- Eisenbrücken
Eisenbrücken. Das Flußeisen (Martin- und Thomaseifen) mit Fettigkeiten zwischen 3700 bis 4400 kg/qcm und einer Bruchdehnung von mindestens 20 bis 25% bildet zwar noch immer das hauptsächlichste und für eiserne Brücken von nicht ungewöhnlicher Spannweite ausschließlich verwendete Konstruktionsmaterial, doch haben die Bestrebungen nach Einführung eines Baustoffes, der mit größerer Fertigkeit auch eine entsprechend hohe Dehnbarkeit und Zähigkeit verbindet, nicht aufgehört und um so mehr an Wichtigkeit gewonnen, je bedeutender die Aufgaben sind, die hinsichtlich der Bewältigung großer Spannweiten an den Brückenbau herantreten.
Gewisse Zusätze, wie Chrom, Nickel, Mangan, Vanadium u.a. verleihen dem Stahl, wie schon lange bekannt, bei großer Fettigkeit eine erhöhte Zähigkeit. Unter diesen legierten Stahlsorten dürfte aber, wenigstens soweit es den Brückenbau angeht, dem Nickelstahl die wichtigste Rolle zukommen. Dieser Baustoff ist zum erstenmal beim Bau der letzten zwei großen East-River-Brücken mit Spannweiten von 326450 m, der Blackwell-Insel-Brücke und der Manhattan-Brücke zur Anwendung gelangt und wird nun auch für die Quebec-Brücke, die eine Spannweite von rund 536 m erhält, verwendet. Der bisher in diesen amerikanischen Brücken verwendete Nickelstahl hat einen ziemlich hohen Nickelgehalt (3,25%), höchstens 0,6% Mangan und 0,1% Silicium. Seine Zerreißfestigkeit schwankt zwischen 5960 und 7030 kg/qcm; die Streckgrenze liegt zwischen 3370 und 3870 kg/qcm; die Bruchdehnung beträgt je nach der Fettigkeit 1915%. Neuestens haben auch die deutschen Werke, unter ihnen besonders die Gutehoffnungshütte in Oberhausen, dem Nickelstahl und seiner Anwendung im Brückenbau ihre Aufmerksamkeit zugewendet. Der von der genannten Hütte seit 1908 produzierte und auf den Markt gebrachte Nickelstahl hat bei 22,5% Nickelgehalt eine Fertigkeit von 5600 bis 6500 kg/qcm, eine Streckgrenze von etwa 3500 kg/qcm und eine Bruchdehnung von 20%. Versuche mit diesem Material, die sich nicht nur auf reine Festigkeits- und Bearbeitungsproben, sondern auch auf die Erprobung ganzer genieteter Konstruktionsteile und auf Knickversuche erstreckten, haben günstige Ergebnisse geliefert. Vorerst sind aber nur einige kleinere Brücken, als größtes Objekt die zweigleisige Hüttenbahnbrücke über den Rhein-Herne-Kanal bei Oberhausen mit 60,6 m Stützweite zur Ausführung gekommen, doch wird der legierte Stahl in dieser oder ähnlicher Zusammensetzung in Zukunft wohl bei allen großen Brücken ernsthaft in Betracht kommen.
Gegenüber dem Flußeisen ist natürlich, der größeren Fertigkeit entsprechend, eine höhere Inanspruchnahme zuzulassen. In den Entwürfen für die Cölner Rheinbrücke wurde bei Verwendung von Nickelstahl eine gegen Flußeisen um 60% höhere Beanspruchung angenommen. Ziemlich hoch, bis zu 80% der Streckgrenze, wurden die Beanspruchungen bei der Blackwell-Insel-Brücke und bei der Manhattan-Brücke gewählt, wogegen man für den Neubau der Quebec-Brücke beträchtlich niedrigere Ziffern anwenden wird, wie aus der nachstehenden Zusammenstellung [1] ersichtlich ist.
Gedrückte Stäbe. Der Berechnung und baulichen Ausbildung der gedrückten Stäbe wird erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet. Die Frage der Berechnung auf Knickfestigkeit wird durch neuere theoretische Arbeiten [2][6] und durch fortgesetzte Versuche zu klären gesucht.[224] Man ist insbesondere darauf aufmerksam geworden, daß die sogenannten gegliederten Druckstäbe oder Rahmenstäbe, das sind solche, die keinen vollen Querschnitt haben, sondern aus durch Gitterwerk oder Querbleche verbundenen Einzelstäben bestehen, sich ungünstiger verhalten als Vollstäbe von gleichem Querschnittsträgheitsmoment und daher mit einer kleineren zulässigen Knickspannung zu dimensionieren sind, und daß ferner auch die verbindenden Teile hinreichend kräftig ausgebildet werden müssen. Die meisten Einsturzkatastrophen bei eisernen Brücken und andern Eisenkonstruktionen lassen sich auf eine ungenügende Berücksichtigung der Knickgefahr der Druckglieder zurückführen, und auch dem größten Unfall dieser Art, dem Einsturz der Quebec-Brücke während ihres ersten Baues (1907), liegt die gleiche Ursache zugrunde.
Fahrbahnkonstruktion. Bei Straßenbrücken finden wir neben den bisher gebräuchlichsten Arten eiserner Fahrbahntafeln (Zoreseisen, Buckelplatten, Flachbleche) neuestens auch häufig (besonders in Oesterreich) die Fahrbahntafel aus Eisenbeton ausgeführt (Fig. 1). Sie besteht aus einer bewehrten, Betonplatte, welche auf einer zwischen den Fahrbahnlängsträgern angebrachten Schalung gestampft wird. Die Platte geht über den Fahrbahnlängsträgern kontinuierlich durch und ist dementsprechend armiert. Ihre Oberfläche wird mit Gußasphalt oder mit Asphalt mit Juteeinlage wasserdicht abgedeckt und darauf die Fahrbahndecke (Schotter oder Pflaster) aufgebracht.
Ist M (in Tonnenmetern) das von der Platte aufzunehmende größte Biegungsmoment für 1 m Breite, so berechnet sich die Plattenstärke abgerundet mit hcm = 15√M und der Querschnitt der Eisenzugbewehrung in Prozenten der Plattenquerschnittsfläche mit α = 0,71%. Dabei ist eine Betondruckspannung von 33 kg, eine Eisenspannung von 800 kg/qcm zugrunde gelegt. Das Moment M ist mit Berücksichtigung der Verteilung des Raddruckes zu berechnen. Als Verteilungsbreite wird die Aufstandsbreite der Last (minimal 10 cm) mehr der doppelten Höhe der Deckschicht und Plattenstärke angenommen.
Die massive Fahrbahntafel hat gegenüber jenen aus Eisen den großen Vorteil, daß die Erhaltung, die bei letzterer durch den Rostangriff gefährdet sein kann, eine bessere ist. In den Kosten stellt sich bei kleinen und mittleren Spannweiten annähernd Gleichheit heraus, bei großen Spannweiten wird aber die massive Fahrbahntafel infolge des erhöhten Gewichtes der Tragkonstruktion erheblich teurer.
Auch die Fahrbahn auf Gewölbkappen aus Eisenbeton mit steifer oder schlaffer Bewehrung hat bei neueren Brücken mehrfach Anwendung gefunden. Ohne das Gewicht allzusehr zu vergrößern, erlauben diese Gewölbe Spannweiten bis 3 m und darüber (Swinemünder Brücke am Bahnhof Gesundbrunnen 6 m); sie können sonach unter Wegfall der Fahrbahnlängsträger zwischen die Querträger der Brücke gespannt werden.
Bei den Eisenbahnbrücken in stark befahrenen Linien ist die Ueberführung des Gleises im Schotterbette in neuerer Zeit erhöht in Aufnahme gekommen. Den Vorteilen: günstigere Verteilung der Achsdrücke, Mäßigung der Stoßwirkung, die sich sonst besonders bei kleinen und mittleren Spannweiten für das Tragwerk schädlich äußert, feuer- und durchbruchsichere Fahrbahn, Schalldämpfung u.s.w. stehen als Nachteile die nicht unerheblichen Mehrkosten, welche durch das namhaft erhöhte Gewicht der Tragkonstruktion hervorgerufen werden, gegenüber. Für weiter gespannte Brücken hat denn auch die Ueberführung des Schotterbettes nur in wenig Beispielen Anwendung gefunden, dafür ist sie aber für die kleineren Ueberbauten in stark befahrenen Linien mehr und mehr grundsätzlich geworden, desgleichen wird sie für städtische Hochbahnbrücken ausnahmslos angewendet. Die Durchführung der Bettung erfordert wie bei Straßenbrücken die Anordnung einer Fahrbahntafel, für welche Buckelplatten, Flachbleche (sächsische und bayerische Staatsbahnen, Brücken im Eisenbahndirektionsbezirk Altona), Hängebleche, auf den amerikanischen Hochbahnen früher auch häufig Trogbleche, ferner Eisenbetonplatten zur Verwendung kommen. Fig. 2 gibt als Beispiel den Querschnitt einer Eisenbahnbrücke mit einer auf Buckelplatten übergeführten Schotterbettung.
[225] Systemanordnung des Ueberbaues. Die grundsätzliche Bevorzugung einfacher statisch bestimmter Ausfachungen ist nach amerikanischen Vorbildern auch im deutschen Brückenbau zum Durchbruche gekommen. Anderwärts, beispielsweise in Oesterreich, wird allerdings noch gerne an der hergebrachten Type des zweiteiligen Ständerfachwerks oder an dem noch mehrfach statisch unbestimmten System mit gekreuzten Streben und lotrechten Pfosten festgehalten. Wir finden demnach bei den neueren deutschen Balkenfachwerksbrücken meist eine einfache Strebenausfachung mit einem oder mit drei an das Hauptsystem angeschlossenen Zwischenknotenpunkten; vgl. Fig. 4 und 5. Seltener wird das Ständerfachwerk mit eingeschalteten Knotenpunkten angewendet. Sämtliche Ausfachungsstäbe, auch die Zugstäbe, werden steif ausgebildet. Eine von dem üblichen Fachwerk abweichende Ausbildung zeigt die von A. Vierendeel in Lüttich 1890 in Vorschlag gebrachte Trägerart, die einem strebenlosen Ständerfachwerk oder Rahmenträger entspricht, dessen Stabilität durch den biegungssteifen Anschluß der senkrechten Pfosten an die durchgehenden Gurtungen gesichert ist (Fig. 3). Das System ist in Eisenkonstruktion bisher nur bei einigen Brücken in Belgien (größtes Objekt die 1911 erbaute Brücke über die Lys zu Ousselghem mit 44,4 m Stützweite) zur Anwendung gekommen, hat aber neuestens auch in Deutschland Anhänger gefunden. (Zwei Entwürfe für die Cölner Rheinstraßenbrücke verwendeten zur Versteifung der Kabel Vierendeelträger.) Es bleibt aber abzuwarten, ob die behauptete Gleichwertigkeit oder sogar Ueberlegenheit dieses Systems gegenüber dem Fachwerk wirklich einwandfrei nachzuweisen ist; vorläufig scheint sie für den Eisenbau sowohl in statischer als in wirtschaftlicher Hinsicht zumindest Zweifelhaft.
Balkenbrücken über eine Oeffnung von größerer Spannweite erhalten gewöhnlich Halbparabelträger. Die weitest[226] gespannte Einzelöffnung unter den europäischen Brücken dieser Art hat die Eisenbahnbrücke über den Rhein unterhalb Duisburg-Ruhrort mit 186 m Stützweite (Fig. 4).
Unter den eine Oeffnung überspannenden Balkenträgerbrücken ist auch das System des Bogens mit Zugband in zahlreichen neueren Ausführungen vertreten. Die Fig. 68 geben dafür Beispiele, unter denen die beiden Kölner Brücken (Nord- und Südbrücke) in der Größe der Spannweite (rund 168 m) voranstehen. Die Nordbrücke hat unabhängige Einzeltragwerke in jeder Oeffnung, wogegen der Mittelbogen der Südbrücke mit kurzen Auslegerarmen versehen ist, auf die die Bogen der Seitenöffnungen gelagert sind.
Durchgehende Balkentragwerke werden jetzt für größere Stützweiten wohl nur als statisch bestimmte Auslegerträger (kontinuierliche Gelenkträger oder Gerberträger) ausgebildet. In der Formgebung besteht dabei ziemliche Mannigfaltigkeit, im allgemeinen wird aber die Trägerhöhe den Momenten angepaßt, so daß je nach der Länge der Auslegerarme über den Stützen eine gegenüber der Mitte mehr oder minder vergrößerte Höhe erhalten wird. Das System hat für die größten bisher ausgeführten Spannweiten (Forthbrücke, Quebec-Brücke mit 535 m, Fig. 9, Blackwell-Insel-Brücke mit 360 m, Fig. 10) Anwendung gefunden. Auch unter den deutschen Balkenfachwerksbrücken wurde mit diesem System in der Straßenbrücke über den Rhein zwischen Ruhrort und Homburg (Fig. 11) die größte Spannweite (203 m) erreicht. Aehnliche Verhältnisse zeigt die ebenfalls von deutschen Werken gebaute Brücke über den Hoangho in China. Andre Ausführungen verwenden nach dem Beispiel der Mannheimer Neckarbrücke den dreigurtigen Kragträger und erzielen dadurch Formen, die an eine Hängebrücke erinnern (Fig. 12). Wieder andre, z.B. die in Fig. 13 dargestellte Brücke, ahmen das Aussehen von Bogenbrücken nach, wirken aber durch die Art ihrer Auflagerung und durch die Gelenke im Mittelfelde ebenfalls als Auslegerbalken.
[227] Die Bogenbrücken, wenn von den als Balken gelagerten Bogen mit Zugband abgesehen wird, stehen an Zahl der letztjährigen Ausführungen den Balkenbrücken erheblich nach. Seit dem Bau der Brücke bei Müngsten und der Rheinbrücken zu Bonn, Düsseldorf und Worms sind in Deutschland an großen Bogenbrücken nur die Königsbrücke über die Elbe in Magdeburg mit 135 m Spannweite und die Jungbuschbrücke über den Neckar in Mannheim (Blechbogen mit Kämpfergelenken von 114 m Spannweite) entstanden. Für die Kolonien (Kamerun) wurde
von Deutschland die Brücke von Sanaga geliefert, die durch die Art ihrer Aufstellung bemerkenswert ist, da sie nur zur Hälfte auf festem Gerüst errichtet, in der anderen Hälfte aber schwimmend eingefahren wurde. Von anderwärts gebauten großen Bogenbrücken sind hervorzuheben: die Nikolaus- und Sergiusbrücke der Moskauer Ringbahn mit sichelförmigen Fachwerksbogen von je 135 m Stützweite, die Austerlitzbrücke über die Seine in Paris, ein auf ausgekragte Arme gestützter Bogen mit drei Gelenken von 140 m Oeffnungsweite, die Angerschluchtbrücke der österreichischen Tauernbahn, Fachwerksbogen mit geradem Obergurt von 110 m Stützweite, schließlich die im Bau befindliche große Hellgate-Bogenbrücke bei New York mit rund 300 m Stützweite (Fig. 14).
Von den Hängebrücken haben nur die Systeme der Kabel- und Kettenbrücken mit geradem Versteifungsträger neuere, unter ihnen allerdings sehr bedeutende Ausführungen aufzuweisen. New York erhielt in der 1910 vollendeten Manhattan-Brücke das dritte große, den East-River überspannende Brückenbauwerk, das abweichend von dem ursprünglichen Lindenhalschen Plane nicht als Fachwerkshängebrücke, sondern ganz nach Art der zweiten (Williamsburg-) Brücke als Kabelbrücke ausgeführt wurde (Fig. 15). Bei dieser Brücke schwankte lange die Wahl zwischen der Lindenthalschen Nickelstahlkette und einem Stahldrahtkabel und wurde schließlich zugunsten des letzteren entschieden. Für diese Entscheidung waren wohl, abgesehen[228] von anderen, nicht rein technischen Gründen, die Erfahrungen bestimmend, die man in Amerika im Bau großer Paralleldrahtkabel gewonnen hat; auch wäre bei dieser Spannweite eine Nickelstahlkette kaum billiger gekommen, da dem höheren Preis des Kabelmaterials mit einer Zerreißfestigkeit von 14 t/qcm das höhere Gewicht der Stahlkette mit einer Zerreißfestigkeit von nur etwa 8 t/qcm gegenübersteht. In Deutschland liegen die Verhältnisse anders; hier fehlen bislang die Erfahrungen im Bau großer Kabelbrücken, und so entschied man sich auch bei der jetzt zur Ausführung kommenden Straßenbrücke in Cöln für die Anwendung einer Gliederkette, obwohl das beim ersten Wettbewerbe für diese Brücke erstprämiierte Projekt und neben ihm noch eine Anzahl andrer Entwürfe die Verwendung von Stahldrahtkabel in Aussicht genommen hatten. Auch der zweite engere Wettbewerb lieferte unter 19 Hängebrücken- und 11 Bogenbrückenentwürfen 15 Kabelhängebrücken, davon 10 mit Paralleldraht- und 5 mit gedrillten Kabeln. Es wurde aber, wie erwähnt, der Entwurf der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg unter Anwendung von Gliederketten zur Ausführung bestimmt. Diese beiden großen Wettbewerbe [14] haben wieder die Leitungen des deutschen Brückenbaus auf voller Höhe stehend gezeigt und äußerst wertvolle Beiträge für die moderne Entwicklung des Baues der Hängebrücken geliefert.
Eigentlich ist aber der zur Ausführung bestimmte Entwurf (Fig. 16) nicht zu den Hängebrücken zu zählen, da die Verankerung fehlt und der Ueberbau seine Pfeiler und Widerlager nur lotrecht belastet. Der Zug der Kette überträgt sich nämlich an deren Enden auf den als vollwandigen Balken ausgeführten Versteifungsträger, der kontinuierlich auf vier Stützen gelagert ist. Für seine Knicksicherheit ist ausreichend vorgesorgt. Das System ist äußerlich dreifach statisch unbestimmt. Für Kette, Versteifungsträger und Querträger soll hochwertiger Flußstahl verwendet werden, der in drei Sorten angeboten wird, unter denen die Bauverwaltung die Wahl zu treffen haben wird; nämlich Kohlenstoffstahl mit 0,250,3% C, Siemens-Martin-Nickelstahl mit 0,51,0% Ni und besonderer Nickelstahl mit etwa 1,5% Ni und Zusätzen von Cr. Jede der Sorten besitzt eine Zerreißfestigkeit von 5,56,5 t/qcm und eine Längsdehnung von 18%. Die zulässigen Spannungen wurden von den Verfassern des Entwurfs um 60% höher gehalten als jene für normales Flußeisen.
Von den in Deutschland im letzten Jahrzehnt gebauten Hängebrücken ist die Kaiserbrücke in Breslau (Fig. 17) hervorhebenswert. Bei dieser ist die Kette als Bandgurt durch flach übereinanderliegende Blechplatten gebildet. Die beiden als Fachwerksträger gebauten Versteifungsträger hängen an je vier solchen Ketten, und es ist die gleichmäßige Verteilung der Zugstangenlast auf diese vier Bänder durch eine Aufhängung mittels gleicharmiger Hebel bewirkt. Die Brücke enthält auch sonst manche beachtenswerte Konstruktionseinzelheiten.
Der Kabelbrückenbau hat, wie bemerkt, in Deutschland bisher noch wenig Aufnahme gefunden. Aus den letzten Jahren (1911) flammen ein Fußgängersteg in Passau (mit 140 m Spannweite) und die an je zwei Spiralseilen aufgehängten Nickelstahlträger der Kieler Schwebefähre. In größerer Zahl sind aber Kabelbrücken (mit Verwendung von Spiralseilen) von deutschen Werken für den überseeischen Export geliefert worden.
Für Brücken mit schwerem Verkehr werden Kabelbrücken wohl auch erst bei großen Spannweiten, etwa über 250300 m, wirtschaftlich vorteilhaft, wie denn überhaupt das rationelle Anwendungsgebiet des Hängebrückensystems für solche Brücken erst bei großen Spannweiten beginnt. Bis zur Grenze von etwa 300 m, oder sogar noch darüber hinaus, vermag meist noch ein Auslegerträger mit dem Hängeträger erfolgreich zu konkurrieren. Ein Beispiel hierfür liefert der Wettbewerb für den Bau einer Eisenbahn- und Straßenbrücke über den Hafen in Sydney, Australien, bei welchem schließlich im zweiten Bewerbe der von der Gesellschaft Augsburg-Nürnberg im Verein mit der australischen Firma J. Stewart vorgelegte Entwurf einer Auslegerbrücke mit einer Hauptstützweite von 411,5 m siegreich blieb. Die Gesamtkosten dieses Entwurfes sind mit 38,8 Millionen Mark veranschlagt. Ein von derselben Firma im ersten Bewerbe aufgestelltes Projekt einer versteiften Kabelbrücke von 548,6 m Mittelöffnung war auf 37,5 Millionen Mark berechnet worden. Auch bei der Quebec-Brücke ist bekanntlich die Wahl zugunsten des Auslegersystems entschieden worden, obwohl es kaum Zweifelhaft ist, daß hier durch eine Hängebrücke, wie sie der Lindenthalsche Entwurf zeigt, zumindest eine schönere, wahrscheinlich aber auch wirtschaftlich vorteilhaftere Lösung gefunden worden wäre.
[229] Für Brücken mit leichtem Verkehr bieten die Kabelbrücken aber auch schon bei mäßigen Spannweiten unstreitig viele Vorteile, besonders wenn man die wesentlich erleichterte Aufstellung in Betracht zieht, die sonst bei einer andern Tragkonstruktion oft mit Schwierigkeiten und großen Kosten verbunden sein kann. Von den europäischen Ländern hat namentlich Frankreich, dem wir ja überhaupt die erste Einführung des Drahtkabels in den Brückenbau (1821) verdanken, anknüpfend an ältere Traditionen, den Kabelbrückenbau in neuerer Zeit in verstärktem Maße aufgenommen. Diese französischen Kabelbrücken verwenden durchwegs Spiraldrahtseile, die parallel hängend in der erforderlichen Zahl zu einem Hängegurt vereinigt sind. Von bemerkenswerten Ausführungen der letzten Jahre sind hervorzuheben die Rhônebrücken zu Aramon mit 274,3 m, zu Vernaison mit 232,8 m und zu Jons-Niévroz mit 200 m Spannweite.
Literatur: [1] Bohny, Die Verwendung des Nickelstahls im Brückenbau. »Der Eisenbau« 1911. [2] Krohn, Abhandlungen über Knickfestigkeit und Knicksicherheit gedrückter Stäbe. Zentralbl. d. Bauverwalt. 1908. [3] Engesser, »Der Eisenbau« 1911. [4] Müller-Breslau, Ebend. 1911. [5] Saliger, Zeitschr. d. österr. Arch.- u. Ing.-Ver. 1912. [6] H. Kaiser, Zentralbl. d. Bauverwalt. 1912. [7] E. Elwitz, Düsseldorf 1913. Ferner neuere Werke über Bau der eisernen Brücken: [8] E. Haeseler, Der Brückenbau, I. Teil: Eiserne Brücken. Braunschweig 18931909. [9] Luigi Vianello, »Der Eisenbau«, München (R. Oldenburg) 1905. [10] G.C. Mehrtens, Eisenbrückenbau, Bd. 1. Leipzig (W. Engelmann) 1908. [11] K. Bernhard, Eiserne Brücken. Berlin (Verlag der »Deutschen Bauztg.«) 1911. [12] G. Schaper, Eiserne Brücken. Berlin (W. Ernst u. Sohn) 1911. [13] J. Melan, Der Brückenbau, III. Eiserne Brücken, I. Teil. Wien (s. Deuticke) 1914. [14] G.C. Mehrtens u. F. Bleich, Der Wettbewerb um den Bau einer Rheinstraßenbrücke in Köln. »Der Eisenbau« 19111913.
F. Melan.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.