Kunstbutter

Kunstbutter

Kunstbutter oder Margarine, wie die gesetzlich vorgeschriebene Bezeichnung für dieselbe lautet, auch Oleo-Margarine und Sparbutter genannt, gehört zu den wichtigsten der für die Ernährung bestimmten Fette. Sie verdankt ihre Entstehung dem Mißverhältnis zwischen Produktion und Konsumtion der natürlichen Butter.

Im Jahre 1869 gelang es dem französischen Chemiker Mège-Mouriès, ein Buttersurrogat zu finden; seine Methode verbreitete sich sehr schnell über andre Länder, und auch heute noch arbeitet man, abgesehen von einigen Verbesserungen, im wesentlichen nach derselben. Das Nierenfett des Rindes liefert das Rohmaterial zur Kunstbutter, ist aber nur in ganz frischem Zustande, also gleich nach dem Schlachten des Rindes, zu verwenden. Dieses Fett wird durch sehr intensives Waschen von Schleimteilen, Blut u. dergl. gereinigt, mittels Maschinen in kleine [750] Stücke zerschnitten und die Gewebteile derselben vollständig zerrissen, so daß der Talg nicht mehr von diesen geschützt, sondern für die späteren Prozesse vollkommen freigelegt ist. Der so zerrissene Talg stellt eine vollkommen breiige Masse dar, von welcher, auf 45° C. erwärmt, nur das Fett schmilzt, so daß die auf dem Fett schwimmenden Gewebeteile leicht abgeschöpft werden können. Das von den Gewebeteilen befreite Fett besteht aus verschiedenen Fettarten, von denen Stearin, Palmitin, Olein und Margarin zu nennen sind und von welchen sich nur die beiden letzten Fettarten zur Verarbeitung auf Kunstbutter eignen, während die beiden ersteren zur Kerzenfabrikation verwendet und daher von Olein und Margarin getrennt werden. Die Trennung dieser Fettarten wird durch ihre verschiedenen Schmelzpunkte sehr leicht ermöglicht, da, auf ± 25° C. abgekühlt, das Palmitin und das Stearin bereits erstarren, während Olein und Margarin bei dieser Temperatur noch flüssig sind und von den erstarrten Fettarten abgegossen werden können. Die in letztere noch eingeschlossenen flüssigen Mengen von Olein und Margarin werden durch Auspressen gewonnen. Das auf diese Weise rein dargestellte Gemenge von Olein und Margarin wird durch gegenströmendes Wasser gut ausgewaschen und mit einem Zusatz bis zu 50% Milch durch Kneten weiter zu Butter verarbeitet, welche dann gesalzen wird. Bei der Herstellung der sogenannten Marinebutter ist das Verfahren insofern ein andres, als dieser vor dem Verbuttern kein Zusatz von Milch gegeben wird. Da nun die stickstoffhaltigen Substanzen der Milch in erster Linie die Haltbarkeit der Butter beeinträchtigen, so ist die Marinebutter weit haltbarer als die natürliche und die mit Milch verbutterten Kunstbutterarten und hierdurch besonders für den Konsum auf Seereifen geeignet. Das Buttern geschieht in großen Tonnen, welche durch Maschinenkraft um eine ihrer Achsen geschleudert werden, wie solche auch bei der Herstellung der natürlichen Butter im Gebrauch sind. Nach dem Verbuttern wird die halbweiche Masse in kaltes Wasser von 8–10° C. gegossen, wo sie erstarrt und nun die Konsistenz der Butter des Handels hat. Die unter Milchzusatz hergestellte Kunstbutter schließt aber noch manchmal recht beträchtliche Mengen von Buttermilch ein, welche ihre Haltbarkeit in hohem Maße beeinträchtigt und daher entfernt werden muß. Es ist der Gehalt der Buttermilch an Milchsäure, Milchzucker und Kasein, welcher das sogenannte Ranzigwerden der Butter in die Wege leitet. Das Auswaschen der Buttermilch geschieht mittels eines Waschapparates, wie ihn nebenstehende Figur zeigt. Die Butter wird in den unten mit einem Schlitz C versehenen Kasten A gebracht und mittels eines genau in den Kasten passenden Deckels durch einen Druck auf den Stempel B in Gestalt eines breiten, dünnen Bandes aus dem Schlitz C herausgepreßt. Dieses Band wird von den beiden sich in der Richtung der Pfeile gegeneinander bewegenden Walzen D aufgenommen, noch dünner gepreßt und auf der schräg gestellten Fläche E nach dem Kasten H geleitet. Auf der Fläche E wird das dünne Butterband von zahlreichen Wasserstrahlen getroffen, welche aus dem mit Siebverschluß versehenen Rohre G unter starkem Druck ausströmen und die Butter auf diese Weise gründlich auswaschen. Hierauf wird das Wasser aus dem Kasten H abgelassen und die Butter nach tüchtigem Durchkneten in die kloßartige Form gebracht, in welcher sie in den Handel kommt [1].

Butterine ist eine in großen Mengen, besonders in Amerika, dargestellte Kunstbutter, welche der Hauptsache nach gleichfalls nach dem Mège-Mourièsschen Verfahren dargestellt wird; nur in einzelnen Manipulationen besteht ein Unterschied. Verbesserungen der Herstellungsmethoden von Kunstbutter beschreiben die D.R.P. von J.H. Theberath Nr. 83553 und 83820, H. Michaelis Nr. 100922, J. Spring Nr. 127376, M. Foppe Nr. 128729 und J. Neudörfer Nr. 135081. Eine Verbesserung des Kühlverfahrens findet sich im D.R.P. Nr. 101207 von L.B. Doukers und der Knetmaschine in Nr. 128646 von A. Keibel.

Eine wie vorstehend beschrieben dargestellte Kunstbutter ist ein durchaus empfehlenswertes Nahrungsmittel unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß es als Kunstbutter und nicht etwa als Naturbutter zu dem höheren Preise der letzteren verkauft wird. Bei der Strenge des sogenannten Margarinebuttergesetzes mag das wohl recht selten der Fall sein; leider aber wurde früher die Kunstbutter in außerordentlich zahlreichen Fällen der Naturbutter – manchmal in recht hohem Prozentsatz – hinzugesetzt und letztere dann als reine Naturbutter verkauft. Diese Fälschungen haben aufgehört, als es Brullé, dem Direktor des »Institut agronomique« in Paris gelang, eine Methode aufzustellen, nach welcher jeder Zusatz fremder Fette zur Naturbutter sofort und sicher erkannt werden kann. Das Brullésche Verfahren besteht, je nachdem es sich um Prüfung auf Samenöle oder tierische Fette handelt, in folgendem: Bei der Prüfung auf Samenöle erhitzt man 12 ccm Butterfett in einem Reagenzglase mit 5 ccm 2,5prozentiger Silbernitratlösung, wodurch alle Samenöle, mit Ausnahme des Olivenöls, eine charakteristische Farbenänderung geben. Das Olivenöl erkennt man mit Hilfe des Mikroskops an den nach dem Erkalten erhaltenen Kristallen. Bei der Prüfung auf tierische Fette erhitzt man 5 ccm des geschmolzenen und filtrierten Butterfettes in einer flachen Schale von 7 cm Durchmesser im Oelbade auf 148° C. und gibt, wenn die Temperatur 130° C. erreicht hat, eine Fingerspitze gepulverten Bimssteins, ferner acht Tropfen rauchender Salpetersäure hinzu und erhitzt nach dem Mischen noch etwa 12 Minuten, worauf man das Gemisch auf 21° C. erkalten läßt. Nachdem das so behandelte Gemisch etwa eine Stunde gestanden hat, wird es mittels Oleogrammeters geprüft. Der Oleogrammeter besteht aus einer vertikalen Stange, welche in einem an einem Stativ befestigten Ringe gleitet und am oberen Ende einen großen Teller trägt, auf welchen Gewichte gesetzt werden können. Zur Prüfung wird das untere Ende der Stange auf die erkaltete Fettmasse gesetzt, auf welcher es unbelastet, ohne einzusinken, stehen wird. Nun werden[751] so lange Gewichte auf den Teller gelegt, bis die Stange schnell in das Fett einsinkt, und die Höhe der Belastung, die hierzu notwendig ist, zeigt nicht nur eine etwaige Verfälschung der Naturbutter mit Margarine, sondern auch den Grad der Verfälschung ziemlich genau an. Es bedarf einer Belastung von 250 g, damit die Stange in reine Butter eindringt, und von 5000 g, daß das bei unvermischter Kunstbutter geschieht. Die zwischen 250 und 5000 liegenden Zahlen lassen auf das Mengenverhältnis der Vermischung schließen; so bezeichnen z.B. 900–1000 g eine Vermischung der Naturbutter mit 10% Margarine.

Diese Angaben werden unsicher, wenn die Margarine mit Samenölen vermischt ist; durch Anwendung von Silbernitrat aber wird diese Schwierigkeit beseitigt [2]. Ein andres Verfahren, Kunstbutter von Naturbutter zu unterscheiden, das sich bereits bewährt hat, veröffentlichte C. Bischoff, Berlin. Dieses Verfahren hat den Vorteil, daß es weder erheblichen Zeitaufwand noch besondere Vorkenntnisse erfordert. Beim Schmelzen von reiner Naturbutter sondern sich das in jeder Butter enthaltene Wasser und auch der Käsestoff, welcher bei dem scharfen Schlagen des Butterfettes gewissermaßen koaguliert wurde, schnell als Bodensatz ab. Ueber diesem Bodensatz von Wasser und Käsestoff erscheint schon beim Beginn des Schmelzens, spätestens aber wenn der Schmelzprozeß einer kleinen Menge (20–25 g) vollendet ist, das reine Butterfett klar und durchsichtig, welches bei normaler Wärme ungefähr die Durchsichtigkeit des Olivenöls besitzt. Die Margarine hingegen schmilzt bei diesem Versuch vollkommen trübe und das Fett über dem Bodensatz von Wasser und Käsestoff liegt unterhalb einer trüben und undurchsichtigen Fettschicht, welche das Aussehen von bei niedriger Temperatur erstarrtem Olivenöl hat. Die Mischbutter endlich, d.h. Naturbutter, welcher Margarine hinzugesetzt ist, zeigt ein Verhalten, welches nicht wesentlich von demjenigen der Margarine selbst verschieden ist. – Der Zusatz von Erdnußöl zu Butter kann leicht bei Behandlung mit Schwefelsäure dadurch erkannt werden, daß reine Butter nur strohgelb, mit Erdnußöl versetzte tiefbraun wird. Ein weiteres Verfahren zur Untersuchung von Kunstbutter beschreibt A. Spiecker im D.R.P. Nr. 105391.


Literatur: [1] Weitz, Ernährung im »Buch der Erfindung«, 1893. – [2] Frühlings Landwirtschaftliche Zeitung, Heft 21, Leipzig 1893.

Weitz.

Kunstbutter

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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