten von Felsen und Gebäuden bricht, gibt Anlaß zu mehr oder weniger regelmäßiger Wellenbildung in der Luft, die wir als Heulen des Windes wahrnehmen. Es sind hauptsächlich Körper im Zustand freier Elastizitätsschwingungen, die dazu geeignet sind, Töne zu erzeugen. Durch die Unabhängigkeit (s. Elastische Schwingungen) der Schwingungszeit elastischer Körper von der Größe des Schwingungsausschlags ist die Unveränderlichkeit der Schwingungszahl der erregten Wellen bedingt. Die wichtigsten tonerzeugenden Instrumente können wir unterscheiden in Saiten, Stäbe, Platten, Membranen, Pfeifen.

Zur Demonstration der Gesetze der Saitenschwingungen dient das Monochord (Einsaiteninstrument). Es gestattet, entsprechend der Formel


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die Abhängigkeit der Schwingungszahl n bezw. der Tonhöhe des Grundtons der Saite von der Länge l durch Erregen verschieden langer Abschnitte, die Abhängigkeit von dem spannenden Gewicht S durch Anhängen verschiedener Gewichte, die Abhängigkeit von der Masse m der Längeneinheit der Saite durch Vergleichung von Saiten verschiedenen Gewichts zu prüfen, bei Erregung von Schwingungen aliquoter Teile der Saite die Knotenpunkte durch aufgesetzte Papierreiter sichtbar zu machen, insbesondere das Mitschwingen einer Saite zu zeigen, wenn in der Nähe deren Grundton oder dessen Oktave oder Quinte ertönt, indem an den Schwingungsbäuchen die Papierreiter abgeworfen werden. Stäbe geben entweder höhere Töne bei Erregung von longitudinalen oder tiefere bei transversalen Schwingungen. Ein an einem Ende eingeklemmter Stab schwingt entweder als halbe stehende Welle mit einem Schwingungsbauch am freien Ende oder er teilt sich in 11/2, 21/2, u.s.w. stehende Wellen. Ein beiderseits freier Stab gibt bei passender Unterstützung in den zu bildenden Knotenpunkten und beim Anstreichen mit einem Violinbogen Transversalschwingungen unter Bildung entweder einer oder zweier oder dreier u.s.w. ganzer stehender Wellen, deren zwei äußerste Knotenpunkte um etwas weniger als je die Hälfte einer stehenden Welle von den schwingenden Enden entfernt sind, so daß entweder zwei oder drei oder vier u.s.w. Knoten entstehen. Für die Schwingungszahl n bei der Bildung von k Knoten, wenn E den Modul der Verbiegungselastizität, d die Dichte des Stabes, a seine Dicke in Richtung der Schwingungen und l seine Länge bezeichnet, besteht die Gleichung [2]:


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Der Grundton und die Obertöne stehen daher im Verhältnis der Schwingungszahlen 9, 25, 49 u.s.w.

Bei den Stimmgabeln liegen die Knotenpunkte in der Nähe der Balis der Zinken in etwa einem Viertel der Länge derselben. Während die Zinken gleichzeitig aus- und einschwingen, macht auch der Bogen Transversalschwingungen, und der Stiel wird daher in Längsschwingungen versetzt, die beim Aufsetzen auf einen Tisch oder Resonanzkasten durch Resonanz eine Tonverstärkung bewirken.

Platten, aus Glas oder Messingblech von quadratischer oder kreisrunder Form geben, in der Mitte festgeklemmt, beim Anstreichen des Randes mit dem Violinbogen, je nachdem der Rand an passender Stelle festgehalten wird, Töne verschiedener Höhe, wobei sich die Platten unter Bildung von Knotenlinien in einzelne stehende Wellen teilen. Durch aufgestreuten Sand, der von den Schwingungsbäuchen abgeworfen wird, werden die Knotenlinien als chladnische Klangfiguren sichtbar. Die Glocken sind Platten, die beim Anschlagen in Transversalschwingungen versetzt werden, unter Bildung von senkrecht zum Rande stehenden Knotenlinien, die den Rand in eine gerade Zahl von Teilen, 4 oder 6, einteilen. Die Membranen machen entweder freie Schwingungen, deren Zahl von ihrer Spannung, Größe und Masse abhängt, oder unfreie Schwingungen, indem sie wie die Platte des Telephons oder die Membran des Phonographen oder auch das Trommelfell des Ohrs bei der Tonwiedergabe Töne verschiedenster Höhe erzeugen, oder sie machen halbfreie Schwingungen, indem ihre Tonhöhe sich den Schwingungen einer Luftsäule anpaßt, wie bei den Stimmbändern des Kehlkopfs oder dem gespannten Fell der Trommel.

Pfeifen sind Röhren, deren umschlossene Luft in longitudinale Schwingungen versetzt werden kann. Man unterscheidet, je nach der Erregungsart, Zungen- und Lippenpfeifen. Bei beiden wird die Luft der Röhre in stehende Longitudinalschwingungen versetzt, deren Tonhöhe von der Pfeifenlänge bezw. von der Länge der in der Pfeife erregten stehenden Wellen abhängt. Bei den ersteren wird durch den erregenden Luftstrom eine metallene Zunge und mittels dieser durch Wirkung der Resonanz die Luftsäule der Pfeife zum Schwingen gebracht, wobei die Zunge, auch wenn sie nicht genau auf den Ton der Pfeife gestimmt ist, sich diesem anpaßt. Bei den Lippenpfeifen erleidet der Luftstrom an einer scharfen Kante der Lippe eine Spaltung unter Bildung von Wellen, deren Schwingungszahl sich dem Wechsel von Verdünnungen und Verdichtungen der Luft anpaßt, die aus dem Innern der Pfeife von den Schwingungsknoten aus reflektiert werden. Für die Art der Bildung der stehenden Wellen in einem Rohre hat man gedeckte und ungedeckte Pfeifen zu unterscheiden. Bei ersteren, die an einem Ende geschlossen sind, hat man stets vor dem offenen Ende einen Schwingungsbauch (Ort hin und her gehender Luftbewegung ohne Verdichtung), am geschlossenen Ende einen Schwingungsknoten (Ort abwechselnder Verdichtung und Verdünnung), so daß die Pfeife von der Länge l gerade wie ein an einem Ende fester, schwingender Stab entweder 1 : n oder 1 + 1 : n oder 2 + 1 : n u.s.w. stehende Wellen bildet, wobei die Zahl n etwas größer als 2 ist. Die Wellenlängen λ der durch eine gedeckte Röhre erzeugbaren Töne sind daher annähernd durch die Werte λ1 = 4 l, λ2 = 4/3 l, [596] λ3 = 4/5 l u.s.w. dargestellt und demgemäß die Schwingungszahlen dieser Töne durch die Formeln n1 = c/λ1, n2 = c/λ2 u.s.w., wobei c die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalls in dem die Pfeife erfüllenden Gase bedeutet. Diesem Verhältnis der Schwingungszahlen 1 : 3 : 5 : 7 u.s.w. entsprechend sind die Obertöne einer gedeckten Pfeife in schlechter Harmonie zum Grundtone; die Verwendung dieser Pfeife in der Tonkunst ist daher möglichst beschränkt. Anders die offene Pfeife, die vor beiden offenen Enden Schwingungsbäuche hat. Je nachdem sich im Innern 1, 2, 3 u.s.w. Knoten ausbilden, ist annähernd λ1 = 2 l, λ2 = l, λ3 = 2/3 l, λ4 = 1/2 l u.s.w. und die Schwingungszahlen der möglichen Töne stehen im Verhältnis 1 : 2 : 3 : 4, so daß eine Reihe von Obertönen zum Grundton in guter Harmonie ist. Durch Löcher in der Rohrwand, die nach Belieben geöffnet oder geschlossen werden können, ist die Bildung der Schwingungsknoten regulierbar, damit die Wahl des Pfeifentons ermöglicht, weil an Stellen offener Löcher im Innern sich nur Schwingungsbäuche bilden können.

Singende Flammen sind Flämmchen im Innern von senkrechten offenen Röhren, die darin einen aufsteigenden Luftstrom erzeugen, der durch die Rückwirkung der Verzögerungen des aufsteigenden Stromes entweder von selbst die Luftsäule in stehende Schwingungen versetzt oder beim Anspielen des der Röhre eigentümlichen Tones zu ertönen beginnt. Die Flamme gerät hierbei in züngelnde Bewegung, die mittels Königs Flammenanalysator, eines rasch rotierenden Parallelepipeds mit spiegelnden Flächen, in Einzelbilder zerlegt werden kann. Solche sensitive Flammen, manometrische Flammen, können auch ohne ein umgebendes Rohr gebildet werden bei richtiger Regulierung der Ausströmungsgeschwindigkeit des brennenden Gases aus einem Gasbrenner. Sie haben ihren Eigenton, der beim Anspielen durch Resonanz erregt wird. Ueber eine besondere Art Pfeifen vgl. Klanganalysator.

Eine nicht bloß für die Schallwahrnehmung, sondern mehr noch für die Lichtwahrnehmung wichtige Folge der zeitlichen Fortpflanzung der Wellen bildet eine nach dem sogenannten Dopplerschen Prinzip zu erklärende Gruppe von Erscheinungen. In einer 1843 erschienenen Schrift [6] hat der österreichische Mathematiker Doppler ein die Erscheinungen der Wellenbewegung betreffendes Gesetz ausgesprochen, das zunächst für die Akustik den Satz liefert: Wenn eine Tonquelle (Pfeife) sich mit der Geschwindigkeit v vom Ohr entfernt, während c die Geschwindigkeit des Schalls ist, so vernimmt das Ohr statt eines Tons von der Schwingungszahl n, wie er von der Tonquelle erzeugt wird, einen Ton von der Schwingungszahl n' = n c : (c + v); bei Annäherung der Tonquelle zum Ohr ist v negativ zu setzen. Im ersteren Fall wird ein tieferer, im letzteren ein höherer Ton gehört. Beim Vorbeifahren einer pfeifenden Lokomotive sinkt also die Höhe des gehörten Pfeifentons um ein der Geschwindigkeit v entsprechen des Intervall. Die sich entfernende Tonquelle sendet nämlich zum Ohr nicht Wellen von der Wellenlänge λ = c : n, wie sie dem Ton der unbewegten Pfeife zukommen, sondern Wellen von der Länge λ = c : n + v : n, größer um den Weg der Pfeife während 1 : n Sekunde. Dieser veränderten Wellenlänge entspricht die veränderte Schwingungszahl n'= c : λ' = n c : (c + v). Ist das Ohr in Bewegung, die Pfeife in Ruhe und ist jetzt v die Geschwindigkeit, mit der das Ohr sich von der Pfeife entfernt, so kommen in der Sekunde n – v : λ Schwingungen zum Ohr, es ist also n' = n – v : λ = n (c – v) : c. Sind Ohr und Pfeife mit den Geschwindigkeiten v1 bezw. v2 in Bewegung, so daß sich deren Entfernung mit der Geschwindigkeit v1 + v2 verändert, so ist n '= n (c – v2) : (c + v1) bei der Entfernung und n' = n (c + v2) : (c – v1) bei der Annäherung. Beim Vorbeifahren der bewegten Pfeife am bewegten Ohr sinkt der Ton um das Intervall (c + v1) (c + v2) : (c – v1) (c – v2). Ueber die Bedeutung des Dopplerschen Prinzips für die astronomische Optik s. Spektralanalyse, über Erweiterungen und Einschränkungen des Prinzips vgl. [7].

Betreffs der Literatur verweisen wir auf die nach Kapiteln geordnete reichhaltige Zusammenstellung von Melde in [2], S. 866–869. An Spezialwerken über das Gebiet der Akustik sind außer [1] noch zu nennen [6], [7] und besonders die neue deutsche Bearbeitung eines populären englischen Buches [5].


Literatur: [1] Helmholtz, H. v., Die Lehre von den Tonempfindungen, 4. Aufl., Braunschweig 1877. – [2] Winkelmann, Handbuch der Physik, I, Breslau 1891. – [3] Blaserna, Die Theorie des Schalls in Beziehung zur Musik, Leipzig 1876. – [4] Radau, Die Lehre vom Schall, 2. Aufl., München 1880. – [5] Tyndall, J., Der Schall, deutsche Ausgabe von A. v. Helmholtz und Cl. Wiedemann, 3. Aufl., Berlin 1897. – [6] Doppler, Ueber das farbige Licht der Doppelsterne, Abhandl. der Kgl. böhm. Akad. der Wissensch., 5. Folge, Bd. 2, 1843. – [7] Schmidt, A., Die Erweiterungen des Dopplerschen Prinzips, Physikal. Zeitschr. 1906, S. 323.

A. Schmidt.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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