- Bernsteinsäure
Bernsteinsäure (Aethylenbernsteinsäure, Acidum succinicum), eine zweibasische Säure der Fettreihe von der Konstitution
die nach ihrem Vorkommen im Bernstein benannt wurde.
Außer in diesem findet sich die Säure in gewissen Braunkohlen und in fossilem Holz. Auch im Pflanzenreich kommt sie nicht selten vor; so ist sie in Form von Salzen im Lattich, im[711] Wermut, Wurmsamen, im Mohn u.a. nachgewiesen worden. Interessant ist ihr Vorkommen in unreifen Weintrauben, während die reisen Weinsäure enthalten. Ferner hat man im Urin und Blut sowie in verschiedenen tierischen Säften die Säure aufgefunden. Die Bernsteinsäure kristallisiert in monoklinen Prismen oder Tafeln, die sauer schmecken, sich bei gewöhnlicher Temperatur in 20 Teilen, bei 100° in weniger als 1 Teil Wasser lösen und bei 184° schmelzen. Sie destilliert bei 235° und zerfällt dabei größtenteils in Wasser und ihr Anhydrid. Gegen Oxydationsmittel ist sie ungemein beständig. Bei der Elektrolyse einer wässerigen Lösung des Natriumsalzes wird sie in Aethylen, Kohlensäure und Wasserstoff zerlegt, nach der Gleichung:
C2H4 ∙ (COOH)2 C2H4 + 2CO2 + H2.
Als Dikarbonsäure bildet die Bernsteinsäure zwei Reihen von Salzen, neutrale und saure Succinate. Von den ersteren sind bemerkenswert das Ammonium-, Calcium- und Eisensalz. Das Ammoniumsalz, durch Neutralisieren der Säure mit Ammoniak und Verdunsten der wässerigen Lösung in einer Ammoniakatmosphäre gewonnen, bildet durchsichtige Säulen, die an der Luft Ammoniak verlieren. Es findet in der quantitativen Analyse zur Trennung von Eisen und Mangan Verwendung. Das Calciumsalz, ein sehr charakteristisches Salz der Bernsteinsäure, erhält man durch Vermischen der Lösungen von Natriumsuccinat mit Calciumchlorid, in der Wärme als seine Nadeln mit einem Molekül Kristallwasser, in der Kälte als größere und härtere Nadeln mit 3 Molekülen Wasser. Durch Umkristallisieren aus Salpetersäure wird es in das saure Salz umgewandelt, das in zugespitzten Prismen kristallisiert. Das Eisensalz bildet sich durch Zusatz von Eisenchlorid zu der Lösung eines Succinats als gelblicher, später dunkler werdender, gelatinöser Niederschlag der Zusammensetzung eines basischen Salzes:
(C4H4O4)2 ∙ Fe2(OH)2.
Es dient sowohl zur Erkennung der Bernsteinsäure wie auch zur quantitativen Bestimmung des Eisens [1]. Das oben schon erwähnte, bei der Destillation der Säure entstehende Bernsteinsäureanhydrid
(s. Anhydride), das leichter durch Erwärmen der Säure mit einem Molekül Phosphorpentachlorid oder Acetylchlorid erhalten wird, kristallisiert aus Aetheralkohol in bei 120° schmelzenden Prismen, die durch Kochen mit Wasser die Säure wieder zurückbilden. Das durch Einwirkung von zwei Molekülen Phosphorpentachlorid auf die Säure gebildete Succinylchlorid besitzt die Zusammensetzung
und ist ein bei 190° siedendes Oel. Interessant ist schließlich noch das Succinimid
wegen der Austauschbarkeit des Imidwasserstoffs gegen Metalle. So kristallisiert die Silberverbindung
in seideglänzenden Nadeln [2]. Durch Ersatz der Wasserstoffatome der Aethylengruppe leiten sich von der Bernsteinsäure eine Reihe von substituierten Säuren ab, von denen hier die Mono- und Dibrombernsteinsäuren erwähnt seien. Die Monoxybernsteinsäure ist die Aepfelsäure (s.d.), die Dioxyverbindung die Weinsäure (s.d.), Amidobernsteinsäure ist identisch mit Asparaginsäure (s. Asparagin). Schließlich existiert noch eine isomere Bernsteinsäure, die Iso- oder Aethylidenbernsteinsäure
ein Abkömmling der Malonsäure, durch Ersatz eines Wasserstoffatoms durch die Methylgruppe entstehend. Von den theoretisch wichtigen Bildungsweisen der Bernsteinsäure seien hervorgehoben: die synthetische aus Aethylenbromid das Bromid wird mittels Cyankalium in das Cyanid übergeführt und dieses durch Kochen mit Alkalien oder Säuren verseift:
die durch Reduktion der Fumar- bezw. Maleinsäure mit Natriumamalgam [4] und die durch Reduktion von Aepfel- und Weinsäure mittels Jodwasserstoffsäure [5].
Bernsteinsäure entsteht ferner durch Oxydation vieler organischer Körper mittels Salpetersäure, so der Fette, der Fettsäuren, mehrerer Paraffine und durch Gärung von äpfelsaurem Calcium, weinsaurem Ammonium und bei der Alkoholgärung des Zuckers; sie ist daher im Wein, Bier und Essig enthalten. Zur Darstellung der Bernsteinsäure dient fast ausschließlich der Bernstein. Zur Gewinnung aus diesem destilliert man ihn aus einer eisernen Retorte; hierbei geht Bernsteinsäure nebst dem sogenannten Bernsteinöl über, während Bernsteinkolophonium im Rückstand bleibt. Ueber die Verwendung dieser Produkte s. Bernstein. Das Destillat wird erwärmt, heiß durch ein nasses Filter filtriert und zur Kristallisation eingedampft. Zur Reinigung der so erhaltenen rohen Kristallmasse, der noch das empyreumatische Oel anhaftet, kristallisiert man sie aus verdünnter Salpetersäure um. Durch Gärung von äpfelsaurem Kalk, indem man letzteren, in Wasser suspendiert, mit faulendem Käse einige Tage bei 3040° flehen läßt, erhält man ebenfalls Bernsteinsäure. Der entstandene bernsteinsaure Kalk wird mit Schwefelsäure zersetzt und das Filtrat vom Calciumsulfat zur Kristallisation eingedampft [6]. Auch durch Gärung von weinsaurem Ammoniak läßt sich Bernsteinsäure herstellen [7]. Die Bernsteinsäure war früher offizinell und findet sich noch in der ersten Ausgabe der Pharmacopoea Germanica von 1872 als Acidum succinicum oder Sal succini volatile aufgenommen, aber nicht mehr in der zweiten[712] Ausgabe. Ebenso ist die sogenannte bernsteinsaure Ammoniakflüssigkeit (Liquor Ammonii succinici, Ammoniacum succinicum solutum, Liquor cornu cervi succinatus), die aus 1 Teil bernsteinölhaltiger Bernsteinsaure, 1 Teil mit ätherischem Tieröl versetztem kohlensaurem Ammoniak und 8 Teilen Wasser hergestellt wurde und als erregendes Nervenmittel diente, in der zweiten Ausgabe der Pharmacopoe gestrichen worden. Schon Agricola (1550) hat Bernsteinsaure durch Destillation von Bernstein gewonnen. Ihre Zusammensetzung wurde, nachdem sie mehrfach Gegenstand der Untersuchung gewesen, zuerst von Berzelius festgestellt.
Literatur: [1] Joung, Journal of the chemical Society 1880, t. 1, p 674. [2] Laurent und Gerhardt, Comptes rendus, 1847, p. 291; Erlenmeyer, Zeitschr. für Chemie 1849, S. 174; Bunge, Annalen der Chemie, Supplementband 7, S. 117; Mentschutkin, Annalen der Chemie, Bd. 162, S. 165. [3] Maxwell, Simpson, ebend., Bd. 118, S. 373; Geuther, ebend., Bd. 120, S. 268. [4] Kekulé, ebend., Supplementband 1, S. 133. [5] Schmitt, ebend., Bd. 114, S. 116; Dessaignes, ebend., Bd. 115, S. 120. [6] Liebig, ebend., Bd. 70, S. 104 und S. 363; Sitz, Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, Bd. 11, S. 1890; Bd. 12, S. 481. [7] König, ebend., Bd. 15, S. 172; Schmidt, Lehrbuch der pharm. Chemie, organ. Teil, Braunschweig 1901.
Bujard.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.