Gebrauchsmuster [1]

Gebrauchsmuster [1]

Gebrauchsmuster. Der deutsche Gebrauchsmusterschutz gründet sich auf das Gesetz vom 1. Juni 1891, das am 1. Oktober 1891 in Kraft getreten ist. Das Gebrauchsmusterrecht gehört neben dem der Muster und Modelle (Gesetz vom 11. Januar 1876) und der Patente (Gesetz vom 7. April 1891) zu dem eigentlichen gewerblichen Urheberrecht. Die Gegenstände des Gebrauchsmusterschutzes sind regelmäßig gegenüber den Mustern und Modellen (Geschmacksmustern) abgegrenzt, nämlich hinsichtlich der Zweckbestimmung der Muster. Die Neuerungen der Geschmacksmuster sollen auf den Schönheitssinn, die der Gebrauchsmuster dagegen auf den Gebrauch hinzielen oder berechnet sein. Den Patenten gegenüber aber ist gleichfalls eine wenn auch weniger scharfe Grenze gezogen, indem einmal für gewisse Erfindungen der Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen ist, anderseits die sogenannten kleinen Erfindungen das eigentliche Feld der Gebrauchsmuster bilden sollen.

[334] Gemäß § 1 Abs. 1 des Gebrauchsmustergesetzes sollen Modelle von Arbeitsgerätschaften oder Gebrauchsgegenständen oder von deren Teilen als Gebrauchsmuster geschützt werden, insoweit sie dem Arbeits- oder Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung zu dienen haben. Die seit Bestehen des Gesetzes gesammelten Erfahrungen zeigen, daß einerseits Verfahren, also Herstellungs- und Arbeitsweisen jeglicher Art des Gebrauchsmusterschutzes unfähig sind, anderseits Maschinen verwickelter Bauart größeren Umfangs sowie unbewegliche Teile von Bauwerken, ferner solche Anordnungen, deren Neuheit in der Flächenmusterung besteht oder in der Benutzung andern Stoffes. Nur in Ausnahmefällen ist die Schutzberechtigung für den Ersatz eines Stoffes durch einen andern anerkannt worden.

Hinsichtlich der Neuheit werden an ein Gebrauchsmuster dieselben Anforderungen gestellt wie an ein Patent, indem Modelle insoweit nicht als neu gelten, als sie zur Zeit der Anmeldung in öffentlichen Druckschriften beschrieben oder im Inland offenkundig benutzt sind. Es fehlt sogar die Einschränkung des Patentgesetzes, daß es sich um Druckschriften aus den letzten 100 Jahren handeln und die Vorwegnahme die Benutzung durch andre Sachverständige ermöglichen muß.

Eine Prüfung des angemeldeten Modelles auf Neuheit und Schutzberechtigung steht der eintragenden Behörde, der Anmeldestelle für Gebrauchsmuster des Kaiserlichen Patentamts, nicht zu. Diese sorgt nur dafür, daß den formellen Anforderungen des Gesetzes sowie den über die Anmeldung von Gebrauchsmustern erlassenen Bestimmungen nebst Erläuterungen vom 22. November 1898, Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen, 4. Jahrgang, 1898, S. 228, Genüge geschieht. Ueber die Grundsätze, nach denen das Amt im allgemeinen verfährt, geben die Mitteilungen der Anmeldestelle für Gebrauchsmuster a.a.O., 1. Jahrgang, 1894–95, S. 152, der Präsidialbescheid vom 25. Februar 1902, a.a.O., 8. Jahrgang, 1902, S. 119, sowie der Bericht über »Die Geschäftstätigkeit des Kaiserlichen Patentamts« im Jahre 1902, S. 217, Aufschluß, insbesondere über die Fragen der Einheitlichkeit und zulässigen Aenderungen der Unterlagen der Priorität, der Bezeichnung.

Die Anmeldung eines Modelles hat schriftlich zu erfolgen, wobei eine Nachbildung des Modelles oder eine doppelt angefertigte Abbildung beizufügen ist. Die gesetzliche Gebühr von 15 ℳ. ist an die Patentamtskasse zu entrichten.

Eine wichtige Rolle spielen die sogenannten Eventualanmeldungen für Gebrauchsmuster, deren Eintragung von dem Ergebnis einer zugehörigen Patentanmeldung auf den gleichen Gegenstand abhängig gemacht wird. Die Behandlung solcher Anmeldungen ruht, bis die Patentanmeldung zu einem gewissen Abschluß gediehen ist; die Gebühr braucht dann erst gezahlt zu werden, wenn für das nicht erteilte Patent oder neben diesem der endgültige Antrag auf Eintragung des Gebrauchsmusters in die Rolle gestellt wird.

Im übrigen wird auf Antrag die Eintragung und Bekanntmachung des Gebrauchsmusters auf drei, längstens bei hinreichender Begründung auf sechs Monate vom Tage der Anmeldung ab ausgesetzt, um dem Anmelder Zeit zur Anmeldung von andern, denselben Gegenstand betreffenden Schutzrechten im In- und Auslande zu geben.

Der Forderung des Gesetzes, die Anmeldung solle angeben, welche neue Gestaltung oder Vorrichtung dem Arbeits- oder Gebrauchszweck dienen soll, wird zweckmäßig durch Aufstellung eines Schutzanspruches ähnlich einem Patentansprüche nachgekommen. Hierbei ist zu beachten, daß das Patentamt bei der Fassung nicht mitzuwirken in der Lage ist, daß also der Anmelder oder sein Vertreter die wesentlichen Merkmale der Neuerung so einwandfrei wie möglich zusammenzufassen haben, weil diese Angabe für den Umfang des aus der Eintragung folgenden Rechtsschutzes von großer Bedeutung ist. Da im Gegensatz zu Patenten Gebrauchsmuster bestimmte Modelle und nicht eigentliche, einer mannigfaltigen Verkörperung fähige Erfindungen schützen, ist jedes Modell nur durch einen einzigen Anspruch zu kennzeichnen; sind mehrere Ansprüche aufgestellt, so werden bei Feststellung des geschützten Modelles deren Merkmale zusammenzufassen sein. Darin liegt meist eine unnötige Beschränkung des Schutzes, während anderseits die Aufstellung eines zu weitgehenden, etwa nur bekannte Merkmale enthaltenden Anspruches die Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters gefährdet.

Der Schutz des Gebrauchsmusters, der mit dessen Eintragung, nicht aber mit der Anmeldung eintritt, gewährt dem Eingetragenen das ausschließliche Recht, gewerbsmäßig das Muster nachzubilden, die durch Nachbildung erhaltenen Gegenstände oder Gerätschaften in Verkehr zu bringen, festzuhalten oder zu gebrauchen; ausdrücklich bestimmt das Gesetz, daß Gebrauchsmuster voneinander oder Patente und Gebrauchsmuster nach der durch die Anmeldung geschaffenen Priorität voneinander derart abhängig sein sollen, daß das durch die spätere Anmeldung erworbene Recht nur mit Erlaubnis des auf Grund früherer Eintragung Berechtigten ausgeübt werden kann. Das Gebrauchsmusterrecht ist vererblich und beschränkt oder unbeschränkt durch Vertrag oder Verfügung von Todes wegen übertragbar, außerdem im Lizenzwege verwertbar. Der Schutz des Gebrauchsmusters erlischt, wenn der Eingetragene den Verzicht auf den Schutz erklärt oder wenn nach Ablauf der ersten dreijährigen Schutzfrist nicht die Verlängerung auf weitere drei Jahre durch Zahlung der Gebühr von 60 ℳ. bewirkt ist. Eine nochmalige Verlängerung ist nicht zulässig, so daß die längste Dauer des Gebrauchsmusters 6 Jahre beträgt. Die Löschung eines Gebrauchsmusters kann auch im Wege der Klage oder Widerklage betrieben werden, da jedermann gegen den Eingetragenen Anspruch auf Löschung des Gebrauchsmusters hat, wenn das Modell den Erfordernissen des Gesetzes an Neuheit und sonstige Schutzberechtigung nicht entspricht. Das Patentamt nimmt die Löschung vor, wenn das rechtskräftige Urteil von der obsiegenden Partei mit dem Antrage auf Löschung vorgelegt wird. Schließlich kommt auch eine Löschung des Gebrauchsmusters von Amts wegen vor, wenn die Eintragung irrtümlich erfolgt war, z.B. wenn sich nachträglich herausstellt, daß ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt.

[335] Anspruch auf Gebrauchsmusterschutz haben nur diejenigen, die im Inlande, einschließlich der deutschen Schutzgebiete, sowie in folgenden Ländern ihren Wohnsitz oder ihre Niederlassung haben: Oesterreich-Ungarn, Serbien, Belgien, Brasilien, Curaçao, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Neuseeland, Niederlande, Niederländisch-Indien, Norwegen, Portugal, Queensland, Schweden, Schweiz, Spanien, Surinam, Tunis und Vereinigte Staaten von Nordamerika. In denselben Ländern mit Ausnahme von Serbien gelten auf Grund von Staatsverträgen auch Vergünstigungen, insbesondere die eines Anspruchs auf Zuerkennung der Priorität des deutschen Gebrauchsmusters, falls die Anmeldung in dem betreffenden Lande innerhalb einer bestimmten Frist vorgenommen wird. Diese Frist läuft für Oesterreich und Ungarn drei, für die übrigen Länder vier Monate vom Tage der deutschen Anmeldung. Die englische Patentbehörde gewährt auf Grund eines deutschen Gebrauchsmusters eine einjährige Frist. Umgekehrt kann auf Grund einer ausländischen Anmeldung für das deutsche Gebrauchsmuster deren Priorität beansprucht werden, falls das deutsche Gebrauchsmuster binnen vier Monaten vom Tage der ausländischen Gebrauchsmusteranmeldung oder innerhalb eines Jahres vom Tage der ausländischen Patentanmeldung, binnen 3 Monaten von der rechtskräftigen Erteilung eines österreichischen oder ungarischen Patents ab eingereicht wird. Ein dem deutschen Gebrauchsmustergesetz entsprechendes Gesetz besitzt bisher nur Japan; in Oesterreich ist es seit geraumer Zeit in Vorbereitung.

Ausländische Anmelder müssen einen im Inlande wohnhaften Vertreter bestellen. Wissentliche oder grobfahrlässige Verletzungen des Gebrauchsmusterschutzes verpflichten dem Verletzten gegenüber zur Entschädigung, wissentliche Eingriffe werden auf Antrag des Verletzten auch bestraft, wobei dem Beschädigten eine Buße zuerkannt werden kann.


Literatur: Kommentare von Seligsohn, 3. Aufl., Berlin 1906, Allfeld 1904, Isay 1903; Neuberg, J., Der internationale gewerbliche Rechtsschutz, Leipzig 1905.

H. Heimann.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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