- Drucklinie [1]
Drucklinie, auch Stützlinie, Mitteldrucklinie, Mittelkraftlinie, Widerstandslinie, heißt die Linie, nach der sich der Druck im Innern eines eisernen oder steinernen Bogenträgers fortpflanzt. Gewöhnlich wird die Drucklinie als das Seilpolygon aufgefaßt, das entsteht, wenn man den Auflagerdruck des Bogenträgers oder auch den Druck im Scheitel mit den Belastungen zusammensetzt. Bei steinernen Bogen.(Gewölbe aus Mauerwerk oder Beton) unterscheidet man zuweilen die »Mittellinie des Druckes« (von einigen auch Stützlinie genannt), das ist die Verbindungslinie der Angriffspunkte der Druckresultanten in den aufeinander folgenden Gewölbfugen oder Querschnitten. Doch weicht diese Linie von der Drucklinie meistens nur wenig oder gar nicht ab.
Die Drucklinie dient dazu, die im Innern des Bogenträgers auftretenden Spannungen zu ermitteln und danach seine Tragfähigkeit zu beurteilen. Bei Fachwerkbogen bedient man sich hierzu des Cremonaschen Kräfteplans oder des Culmannschen Verfahrens (s.d.), bei vollwandigen Bogen, also auch bei Gewölben, der gewöhnlichen Formeln und Regeln der Biegungsfestigkeit (s.d.). Auch bei der statischen Berechnung der Widerlager und Pfeiler von Bogenträgern geht man in der Regel von den Drucklinien aus. Liegt die Drucklinie bei einem Fachwerkbogen innerhalb beider Gurtungen, so werden beide Gurtungen auf Druck beansprucht. Liegt die Drucklinie außerhalb der Gurtungen, so tritt in der auf der andern Seite befindlichen Gurtung Zug auf. Liegt die Drucklinie bei einem vollwandigen Bogen innerhalb des Zentralkerns (s. Kern) der Querschnittsfläche, so wird der ganze Querschnitt auf Druck in Anspruch genommen. Tritt die Drucklinie aus dem Kern heraus, so entstehen auf der entgegengesetzten Seite Zugspannungen. Da der Zentralkern bei Gewölben den dritten Teil der Gewölbedicke einnimmt, so wird vielfach die Forderung aufgeteilt, daß die Drucklinie nicht aus dem inneren Drittel der Gewölbedicke heraustreten dürfe.
Die Lage der Drucklinie wird bei eisernen Bogenträgern nach der Theorie der elastischen Formänderungen bestimmt (s. Bogen, Bd. 2, S. 144). Auch bei steinernen Bogen legt man in neuerer Zeit, besonders bei großen Spannweiten, vielfach diese Theorie zugrunde. Mit Rücksicht auf die Umständlichkeit dieses Verfahrens sowie in Anbetracht der Unsicherheit, in der man sich hinsichtlich der Nachgiebigkeit des Fundamentes und in bezug auf die Größe des Erddruckes befindet, zieht man indessen bei Gewölben meistens das ältere Verfahren vor, das darin besteht, daß man die Drucklinie im Scheitel des Gewölbes an der äußeren, in der Bruchfuge (s.d.) an der inneren Kernlinie berühren läßt. (Vgl. Gewölbe und Rohrleitung.)
Literatur s. unter Gewölbe.
(W. Ritter) Roth.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.