Glas

Glas

Glas, vollkommen amorphe Masse, im wesentlichen aus Verbindungen der Kieselsaure mit mindestens zwei Basen (an Stelle der Kieselsaure tritt auch Borsäure oder Fluor, neben die Basen auch Baryt und die Oxyde von Thallium, Wismut, Zink, ferner Eisen, Blei u.s.w.) bestehend. Die Herstellung des Glases ist schon seit den ältesten Zeiten bekannt; es ist jedoch nicht nachweisbar, wo und wann es zuerst bereitet worden ist [1].

Die ältesten Gläser stammen aus Aegypten, wo die Kunst Glas zu schmelzen und zu blasen eine verhältnismäßig hohe Stufe erreicht hatte. Die wesentlichen Bestandteile des Glases, wie auch die färbenden Zusätze, sind heute noch dieselben geblieben wie in den ältesten Zeiten, nämlich Kieselsaure, Kalk sowie Alkalien, und zwar in den beiden Formen Kalium und Natrium; außerdem enthält fast jedes Glas Tonerde in wechselnden Mengen. Die Rohstoffe, mittels welcher die genannten Grundbestandteile in das Glas eingeführt werden, haben entweder, wie der Sand und Kalk, nicht gewechselt oder sie sind zufolge der Entwicklung der chemischen Großindustrie andre geworden, was besonders von den Alkalien gilt. Die färbenden Mittel sind, wie vor alters, Metalloxyde, zum Teil sind sie auch organischer Natur. Da zum Glasschmelzen ein hoher Hitzegrad benötigt wird, zu dessen Erzeugung den ältesten Völkern die entsprechenden Einrichtungen fehlten, so war hierdurch die Entwicklung der Glaserzeugung eine dem niederen Stand der damaligen Feuerungstechnik entsprechend beschränkte; erst mit den heutigen Fortschritten jener ließ sich die hohe Stufe der jetzigen Vervollkommnung erreichen.

Rohmaterialien. Der Hauptbestandteil (bis zu 75%) eines jeden Glases ist Kieselsaure, wobei wir von solchen Gläsern absehen, in welchen Borsäure und Phosphorsäure an ihre Stelle treten. Zu allen Glassorten, die auf dem Wege der Massenerzeugung hergestellt werden, wie Tafel- Flaschen-, Hohlglas, wird die Kieselsaure in Form von Sand in das Glas eingeführt, auch für die Erzeugung feinerer Glassorten bildet der Sand das hauptsächlichste Rohmaterial, gegenüber welchem der schwer zu zerkleinernde Quarz und Feuerstein an Bedeutung zurücktreten. Der Reinheitsgrad des Sandes wird bedingt durch den Verwendungszweck, dem die herzustellende Glasart dienen soll. Bessere Glassorten erfordern einen von färbenden Bestandteilen und zwar vor allem von Eisenoxyd möglichst freien Sand. Die reinsten Sande kommen vor in der Umgebung von Hohenbocka in der Lausitz mit 99,93% Kieselsaure und 0,0139% Eisenoxyd, ferner in der Kampine in Belgien mit 99,37% Kieselsaure und 0,003% Eisenoxyd, wie auch in einigen andern Gegenden Deutschlands, so bei Herzogenrath und Rhoisdorf in den Rheinlanden. Der seine, reine Glassand ist ein selten vorkommendes, sehr geschätztes Material, das den Glashütten für seine Glassorten oft aus großer Entfernung zugeführt werden muß, was z.B. für Oesterreich-Ungarn gilt, wo es an Sanden von entsprechender Reinheit fehlt, und wohin aus der Gegend von Hohenbocka eine Einfuhr von Tausenden Waggonladungen jährlich stattfindet [2]. – Mehr oder weniger eisenhaltiger Glassand findet sich in allen Oberflächenschichten des Tertiärs Deutschlands verbreitet, und dient ersterer je nach der Höhe seines Eisengehaltes zur Herstellung obengenannter Massenartikel, bei denen eine von ihrem Verwendungszweck abhängige geringe Grünfärbung, die erst in dicken Glasschichten dem Auge deutlich erkennbar wird, zulässig erscheint, wie bei dem Tafel- und Weißhohlglas. Zur Fabrikation des gewöhnlichsten Rohglases, wie der Flaschen und Ballons, hingegen dienen eisenschüssige Sande, ja oft müssen bei zu geringem Eisengehalte des Sandes zwecks Hervorbringung des hier erwünschten, ja erforderlichen grüngelben Farbentons dem Glasgemenge Zuschläge von Roteisenstein und Braunstein gegeben werden. Unsre bedeutendsten Flaschenfabriken aber, die zum Ersatz des teuern Glaubersalzes zwecks Einführung der Alkalien vulkanische Gesteine, wie Pechstein, Trachyt und Phonolith, verwenden, führen auf diese Weise einen bedeutenden Anteil der erforderlichen Kieselsaure in das Glas ein. Abgesehen von England und einigen andern Ländern, wo entweder von alters her übernommene Gewohnheit mitspricht oder wo es an geeigneten Sanden fehlt und[541] daher Feuerstein oder Quarz die benötigte Kieselsäure liefern, dürfte allgemein der Sand die zur Einführung von Kieselsäure benutzte Form sein. Die Anwendung von vulkanischen Gesteinsarten ist beschränkt auf die Herstellung gewöhnlichen Hohlglases und ausgeschlossen bei der Erzeugung solcher Glasarten, deren Verwendungszweck eine mehr oder weniger große Farblosigkeit wie beim Tafelglas voraussetzt. Bei der Verwendung von vulkanischen Gesteinsarten wird nicht nur ein geringerer Aufwand von Brennmaterial erzielt, weil lediglich die zum Schmelzen der Silikate erforderliche Wärme aufgewendet werden muß, der zur Silikatbildung nötige Wärmeaufwand aber fortfällt, sondern es werden auch die Umfassungswände der Glaswanne geschont und eine erheblich längere Dauer der letzteren erzielt. Dabei hat sich die Grünhohlglasindustrie auf die Anwendung natürlicher Silikate beschränkt oder hat auch hier und da Hochofenschlacke als Zuschlag zum Glasgemenge benutzt. Dieses erscheint jedoch weniger vorteilhaft in Hinsicht auf den geringen Alkaligehalt jener, der bei den vorerwähnten vulkanischen Gesteinsarten zwischen 11–14% sich bewegt und eine beträchtliche Ersparnis gegenüber der Benutzung des Glaubersalzes bedeutet. Es ist indessen ein völliger Ersatz des letzteren durch jene deshalb nicht zulässig, weil der so gewonnene Glasfluß wegen seiner Anreicherung an Tonerde derartig zähflüssig werden würde, daß die Verarbeitung auf Schwierigkeiten flößen müßte. Anderseits ist eine Anreicherung des Glases an Tonerde erwünscht, weil es an Zähigkeit und Haltbarkeit [3] gewinnt; es hängt somit die Höhe des Zusatzes an jenen Gesteinen ab von der Möglichkeit, den Glasfluß – das Rohmaterial des Glasmachers – noch genügend rasch verarbeiten zu können, was weiterhin abhängig erscheint von der in den Glasöfen erreichbaren Schmelzhitze.

Kalk kommt entweder als natürlicher kohlensaurer Kalk, d.h. als Kreide, Mergel, roher Kalkstein, oder aber und zwar seltener als gebrannter oder zerfallener Kalk in Anwendung. Im ersteren Fall wird die zum Austreiben der Kohlensäure erforderliche Wärmemenge der Glasofen hergeben müssen, welcher Wärmeaufwand im andern Falle bereits seitens des Kalkbrennofens geleistet worden ist. Eine Durchmischung des in der Bildung begriffenen Glasflusses durch die nach der Oberfläche zu entweichenden Kohlensäurebläschen ist in Hinsicht auf seine Homogenisierung unter Umständen sehr nützlich. Die natürlich vorkommenden kohlensauren Kalksteine verhalten sich hinsichtlich ihrer Zerlegbarkeit in der Glasschmelze ebenso verschieden wie beim Brennen im Kalkofen, und können durch Benutzung ungeeigneter Kalksorten die Ofenanlagen in ganz kurzer Zeit einer frühzeitigen Zerstörung ausgesetzt werden. Aus diesem Grunde und wegen der bereits natürlich vorhandenen seinen und lockeren Verteilung, die dem dichten natürlichen Kalkstein auf dem Wege der mechanischen Zerkleinerung nicht in gleichem Maße gegeben werden kann, greift die Massenfabrikation der Glasindustrie zur Verwendung von Kalktuff, mergeligen Kalkarten, wie Wiesenmergel, die überdies oft den Vorteil haben, in das Glas Tonerde einzuführen, die besonders dort willkommen ist, wo örtliche Verhältnisse die Einführung solcher in Form tonhaltiger Sande oder feldspathaltiger Gesteinsarten nicht zulassen. Die Herstellung völlig farbloser Gläser in ihren verschiedenen Verwendungszwecken bedingt jedoch die Einführung des Kalks als reinsten natürlichen Kalkspat oder gefällten kohlensauren Kalk. Für manche Zwecke, bei denen es darauf ankommt, dem Glase einen erhöhten Glanz zu verleihen, oder wo es gilt, ihm bestimmte für ihr chemisches und physikalisches Verhalten erforderliche Eigenschaften zu geben, ersetzt man den Kalk durch Baryt, den man als Witherit oder als gefällten kohlensauren Baryt, wie letzterer bei der Zerlegung von Schwefelbaryum durch Kohlensäure gewonnen wird, anwendet. Der Ersatz der Karbonate der alkalischen Erden durch die entsprechenden Sulfate erscheint deshalb unzweckmäßig, weil die Zerlegung durch Kieselsäure selbst unter Zusatz von Kohle eine unvollkommene ist und sich ein Bruchteil der Sulfate der Aufschließung entzieht, um sich als Galle auf dem Glasfluß abzuscheiden [4].

Die Alkalien wurden in früheren Zeiten entweder in rohester Form, nämlich als Buchenasche, später in der hieraus gewonnenen Pottasche, aber auch als Kochsalz und als natürlich vorkommende Soda (Barillasoda) sowie als Pfannenstein [5] der Salinen dem Glasgemenge zu gesetzt. Die Anwendung der Pottasche ist zur Herstellung der Kaligläser, so zur Erzeugung von sogenanntem Halbkristall, noch heute erforderlich. Die Einführung von Natrium in Gestalt des Kochsalzes, wie sie in manchen rückständigen Glashüttenbetrieben noch hier und da geschieht ist die denkbar unvorteilhafteste. Der größte Teil des Kochsalzes entzieht sich nämlich der Zerlegung mit nachfolgendem Eingehen des Natriums in den Glasfluß, weil Kochsalz bereits bei 780° vergalt und so gar keine Gelegenheit findet, sein Natrium dem Glase zukommen zu lassen. Erst die Weiterentwicklung der Sodaindustrie ermöglichte eine beträchtlichere Verwendung der Soda in der Glasindustrie, und wird noch heute in der Glasindustrie der Vereinigten Staaten Nordamerikas allgemein Soda benutzt, während in Europa bereits seit Mitte des vorigen Jahrhunderts das billigere Glaubersalz an ihre Stelle getreten ist. Bleioxyd wird in Form von Mennige, dem reinsten der Oxyde, für die hochfeinen, hellklingenden Trinkgläser und für die Erzeugung von böhmischem Kristallglas angewandt.

Entfärbungsmittel. Die Glasmasse zeigt selbst bei reinen weißen Sanden im Falle des geringen Eisengehaltes einen mehr oder weniger gelbgrünen Farbenton. Um letzteren möglichst zu beseitigen, fügt man zur Kompensation Mittel hinzu, die jenen bis zur Farblosigkeit ausgleichen. Seit alters her diente als solcher Braunstein; da aber leicht das nachträgliche Auftreten eines schwach violetten Farbentons in mit ersterem entfärbtem Glas auftritt, verwandle man Nickelverbindungen, die indessen wieder den Nachteil aufweisen, daß das hiermit entfärbte Glas leicht einen grauen Farbenton erhält. Beide Mittel sind seit den letzten Jahren durch die Anwendung von Selenverbindungen in den Hintergrund gedrängt worden, oder es wird, um die Menge des zuzusetzenden Selens möglichst gering zu halten, die Entfärbung bis zu einem gewissen Grade mit Braunstein oder Salpeter bewirkt und mit Selen vollendet. Auch der weit e Arsenik dient seit alters her als Reinigungsmittel. Er klärt, schönt die Glasmasse, verflüchtigt sich vollständig und wird, wie auch der Braunstein, von den alten Glasmachern »Glasmacherseife«[542] genannt. Das Antimon dient in Form von grauem Schwefelantimon, noch besser als Antimonoxyd, weniger als Entfärbungsmittel als zum Zweck, dem Glase einen hohen Oberflächenglanz, den auch die Selenverbindungen [6] bewirken, zu verleihen.

Flußspat wird in ziemlich großen Mengen besonders in der Flaschenfabrikation dem Gemenge als Flußmittel zugesetzt. Nach Benrath setzt sich der Flußspat während des Schmelzprozesses in folgendem Sinne mit der Kieselsäure des Sandes um: SiO2 + 2(CaFe2) = SiFe4 + 2CaO. Letzteres geht in dem Glasfluß ein, während SiFe4 mit den Abhitzegasen in dichten weißen Nebeln entweicht.

Die Anfertigung des Gemenges, d.h. die Mischung der Rohmaterialien, erfolgt in der Gemengestube bezw. dem Gemengehause der Glasfabriken im Sinne der heutigen Entwicklungsstufe. Dem Gemenge wird ein Gemengesatz zugrunde gelegt, der das für den jeweiligen Zweck richtige Mischungsverhältnis der Rohmaterialien darstellt. Kleine Betriebe behelfen sich mit den einfachsten Hilfsmitteln zur Vornahme der Mischung, die dann von Hand geschieht.

Die moderne Großindustrie des Glasgewerbes wendet zur Zerkleinerung der Rohmaterialien und zur Bereitung des Gemenges die Hilfsmittel unsrer heutigen Zerkleinerungstechnik an und bedient sich zur Mischung der passend zerkleinerten Rohmaterialien mancherorts auch mechanisch betriebener Abmeßvorrichtungen und Mischtrommeln. Je größere Ansprüche an eine Glasart hinsichtlich Farblosigkeit und Homogenität gestellt werden, um so seiner müssen die Rohmaterialien pulverisiert und um so inniger müssen sie durchmischt werden. Selbst in größeren Betrieben; z.B. in denen der Aktiengesellschaft für Glasindustrie vorm. Fr. Siemens in Dresden, sind die Gemengehauseinrichtungen rückständig und nicht dem heutigen Stand der Technik entsprechend.

Die Glasöfen und der Schmelzvorgang [7]. Das Schmelzen des Gemenges erfolgt in den sogenannten Glasöfen, die im wesentlichen mit den Flammöfen (vgl. a. Oefen, metallurgische) identisch sind. Die Glasschmelzhäfen stehen in freiem Ofenraum auf sogenannten Bänken und werden so vom Feuer rings umspült, das über deren Oberfläche hinweg schlägt und sodann durch die über jedem Hafen in der Ofenwand angebrachten Arbeitslöcher direkt, ohne den Schornstein zu passieren, in den Hüttenraum gelangt. – Die sogenannten Hafenöfen sind im Grundriß entweder kreisförmige oder oblong gestaltete, durch eine Gewölbedecke geschlossene Schmelzräume, auf deren Sohle ein Stabrost mit weit voneinander stehenden Stäben ruht. Zur Seite des Rostes stehen auf den Bänken die Schmelzhäfen, dicht aneinander und so geordnet, daß die Feuergase sie intensiv umspülen. Die Decke hat vom Feuer viel auszuhalten; ihr Gestein darf nicht abbröckeln, sonst verunreinigt es die Glasmasse. Am zweckmäßigsten Hellt man sie daher aus Schamottemasse oder aus Dinasstein her.

Einen der wesentlichsten Punkte des Hüttenbetriebes bildet die Beschaffenheit der Häfen; sie müssen lange im Ofen aushalten, dürfen weder springen noch von dem schmelzenden Gemenge chemisch angegriffen werden. Man Hellt sie aus sogenannter Schamottemasse her, einem Gemisch aus möglichst feuerfestem Ton (z.B. von Großalmerode) und gepulverten Scherben alter Häfen. Sie werden von Hand gefertigt und höchst sorgsam an warmer Luft getrocknet, worüber oft bis ein Jahr verstreicht. Die Häfen werden kurz vor dem Gebrauch in einen besonderen Anwärmeofen zum Glühen und dann glühend in den Glasofen gebracht, eine sehr schwierige, größte Umsicht erfordernde Arbeit. Die Häfen fassen in den gewöhnlichen Hohlglashütten 40–70 kg Glasmasse. Wesentlich größer ist der Inhalt der Häfen für Fensterglas, vor allem für die Schmelzung und Gießung des Spiegelglases. Von den Häfen mittlerer Größe pflegen die gewöhnlichen Glasöfen 6–10 zu bergen. – Wie schon oben bemerkt, sind die Häfen der Regel nach oben offen; die Flamme bestreicht auch die Glasoberfläche, entweicht dann aus dem Arbeitsloch. Da diese Gase das Bleiglas schwärzen (reduzieren) würden, so muß man die Schmelzgefäße für die genannte Glassorte durch helmartige Aufsätze überdecken.

Das Gemenge wird bei den Hafen- sowie den Wannenöfen partienweise eingetragen. Dazu dienen Schaufeln aus starkem Blech. – Das von der heißen Schmelzgefäßwand berührte Gemenge beginnt alsbald zu erweichen und unter starkem Schäumen zu schmelzen. Man füllt, wenn letzteres nachgelassen, die Restpartie allmählich nach. Alsbald kommt die ganze Masse in schäumenden Fluß und steigt oft bis zum Tiegelrande. Das Schäumen wird bewirkt durch die aus dem Gemenge entweichenden Dämpfe und Gase. Nach und nach mindert sich das Schäumen, die Schmelze beruhigt, klärt sich. Kleinere Blasen bekunden die baldige Endigung der chemischen Vereinigung der Kieselsäure mit dem Kalk und dem Alkali. In diesem Stadium hat man die Ofenhitze möglichst zu steigern, damit das Glas tunlichst dünnflüssig wird, auch die seinen Blasen entläßt, durchsichtig, »blank« wird. Häufig taucht man bei diesem Stadium eine Kartoffel ein; die entwickelten brausenden Dämpfe sammeln die kleinen Blasen und entweichen mit ihnen. Man nennt dies Polen oder auch Blasen. – Eine bei reinen Materialien verschwindend kleine Oberflächenhaut unreinen Glases, die sogenannte Glasgalle, wird abgenommen. – Nachdem das Blankschmelzen erreicht ist, mindert man das Feuer (Kaltschüren, Abstehen), bis die Masse Sirupkonsistenz angenommen hat, weil das dünnflüssige Glas, wegen zu geringer Anhaftung an der Pfeife, sich nicht verarbeiten läßt. Nun erst beginnt das sogenannte Ausarbeiten, die Arbeit der Bläser. Sie verlassen den Arbeitsplatz erst nach totaler Entleerung der Häfen.

So hervorragend die Vervollkommnungen sind, welche die Glasindustrie auf ihren verschiedenen Gebieten im Laufe der letzten Jahrzehnte erfahren hat, so wenig haben sich die Vorrichtungen zur Bereitung der Glasmasse selbst seit Einführung der Regenerativgasfeuerung durch Fr. Siemens in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts geändert. Dieses Verfahren benutzt bekanntlich einräumige Luft- und Gaserhitzer unter wechselweiser Flammenführung, während außerdem auch zweiräumige Lufterhitzer – Rekuperatoren – unter Anwendung konstanter Flammenführung ohne gleichzeitige Vorwärmung des Gases durch Nehse, Ponsard, Rénard, Lürmann, Dralle u.a. eingeführt wurden. Während letzteres Verfahren seltener zur Beheizung von Hafenöfen benutzt wird und meist nur an Wannen Anwendung findet, wird[543] das Regenerativgassystem hauptsächlich auch zur Beheizung von Hafenöfen verwendet und hat somit eine weit ausgebreitetere Anwendung erfahren, die sich wie 6 : 1 gegenüber dem Rekuperativsystem verhält. – Bei richtiger Konstruktion und Behandlung der Anlage eignet sich indessen das Rekuperativsystem ebensogut für den Betrieb von Hafenöfen als das Regenerativsystem. Die Bedeutung der Einführung der Gasheizung in die Glasindustrie beruht neben der beträchtlichen Brennstoffersparnis, die sich für Steinkohlen gegenüber der direkten Feuerung wie 1 : 3 im Mittel stellt, in der Möglichkeit, den Behältern zur Herstellung der Glasmasse, indem man den Ofenherd selbst als Behälter der schmelzenden Masse benutzte, bedeutend größere Dimensionen geben zu können, und wurde so der Anlaß, kontinuierlich arbeitende Glaswannen zu schaffen, die geeignet sind zur Herstellung solcher Mengen Glasmasse, wie sie die Fabrikation von Massenartikeln, wie Flaschen und Fensterglas, erforderlich machen. Auf diesem Standpunkt der Entwicklung sind die Heizanlagen der Glasindustrie stehen geblieben, und stellt die Beschaffenheit des Glases der Anwendung solcher Feuerungsvorrichtungen, die eine bessere Ausnutzung des Heizwertes der Brennstoffe gestatten, Schwierigkeiten entgegen, die nicht leicht zu überwinden sind. – Ueber das Regenerativsystem von Siemens s. Feuerungsanlagen, S. 14–15. – Ob es in ähnlicher Weise gelingen wird wie in der Eisenindustrie, die Dienste der Elektrizität der Schmelztechnik des Glases nutzbar zu machen, und zwar zur Erzeugung von Massenartikeln, erscheint sehr fraglich.

Wie schon erwähnt, nimmt das ursprünglich von Fr. Siemens ersonnene Regenerativsystem in seiner Anwendung auf die Glasöfen die größte Verbreitung in Anspruch. Das in den Gaserzeugern bereitete Schwelgas wird zunächst in die Wärmespeicher geleitet, um sich bis auf die Temperatur der glühend heißen Gittersteine, mit welchen jene ausgesetzt sind, zu erwärmen, um dann durch eine Anzahl bei diesem Wannensystem an den Längsseiten der Schmelzwanne angeordnete Brenner in die letzteren zu treten, nachdem es sich kurz vor dem Eintritt in die Wanne mit der zur Verbrennung nötigen Luft, welche zuvor auf gleiche Weise in einem andern Wärmespeicher erwärmt worden ist, gemischt hat. Die heißen Verbrennungsgase entweichen aus einer Anzahl gegenüber auf der andern Längsseite der Schmelzwanne befindlichen Abhitzefüchsen nach einem zweiten System von Wärmespeichern und erhitzen die darin befindlichen kalten Steine, die durch passende Umstellung des Gas- und Luftstroms Gase und Verbrennungsluft wieder erhitzen, bei welchem Vorgang diesesmal die Abhitzefüchse und Brenner der Wanne im umgekehrten Sinne dienen. Die Glaswanne selbst wird gebildet aus einer Ofensohle, bestehend aus 3/4-1 m im Geviert großen und 25–30 cm starken Schamotteblöcken, und zwar ist die Glaswanne über den unter Flur liegenden Wärmespeichern angeordnet. Auf dem durch Kühlkanäle von unten kalt zu haltenden Wannenboden baut sich die aus 1/2 m breiten Blöcken, die wie das gesamte Wannenmaterial aus hochfeuerfestem Schamotte bestehen, gebildete Umfassungswand auf. Letztere ist bei den Flaschenglaswannen 1 m, bei den Fensterglaswannen aber 13/4-11/2, ja bei den von Gobbe errichteten bis zu 2 m hoch, so daß bei einer äußeren Länge von 10–12 m und einer Breite von 5–7,5 m die Flaschenglaswannen 120–180 t Glas, die Fensterglaswannen aber bei der schon erwähnten Tiefe und einer äußeren Breite von 3,5–5 m und einer Länge von 20, ja – in den Vereinigten Staaten von Nordamerika – bis 30 m und darüber, bis 700 t Glas fassen. Ueberspannt wird dieser gewaltige Ofenraum von einem nur 25 cm starken flachen Gewölbe aus Dinassteinen, das seitlich von mächtigen feuerfesten Widerlagsteinen getragen wird. Diese sind eisernen Konsolen aufgelagert, die an den die Längsseiten der Wannen umfassenden, zur Verankerung des Gewölbes dienenden Glas-Trägern fest verschraubt sind, so daß seitlich das flache, eine je nach dem Verwendungszweck der Glaswanne 3,5–8 m Spannweite aufweisende Gewölbe fest darin eingespannt erscheint, während es, den Arbeitsraum, aus dem – wie wir unten sehen werden – das Glas seitens der Glasmacher entnommen wird, kuppenförmig überwölbend, vorn von den die Schaff- oder Arbeitslöcher einfassenden Schamottesteinen getragen wird. Während nun die randvoll mit Glas gefüllte Wanne ununterbrochen durch die bei dem Regenerativsystem seitlich angeordneten Brenner, die bei den nach dem Regenerativsystem errichteten Glaswannen an der dem Arbeitsraum entgegengesetzten Schmalseite der Stirnwand der Wanne liegen, beheizt wird, derart, daß aus den Brennern durch vorherigen Luftzutritt bis auf 950° C. erhitzte Luft zum Schwelgas entstandene Gasflammen treten, in gewaltigem Zuge den Raum zwischen Glasspiegel und Ofengewölbe durcheilen, um dann aus den Abhitzefüchsen zu entweichen, wird seitens der Glasmacher mittels der Pfeifen ständig Tag und Nacht das feurigflüssige Glas der Arbeitswanne zur Weiterverarbeitung entnommen. Auf der Oberfläche des Glases, 2/3 darin eintauchend, schwimmen hinter den Schafflöchern etwa 3/4 m lange und 1/2 m breite nachenförmige, wie das Ganze in Weißglut befindliche Schamottebehälter, »die Schiffchen«, aus denen die Glasmacher die Glaspost entnehmen. An Stelle der Schiffchen dienen auch, so bei den Fensterglaswannen, bis 1 m im Durchmesser aufweisende, auf dem Glas schwimmende Schamotteringe oder Kränze. Das Glas strömt, dem hydrostatischen Zuge folgend, der durch das beständige Herausarbeiten entsteht, in das Schiffchen durch eine an seiner Rückseite gelassene Oeffnung, passiert noch einen oder mehrere Stege und erfährt so eine innige Durchmischung, ehe es zur Verarbeitung gelangt. Bei den Flaschenglaswannen befinden sich zwischen Schiffchen und dem im hinteren Raum der Wanne befindlichen Gemengehaufen die Schamottekränze, welche, in das Glas eintauchend, darauf in spitzen Haufen schwimmen. Das frisch abgeschmolzene Glas wird so gezwungen, auf seiner Wanderung bis zu dem Schiffchen die vielen Kränze zu umspülen, wodurch eine innige Durchmischung des Glases erreicht wird. Würde man diese Vorsicht nicht beachten, so würde das Glas sich nach der spezifischen Schwere der einzelnen Glasschichten absondern, und die Flasche u.s.w. würde »Schlieren« und »Wellen« zeigen; auch werden Unreinigkeiten, unausgeschmolzene Gemengeteilchen hierdurch zurückgehalten, welchem Zwecke bei den Fensterglaswannen auch schwimmende, quer durch die Wanne aus Schamotte auf das Glas gelegte und hierin eintauchende Stege dienen.

[544] Betriebszweige. Gewöhnlich teilt man die Glaswaren in Tafel- und Hohlglas ein, bei welcher Einteilung gegossenes Spiegelglas zu ersterem und gepreßtes Glas, sofern es sich nicht um gepreßte Tafeln handelt, zu letzterem zählt.

Tafelglas [8]. Es handelt sich entweder um geblasenes oder gegossenes Tafelglas, ersteres – Tafelglas im engeren Sinne – dient als Fenster- und Scheibenglas sowie zu geblasenen Spiegeln, letzteres hauptsächlich zu Spiegelscheiben größerer Abmessungen.

Das geblasene Tafelglas, den Hauptphasen seiner Verarbeitung zufolge auch Streck- oder Walzenglas genannt, wird in folgender Weise hergestellt. Der Glasbläser entnimmt mittels einer stählernen 1,2–1,5 m langen Röhre von 4–6 mm innerer Weite mit keulenförmig verdicktem Ende eine entsprechende Menge des zähflüssigen Glases aus dem Glashafen oder der Wanne. Er bringt die 4–10 kg betragende Glaspost durch Rollen und Hinundherwälzen – Marbeln – auf einer glatten gußeisernen Platte an das äußerste Ende der Pfeife. Nachdem durch kräftiges Hineinblasen in das Mundstück der bis 10 kg schweren Pfeife, an deren Ende die ein gleiches Gewicht aufweisende Glasmasse sitzt, letztere zu einer birnförmigen Masse aufgeblasen worden ist, treibt diese der Glasmacher durch abwechselndes Blasen und Hinundherdrehen in einem rund ausgehöhlten, feucht gehaltenen Holzklotz, dem Wülkerklotz, unter gleichzeitigem Streichen mit einem nassen Holz zu einem Glasball auf, wobei er seinen oberen Teil, welcher der Pfeife unmittelbar aufsitzt, derart erweitert, daß jener angenähert die Gestalt einer Eichel annimmt. Durch Hineinblasen in die aufrecht gehaltene Pfeife mit daranhaftendem Glasball wird diesem eine glattere, abgeflachtere Form gegeben. Die Glasmasse ist bei dieser Formgebung so weit abgekühlt, daß sie zur weiteren Verarbeitung mittels der Pfeife in einem beheizten Nebenöfen – der Trommel – zuvor wieder angewärmt werden muß, worauf sie der Glasmacher unter pendelförmigem Hinundherschwenken und zeitweiligem Hineinblasen in die mit dem daranhängenden Glasball nach unten gehaltene Pfeife zu einer an beiden Enden halbkugelig geschlossenen Walze von etwa 60 cm Länge und 30 cm Durchmesser aufbläst. Der Glasbläser steht auf einer den Ofen zum Teil umgebenden Arbeitsbühne, deren Aussparungen die zu dem eben beschriebenen Aufblasen dienenden Schwenkgruben bilden. Nachdem mittels eines Hefteisens ein Klümpchen dünnes Glas auf die Stelle der Walze gebracht ist, wo letztere die untere Wölbung bildet, bläst der Glasmacher stark in die Pfeife hinein, hält das Mundloch mit dem Finger zu und hält die Walze in die beheizte Trommel. Die sich ausdehnende Luft sprengt die weichste Stelle der Walze, also dort, wo das Klümpchen heißer Glaspost sitzt, auf und entweicht mit schwachem Knall. Mittels der Auftreibschere wird die Oeffnung unter beständigem Drehen der Walze erweitert, von der Pfeife abgesprengt und in letzterer Weise auch die entgegengesetzte Wölbung entfernt. Die Walze wird nun der Länge nach entweder aufgeschnitten oder, sofern sie aus dickwandigerem Glas besteht, aufgesprengt, worauf sie in den Streckofen gelangt, um auf der Sohle – der sorgsam geglätteten und polierten Streckplatte – so gelagert zu werden, daß der Sprung sich oben befindet. Durch vorsichtiges Anwärmen bis zum Erweichen des Glases wird die Walze unter entsprechender Behandlung mit dem Streckeisen zu einer ebenen Tafel ausgestreckt, die im unmittelbar am Streckofen anstoßenden Kühlofen vorsichtig abgekühlt wird. Ein guter Glasmacher kann in 91/2 stündiger Arbeitszeit etwa 100 Walzen mittlerer Größe herstellen, was einer Fläche von 116 qm entspricht. – In den Vereinigten Staaten Nordamerikas bereitet sich seit den letzten Jahren eine Umwälzung in der eben geschilderten Herstellung der Glaswalzen vor, die im wesentlichen darin beruht, daß nach J.H. Lubbers Vorgang [9] das Ausheben einer mittels der Glasmacherpfeife angefangenen Glaspost auf mechanischem Wege erfolgt, derart, daß von unten in letztere Druckluft im Augenblick ihres Aushebens tritt, sie zu einem Zylinder aufblähend. Zur Entnahme des flüssigen Glases ist der Glaswanne ein mit ihr zusammenhängender Behälter angebaut. Es wird durch diese Neuerung ein Teil der komplizierten und mühsamen Handarbeit des Glasmachers auf mechanischem Wege vollzogen, und bedeutet erstere einen großen Fortschritt auf dem Gebiete der Glasverarbeitung, falls sie festen Fuß faßt. – Die Glasmasse wird angenähert aus 100 Teilen Sand, 25–33 Teilen Kalk, 33 Teilen Sulfat und 1,5 Teilen Koks verschmolzen; in den Vereinigten Staaten Nordamerikas nimmt man an Stelle des Sulfats Soda. Die Zusammensetzung des Fensterglases ist angenähert: Kieselsäure 73–74%, Kalk 13–14% und Na2O 11–12%. – Die Fensterglasindustrie ist auf die Steinkohlendistrikte angewiesen, zu denen die Kohlenreviere der Ruhr, der Saar, Oberschlesiens, in Belgien der Bezirk von Charleroi zählen.

Spiegelglas. Die Spiegelglasfabrikation erfordert einen noch beträchtlicheren Betriebsumfang wie die Herstellung des Fensterglases. Die Fabrikation zerfällt in zwei Teile: das Schmelzen und nachfolgende Gießen des Glasflusses und das Schleifen der gegossenen Platten, woran sich zwecks Herstellung der eigentlichen Spiegel noch das Belegen oder eine anderweitige Bearbeitung schließen kann. Als Hilfsbetriebe gesellen sich dann noch die sogenannte Gemengefabrikation und die Anfertigung des Schamottebedarfs, insbesondere der Glashäfen, hinzu, von andern Nebenbetrieben ganz abzusehen. Die bis zu 500 kg Glasmasse fassenden Häfen werden mittels fahrbaren, meist elektrisch angetriebenen Kranes nach den Gießtischen befördert; ihr Inhalt wird auf die blank polierte Eisen- oder Bronzeplatte der letzteren gegossen und nun mittels einer Metallwalze von einem Gewicht, das in dem Betriebe von St. Gobain 25000 kg erreicht, zu einer Glastafel ausgewalzt. Letztere wird auf einen in der Verlängerung des Gießtisches befindlichen Plateauwagen geschoben und mit diesem in die Kühlofenhalle befördert. An den Längsseiten dieser befinden sich zahlreiche Kühlöfen, deren Ofensohle mit dem Plateau der Förderwagen bündig ist. Die noch rotglühende, aber oberflächlich bereits erstarrte Platte wird in den Kühlofen geschoben, welcher nach entsprechender Füllung geschlossen und nun einer allmählichen Abkühlung unterworfen wird. Die erkalteten Platten werden wieder auf Plateauwagen geschoben, wozu man sich häufig elektrischen Antriebes bedient, und nach den Schleifhallen befördert. Hier befinden sich sinnreich konstruierte Schleiftische mit bis zu[545] 8 m Durchmesser auf weisenden runden Schleiftellern, auf welchen die auf beiden Flächen unebenen Glasscheiben aufgegipst werden, um nun durch den gleichzeitigen Rundgang einer darüber befindlichen oberen Scheibe, deren Bewegung sich langsamer wie die der unteren vollzieht, unter der Einwirkung feucht gehaltenen Sandes in zuerst grober, dann immer feinerer Körnung geschliffen zu werden. Das Glanzschleifen oder die Politur der Oberfläche wird auf den den Schleifmaschinen ähnlichen Poliermaschinen, auf welchen mit feinstem Filz bekleidete Holzpuffer laufen, unter Zusatz von feinstem Schmirgel und geschlämmtem Eisenrot vollzogen. Da wo beide Oberflächen der Tafel geschliffen werden müssen, muß natürlich die untere Fläche der Platte in gleicher Weise bearbeitet werden. Das Belegen der einen Oberfläche mit einer Spiegel- und Metallschicht geschieht durch Ausbreiten einer Stanniolschicht auf die horizontal gelegte Platte, worauf Quecksilber auf jene gegossen und der Ueberschuß des nicht mit dem Zinnamalgamierten Quecksilbers durch Schwaches Neigen der Tafel abgegossen wird. Den Bemühungen Schönlanks in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist es hauptsächlich zu verdanken, daß das gesundheitsschädliche Belegen der Spiegel mit Quecksilber verlassen wurde und an seine Stelle die Silberbelegung getreten ist.

Zur Tafelglasfabrikation zählt auch die Herstellung des Drahtglases [10], welche in Deutschland seit 1892 von der Aktiengesellschaft für Glasindustrie vormals Friedr. Siemens zu Dresden und später auch von andern Firmen ausgeübt wird. Es existieren sehr viele Herstellungsarten, die sich aber alle auf zwei zurückführen lassen: entweder wird eine Glasplatte in der halben Dicke wie das gewünschte Drahtglas ausgewalzt und eine glühend gemachte Drahteinlage daraufgelegt, worauf die obere Hälfte der Platte daraufgegossen und das Ganze unter hohem Druck ausgewalzt wird, oder die Drahteinlage wird in die auf einmal ausgegossene und ausgewalzte Glasplatte eingebettet. Das Drahtglas wird überall da verwandt, wo außerordentliche Beanspruchung auf Stoß, Druck und schroffen Temperaturwechsel in Frage kommt. Zur Zerstörung des Drahtglases ist etwa die 560fache Arbeit gegenüber gewöhnlichem Tafelglase erforderlich.

Hohlglas [11]. Es begreift die Fabrikation von Weiß- und Halbweißhohlglas sowie die des gewöhnlichen Flaschenglases in sich und vollzieht sich, besonders soweit es letzteres betrifft, in den Bahnen der mit technisch vervollkommneten Mitteln arbeitenden Großindustrie. Gleichwohl ist der Arbeitsvorgang, wenn wir von der unter Anwendung von maschinell sehr kompliziert zusammengesetzten Glaspressen arbeitenden Preßglasindustrie absehen, in seinen Grundzügen derselbe geblieben, wie er von alters her übernommen worden ist. Der Glasmacher holt mit der Pfeife eine dem Gewicht der herzustellenden Flasche angenähert entsprechende Menge Glas aus seinem Schiffchen, gibt ihm durch Bearbeitung in einem ausgehöhlten gußeisernen Motzklotz unter zeitweiligem Hineinblasen eine birnenförmige Gestalt, nachdem er die Glaspost zuvor in einem auf dem Kühltrog beteiligtem Pfahl mit halbmondförmiger Einkerbung nach dem vorderen Pfeifenende gedrängt hat. Soweit ähnelt also die Verarbeitung des Glases der bei der Herstellung der Fensterglaswalzen beschriebenen, was auch für die folgenden der Formgebung vorausgehenden Handgriffe gilt. Der Glasmacher wärmt die etwas starr gewordene Glasmasse durch Hineinhalten ins Schaftloch an und bewegt sich dann unter Hineinblasen und wiederholtem pendelförmigen Hinundherschwenken der Pfeife mit dem daranhängenden Glasball, der hierdurch eine länglich ausgezogene Form annimmt, dem Kühltrog zu, um nun den walzenförmig gestalteten Glasball in eine versenkt zwischen zwei Kühltrögen in einem Ausschnitt der Arbeitsbühne stehende eiserne Form einzuführen und unter beständigem Drehen der Pfeife, in die er gleichzeitig mit aller Gewalt hineinbläst, die Flasche bis auf das noch fehlende Mundstück fertig zu machen. Die Flaschenform besteht aus einem runden gußeisernen Hohlzylinder, der auf einer Grundplatte befestigt ist und auf dem zwei Formhälften, sobald der Glasmacher einen mit je zwei Gelenken an jeder derselben beteiligten Hebel mit dem Fuße niederdrückt, sich fest mit ihren Flächen aneinander schließen. Diese Stellung hat also die Flaschenform während der Formgebung der Flasche; sobald aber der Glasmacher seinen Fuß von der Druckstange des Hebels abhebt, fallen die beiden auf dem Zylinder beteiligten Formenhälften infolge des Zuges eines Gegengewichtes zurück und geben die bis auf das Mundstück fertige Flasche frei. Auf die eben beschriebene Weise lassen sich nur glattgedrehte runde Flaschen herstellen. Handelt es sich um festgeblasene Flaschen, so kann der Querschnitt von der Kreisform abweichen, die Flaschen können eckig, vielseitig oder auch rund werden, auch lassen sie sich mit Inschriften oder Verzierungen, die in die Formhälften eingraviert werden, versehen. Hieraus ergibt sich von selbst, daß derartige Flaschen nicht gedreht werden können, der Glasmacher hält vielmehr die Pfeife während des Fertigblasens fest, und die Flaschen heißen daher festgeblasene Flaschen. Um das Mundstück der Flasche herzustellen, sprengt sie der Glasmacher, indem er einen leisen Druck auf die Pfeife ausübt, während die Flasche auf dem Arbeitsblech ruht, von der Pfeife ab und ergreift nun mit einer etwas federnden, mit einem Stiel aus Gasrohr versehenen Hülfe aus Eisenblech die Flasche derart, daß sie mit ihrem unteren Teil von der Hülfe umschlossen wird, um dann um den nochmals vorgewärmten Hals der Flasche mittels eines eisernen Bindeisens einen Streifen glühenden Glases zu legen und mit der auf dem Kühltrog liegenden Rollschere das Mundstück auszuprägen. Die Schere trägt am Ende eines Steges einen eisernen Dorn, dessen Umfang genau der gewünschten Halsweite der Flasche entspricht. Der Dorn wird in ihren Hals eingeführt, während zwei drehbare Rollen, deren Umfang genau die Form des Flaschenmundstücks zeigt, gleichzeitig den Hals mit dem umgelegten Glas umfassen. Die Schere ist. so eingerichtet, daß sich die beiden Rollen durch einen Druck auf den Schenkel der ersteren fest andrücken lassen. Gleichzeitig wird die Schere gedreht, wobei das Glas durch die Drehung der fest daraufgedrückten Rollen zum Mundstück ausgeprägt wird. Die fertigen, noch rotglühenden Flaschen werden vom Glasmacherstand seitens der Einträger, meist jugendlicher Arbeiter, mittels der Eintragkellen nach[546] dem Kühlofen befördert. Letzterer besteht aus einem entweder direkt oder mit Gas beheizten Ofen, dessen Innenraum 3,5 m lang, etwa ebenso breit und nicht ganz 2 m hoch ist. Der Pfleger, deren zwei einen Kühlofen bedienen, nimmt die auf der Sohle durch die Einträger abgelegten Flaschen mittels einer sogenannten Pflegegabel, einer der Tiefe des Kühlofens angepaßten zweizinkigen Gabel aus Gasrohr, auf und stapelt sie im Kühlofen an der Rückwand anfangend auf, bis er gegen Ende der Arbeitsschicht gefüllt ist. Während dieses Vorganges steht der Kühlofen unter beständiger Beheizung, die nun abgestellt wird. Jener, gut verschmiert und geschlossen, kühlt nun unter sorgsam bemessenem Luftzutritt etwa vier Tage ab, worauf die Flaschen herausgenommen werden und nach Beseitigung des Ausschusses gebrauchsfertig sind. Würde man die Flaschen wie auch alle andern Glasgegenstände und Geräte nicht einem Kühlprozeß unterwerfen, sondern sie einfach an der Luft abkühlen lassen, so würde ihre Oberfläche schneller erkalten wie die darunterliegenden Glasschichten, es würden Spannungserscheinungen entstehen und die Flasche u.s.w. nachträglich zerspringen. Da an der Flaschenwanne kontinuierlich, d.h. mit Ausnahme der Sonntage Tag und Nacht gearbeitet wird, so beansprucht eine Wanne eine entsprechende Anzahl – meist acht bis zehn – Kühlöfen. Der oben geschilderte Arbeitsvorgang gestattet an einem Wannenofen mit einer Besetzung von 45 Glasmachern in der Schicht die Herstellung von 23–24000 Stück Flaschen in zwei Schichten, d.h. in 24 Stunden.

In den Grundzügen ist das beschriebene Herstellungsverfahren das seit Jahrtausenden ausgeübte geblieben. Erst seit 20 Jahren etwa arbeitet die Technik unausgesetzt daran, die einzelnen Handgriffe des Glasmachers durch mechanisch sich vollziehende Arbeitsvorgänge zu ersetzen, und es gibt heutzutage bereits sehr vervollkommnete Flaschenblasmaschinen [12], wie man die Vorrichtungen nennt, die der eben gedachten Aufgabe in mehr oder weniger vollendetem Grade gerecht werden. Es würde den Rahmen dieser Arbeit weit überschreiten, wollten wir hier näher auf das Wesen der Flaschenblasmaschinen, das eine große Patentliteratur aufweist, eingehen. Es kann nur darauf hingewiesen werden, daß durch sinnreich konstruierte Maschinen die einzelnen Arbeitsphasen ausgeübt werden, so das Aufblasen der Glaspost mittels Preßluft, das Motzen oder Marbeln der ersteren u.s.w. Die vollkommensten Flaschenblasmaschinen sind die von Severin, Boucher, Vernay, während Ashley das Verdienst bleibt, zuerst in Europa – 1886 – ein Patent auf eine bereits einen hohen Grad der Vollkommenheit aufweisende Flaschenblasmaschine eingereicht zu haben. Wenn der Ersatz der Handarbeit des Glasmachers durch jene sich langsam vollzieht, so ist dieses durch eine Reihe in den Verhältnissen liegende Ursachen zu suchen. Nicht als letzte gilt die Schwierigkeit, welche die Beschaffenheit des Glasflusses in bezug auf Elastizität, Abkühlungsgeschwindigkeit und andre physikalische Eigenschaften der Verarbeitung mittels Flaschenblasmaschinen entgegenstellt. Wo es sich wie bei der Herstellung von Konservenbüchsen, Trinkgläsern, Wasserflaschen, kurz um die Erzeugung von Preßglas handelt, setzt die Beschaffenheit des feurig-flüssigen Glases der Verarbeitung durch Flaschenblasmaschinen nicht entfernt einen ähnlichen Widerstand entgegen, wie solches das ordinäre Flaschenglas tut. Bei der automatischen Preßglasverarbeitung nehmen die Glasblasemaschinen von Blue und die von Owen & Colburn den ersten Rang ein. Die Arbeitsleistung der letzteren läßt z.B. die Herstellung von 2500 Trinkgläsern oder von 1500 Lampenzylindern in 5 Stunden zu.

Eine Vereinigung zwischen Tafel- und Hohlglasherstellung bildet das eigenartige Verfahren von P. Th. Sievert in Dresden [13] zur Erzeugung von großen Glasgegenständen. Flüssige Glasmasse wird auf einer Metallplatte, die entweder siebartig unterbrochen oder mit einer durch einen Deckel verschließbaren Aussparung versehen ist, welch letztere dem Querschnitt des herzustellenden Hohlkörpers entspricht, ausgegossen und ausgeschlichtet, dann wird in einen unter der Metallplatte befindlichen Hohlraum Preßluft zugeführt, welche mittels der siebartigen Unterbrechungen der ersteren unter die Glasplatte tritt, sie aufblähend und an die Wandungen einer mit den Rändern die Glasplatte fest auf die Metallplatte drückenden Hohlform drückend. Oder die Druckluft wirkt auf die nach Entfernung des inneren Teils der Metallplatte so entstandene Aussparung derselben frei überspannende Glasschicht, diese in zuvor angegebener Weise zu einem Hohlkörper austreibend, auch. kann an Stelle der Preßluft ein Kolben treten. – Das durch eine große Anzahl von Patenten geschützte Verfahren Sieverts bedeutet einen großen Fortschritt in der Technik der Glasverarbeitung. Es lassen sich Glaskörper von zuvor nicht möglich gedachtem Umfang herstellen, z.B. Glasbottiche aus einem Stück von 1000 l Inhalt, und wird vornehmlich die chemische Industrie von dem neuen Herstellungsverfahren Sieverts Anwendung machen.

Wichtigste Eigenschaften des Glases.

A. Physikalische Eigenschaften. Sprichwörtlich hat das Glas die Eigenschaft der Sprödigkeit. Alle Bestrebungen hatten bisher nur den Erfolg, jene unerwünschte Eigenschaft abzumindern; die seit alters her angestrebte Schmiedbarkeit des kalten Glases, nach Analogie der Metalle, ist bis jetzt auch nicht im entferntesten erreicht worden. Der Grad der Sprödigkeit hängt einerseits von physikalischen, anderseits von chemischen Einflüssen ab. Am meisten von den physikalischen Momenten beeinflußt die Wärme den Sprödigkeitsgrad: rasch gekühlte Gläser sind spröder, langsam gekühlte dagegen zäher (vgl. Glastränen). Dies Verhalten des Glases findet seinen praktischen Ausdruck in dem Betriebe der Kühlöfen, worin diese heißen, von der Stuhlarbeit resultierenden Waren stark erhitzt, dann tagelang langsam erkaltet werden. Dieses sogenannte Tempern ist am sorgsamsten auszuführen, wenn dick- und dünnwandige Glaskeile, z.B. bei Trinkgläsern, Flaschen mit starken Böden, sich berühren.

Die sorgfältigste Kühlung bedürfen die optischen Glaslinsen. Bei 500° bildet sich erfahrungsgemäß aus den Bestandteilen des Glases eine wirklich einheitliche gleichmäßige Glasmasse. Die zu kühlenden Glaslinsen werden von dieser Anfangstemperatur in Intervallen von[547] je 24 Stunden für jeden Temperaturfall von 10° auf 350° abgekühlt; es ist dann nach 6 Wochen die Erstarrung so weit vorgeschritten, daß die weitere Abkühlung die Spannung und Dehnung nicht mehr ändert.

Durch Abkühlung unter gewissen Bedingungen kann das Glas ebenfalls seine Sprödigkeit zum Teil verlieren. Hierauf beruht die Herstellung des sogenannten Hartglases, von der de la Bastie 1875 so viel Aufsehen gemacht und weitgehende Erwartungen erweckt hatte. Dieses Härteverfahren besteht im wesentlichen in einer schnellen Abkühlung des im Erweichungszustande befindlichen glühenden, doch bereits eine gewisse Formgebung erlangt habenden Glasgegenstandes durch Eintauchen in kochend heißes Oel. Man kann ein solches Glas von mäßiger Höhe gefahrlos zu Boden fallen lassen. Zerbricht es aber schließlich doch, so geschieht dies unter heftigem Knall und totaler Zertrümmerung. Wird ferner z.B. ein Trinkgerät aus solchem Hartglas durch einen schrammigen Körper verletzt, so springt es in tausend Stücke, was unter Umständen gefährlich werden kann. Von der Herstellung von Fensterscheiben aus Hartglas kann keine Rede sein, denn solche Glastafeln zerplatzen schon beim Schneiden mit dem Diamanten.

Die Elastizität gut gekühlten Glases gibt sich dadurch kund, daß seine Fäden zu Kreisen gebogen werden können und in die ursprüngliche Lage zurückkehren. Ein seiner Faden kann als Torsionsorgan in elektrischen Drehwagen benutzt werden. Die Elastizität gibt sich ferner durch den Klang kund, der bei den Glassorten, ebenso wie bei den Metallglocken, ein sehr verschiedener, heller und reiner, ist. Dabei steht das Bleiglas allen übrigen Glassorten voran, es dient daher zur Herstellung der wegen ihres schönen Klanges beliebten Kristallbecher. Auf Elastizität beruht auch die Erscheinung, daß durch Erhitzen erweiterte hohle Glaskörper ihr früheres Volumen beim Erkalten mehr oder weniger vollkommen wieder einzunehmen vermögen. – Möglichst geringe Elastizität ist ein Haupterfordernis für die Fabrikation guter Thermometerröhren. Bei Verwendung ungeeigneter Glassorten ergeben sich leicht bei höheren Temperaturen Fehler von mehreren Graden. – Die Glashütte Schott & Gen. in Jena hat ein neues Produkt geschaffen, indem sie der Schmelzmasse Baryt-, Zinkoxyd- und Borsäure hinzugefügt bezw. die Kieselsäure mehr oder weniger durch Phosphorsäure oder Borsäure ersetzt hat (Jenenser Normalglas). Man hat hierdurch ein Verbund- und Thermometerglas erhalten, das durch seinen niedrigen Ausdehnungskoeffizienten sehr weitgehenden Anforderungen genügt [8]. Im Anschluß hieran sei auf die Mitteilungen von Niehls [9] und von F. Auerbach [10] über die Härte- und Elastizitätsverhältnisse des Glases verwiesen.

Die Eigenschaft der Amorphie des Glases pflegt als eine typische gegenüber der kristallinischen Struktur andrer Substanzen hingestellt zu werden, was jedoch nur für richtig zusammengesetzte Gläser zutrifft, während bei mangelhaft beschaffenen, insbesondere bei alkaliübersetzten Gläsern, nur größte Umsicht und Kunstfertigkeit des Glasmachers verhindert, daß das Glas schon bei der Arbeit kristallinisch wird. Die bereits von Pelouse wahrgenommene Erscheinung, daß besonders das Flaschenglas an den kälteren Teilen des Hafens oder der Wanne, so am Boden und an den Umfassungswänden, zumal bei langsamer Abkühlung in sphärolithischen Formen auskristallisiert, ist als Saigerungsvorgang aufzufassen (Hundeshagen). Das Kristallinischwerden erfolgt auch bei fertigen Glaswaren, bei der Verarbeitung von Rohren vor der Lampe. Es tritt ein, wenn der Glasgegenstand, längere Zeit dem Erweichen nahe, erhitzt wird. Dann wird die Masse durchweg trübe und oberflächlich rauh. Diese Erscheinung ist lange bekannt. Réaumur versuchte sie zur Imitation von Porzellan technisch nutzbar zu machen (vgl. Entglasung). Von größter technischer Bedeutung ist der Umstand, daß dem gefürchteten Kristallinisch- und Rauh- werden durch einen größeren Zusatz von Ton mit Erfolg entgegengewirkt wird.

Das spez. Gew. der Gläser beträgt bei den gewöhnlichen Kalkgläsern 2,4–2,6; es steigert sich bei den Bleikristallgläsern über 4,5, erreicht sogar bei den Thalliumgläsern eine über 5–6 liegende Ziffer. Für Wärme und Elektrizität hat gewöhnliches Kalkglas wenig, das Bleiglas dagegen mehr Leitungsfähigkeit. Für den Elektriker ist der Umstand von besonderem Interesse, daß das Glas infolge mangelhafter Zusammensetzung oberflächlich beschlägt, dadurch leitend und für elektrische Apparate unbrauchbar wird.

Den Glanz des Glases vermehrt größerer Kalk- und in noch höherem Maße Baryt-, Blei- und Thalliumgehalt. Die Beständigkeit des Glanzes hängt weiterhin eng zusammen mit der richtigen chemischen Zusammensetzung des Glases.

B. Chemische Eigenschaften. Das Glas ist bekanntlich nach van 't Hoff als eine »feste Lösung« aufzufassen, d.h. es hat keinen bestimmten Schmelzpunkt und keine latente Schmelzwärme. Die Frage, weshalb das Glas eine feste Lösung ist, beantwortet Vogt [18] in folgender Weise. Die Zusammensetzung des Glases entfernt sich sehr weit von der Zusammensetzung derjenigen Mineralien, die überhaupt aus Silikatschmelzmassen auskristallisieren können, d.h. das Glas ist eine komplexe Lösung und besteht in geschmolzenem Zustande aus einer langen Reihe von Komponenten. Die Kristallisationstemperatur wird daher (in ähnlicher Weise wie z.B. bei der Roseschen oder Woodschen Legierung) sehr stark herabgedrückt. Bei gewöhnlichem Alkalikalkglas geht die Depression wahrscheinlich bis gegen 700° hinab. Wenn das geschmolzene Glas auf diese Temperatur abgekühlt ist, hat es aber eine so außerordentlich hohe Viskosität, daß eine Kristallisation bei der gewöhnlichen in den Glashütten üblichen Abkühlungsgeschwindigkeit nicht stattfinden kann. Eine Kristallisation wird nur möglich, wenn das Glas längere Zeit in der Nähe der Kristallisationstemperatur verweilt. – Bei den im Handel vorkommenden Glasartikeln, selbst die feinden Sorten nicht ausgenommen, machen sich insofern augenmerkliche Verschiedenheiten alsbald geltend, und zwar sowohl beim Gebrauche als beim Aufbewahren, als viele derselben ihren ursprünglichen Glanz beibehalten, während andre dagegen tau- und reifartig beschlagen und dann auch den darauf fallenden Staub stark fixieren [19]. Diese Erscheinungen weisen auf Verschiedenheiten der Grundsubstanz der Glasmasse[548] hin, die nur durch ihre Zusammensetzung bedingt sein kann. Die Erforschung des Zusammenhanges dieser als Fehler zu charakterisierenden Eigenschaften des Glases mit der Zusammensetzung, die Eruierung einer richtigen Komposition ist für die gesamte Glasindustrie von größter Bedeutung.

Schon vor 70 Jahren zeigten die Untersuchungen von Dumas und Berthier die großen Verschiedenheiten der Zusammensetzung der Gläser und ihrer chemischen Natur. Diese Beziehungen sind seit den letzten drei Jahrzehnten Gegenstand sehr eingehender Forschungen gewesen, Besonders Rudolf Weber [20] hat zuerst über das Verhalten der verschiedenen Glasarten gegenüber der Einwirkung des Wassers und andrer chemischer Einflüsse, wie Säuren, Basen, Salze, durch umfassende Untersuchungen von mehr wie 60 Gläsern Licht verbreitet. Weitere, noch vollkommenere Aufschlüsse in genannter Richtung gaben die Untersuchungen von F. Mylius und Förster [21] sowie von Kohlrausch [22], auf die hier nur verwiesen werden kann. F. Mylius empfiehlt als zweckmäßigstes Mittel zur Klassifikation der Gläser zu chemischem Gebrauch die maßanalytische Bestimmung der Alkalien in den durch Auslaugen mit Wasser gewonnenen Auszügen mittels empfindlicher Indikatoren. Bekanntlich ist jedes Glas der Hydrolyse unterworfen, und bildet die in Lösung gegangene Menge der Alkalien einen Ausdruck für den Grad der Verwitterung des ersteren. Während Kohlrausch zur Klassifikation der Gläser die durch die alkalischen Bestandteile der Lösung in erster Linie bedingte elektrolytische Leitfähigkeit benutzt, verwendet man seitens der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt seit langer Zeit den eingangs genannten Weg. Die Webersche Glasprobe besteht darin, daß das mit Wasser und Alkohol sorgsam gereinigte Probestück während 24 Stunden den Dünsten rauchender Salzsäure ausgesetzt wird. Die Probeplatte befindet sich über einer mit einer Glocke bedeckten Schale, welche die Salzsäure enthält. Auf dem Schalenrande liegen Glasstäbchen, auf denen die Probe ruht. Man läßt in einem staubfreien Raum den feuchten Säurehauch abdunsten. Je nach der Beschaffenheit des Glases zeigt sich nun bei mangelhaften Gläsern ein starker Beschlag, ein geringerer bei den heiseren und nur ein zarter Hauch bei den guten, der bei den bellen Sorten fast ganz verschwindet.

Nach Rud. Weber wird die Zusammensetzung guter Gläser durch die Formel nach Aequivalenten von Kieselsäure 5–6, Kalkerde 1, Alkali 0,9–1,3, bei mittelwertigen durch 4,3 : 1 : 0,7 und bei ausgesprochen mangelhaften durch 4–5 : 1 : 2–3 ausgedrückt. Zulkowski [23] benutzt zur Beurteilung des Glases neben der Anwendung des Säure- bezw. des Sättigungsquotienten die rationelle Glasanalyse, nach welcher die Gläser sich in Voll- und Halbgläser zerlegen lassen. Unter ersteren versteht Zulkowski solche Gläser, die ein Doppelsilikat, unter letzteren solche, die ein einfaches Silikat bilden. Nach ihm ist ein Glas um so widerstandsfähiger gegen den Einfluß chemischer Einwirkungen, besonders des Wassers, je mehr Vollglas es enthält. Zulkowski betont jedoch, daß die chemische Fertigkeit des Glases als eine Funktion mehrerer Faktoren, nämlich der Konstitution, des Säuregrades und der Natur seiner basischen und sauren Bestandteile, aufzufassen sei.


Literatur: Benrath, Die Glasfabrikation, Braunschweig 1875; Tscheuschner, Handbuch der Glasfabrikation, Weimar 1884; Gerner, Glasfabrikation, Wien 1881; Mertens, W., Die Fabrikation und Raffinierung des Glases, Wien; Dralle, Rob., Anlage und Betrieb der Glasfabriken, Leipzig 1886; Wagner-Fischer, Handbuch der ehem. Technologie, Leipzig 1904; Schür, O., Die Praxis der Hohlglasfabrikation, Berlin 1867. – [1] Garnier, Histoire de la verrerie et d'émaillerie, Tours 1886; Minutoli, Ueber Anfertigung und Nutzanwendung der farbigen Gläser bei den Alten, Berlin 1836. – [2] Reich, J., »Sprechsaal« 1901, Heft 38, S. 1328. – [3] Seger, Tonindustriezeitung 1886, Nr. 14 u. 15. – [4] Alexander, »Sprechsaal« 1903, S. 704. – [5] Landau, G., Zeitschr. des Ver. für hessische Gesch. u. Landeskunde 1843. – [6] Rauter, G. »Sprechsaal« 1904, S. 598. – [7] Dralle, Chr., Chem. Zeitschr., I, 22, u. II, 7; Ders., Chem.-Ztg. 1901, 25, Nr. 7. – [8] Wisthoff, Dingl. Pol. Journal 1874, 211, 476; Verhandlungen des Gewerbefleißes, 1873, S. 230; Dralle, Rob., Der prakt. Maschinenkonstrukteur, XXII, Nr. 8. – [9] Chambers, J.A., D.R.P. Nr. 147366 u. 147367. – [10] Weeren, Dingl. Pol. Journal 1895, 298, Heft 5. – [11] Schür, Praxis der Hohlglasfabrikation, Berlin 1867; Dralle, Rob., Anlage und Betrieb der Glasfabr., Leipzig 1886. – [12] Wendler, Dingl. Pol. Journal 1903, 818, Heft 7 u. 10; Dralle, Rob., Fünfter internationaler Kongreß für angew. Chemie, Berlin. – [13] Dralle, Chr., Chem.-Ztg. 1901, 95, 1059. – [14] Zeitschr. für angew. Chemie 1894, S. 743. – [15] Chem.-Ztg., Repert. 1894, S. 207. – [16] Wiedemanns Annalen, 53, 1001. – [17] Hundeshagen, F., Zeitschr. f. angew. Chem. 1901, S. 687. – [18] Vogt, J.H. L., Die Silikatschmelzlösungen, Christiania 1904. – [19] Zschimmer, E., Chem.-Ztg. 1900, 30, S. 323. – [20] Weber, Wiedemanns Annalen 1879, 6, S. 431. – [21] Mylius u. Förster, Ber. d. Deutsch. Ges., 1889, 22, S. 1092. – [22] Kohlrausch, Wiedemanns Annalen 1891, 44, S. 577. – [23] Zulkowski, Chem. Ind. 1899, 22, S. 280; 1900, 23, S. 108; 1900, 23, S. 346.

† Chr. Dralle.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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