- Gipsgüsse [1]
Gipsgüsse, aus gebranntem, pulverisiertem Gips durch Anrühren mit Wasser und Eingießen der Masse in starre oder elastische Formen, nach dem Erstarren derselben und Ausziehen aus den Formen oder Zerlegen derselben in ihre einzelnen Teile erhaltene plastische Darstellungen, die teils in ihrem ursprünglichen Zustande belassen oder gefärbt, teils mit Stearin eingelassen, bemalt oder bronziert werden. Auch durch Einstampfen von Gips in metallene Formen und Durchtreiben von Wasserdampf, wodurch der Gips abgelöscht wird, stellt man jetzt Gipsgüsse her.
Die Formen, die wichtigsten Behelfe für die Gipsgießerei, sind entweder nach eignen Modellen angefertigte (starre) Gips- oder elastische Glyzerinleimformen; letztere sind vorzuziehen, da sie weniger umständlich zu handhaben, auch später umgießbar und unzerbrechlich sind. Beim Gießen werden die Formen mit Oel oder Fett ausgestrichen, die einzelnen Teile zusammengefügt, fest miteinander verbunden und der angerührte Gips eingegossen, vor dem Abbinden, kurz nach dem Beginn des Erstarrens und vor der eintretenden Erwärmung aus der Form genommen, trocknen und erhärten gelassen, die allenfalls vorhandenen Nähte (die Fugen der Formen) beseitigt und Schäden ausgebessert. Das Anrühren des Gipses zum Gießen ist eine Arbeit, für die verschiedene Anleitungen bestehen; allgemeine Regeln sind: 1. das Wasser nie auf den Gips zu gießen, sondern diesen ins Wasser einzurühren; 2. der Gips darf nie in zu großer Menge auf einmal eingetragen werden; 3. langes Rühren vermindert die Bindekraft, ja sie kann ganz verloren gehen; 4. je geringer die zum Anrühren benutzte Wassermenge, um so dichter und um so härter wird der Guß; 5. die Bildung von Luftblasen ist tunlichst zu vermeiden, weil fehlerhafte Güsse entstehen. Richtig angemachter Gips erstarrt in wenigen Minuten, und man sucht das Erstarren zu verzögern, indem man demselben Borax, gepulverte Eibischwurzel, Leimwasser u. dergl. in gewissen Verhältnissen zusetzt.
Die Härte der Gipsgüsse ist eine sehr geringe, weshalb man dieselbe zu vermehren sucht; bei flachen, schüsselförmigen Gegenständen kann es durch grobe Leinwand, bei Postamenten u. dergl. durch Eisendrähte, Hanfschnüre, Holzstücke, Blechstreifen geschehen; doch hat man auch chemische Mittel in Vorschlag und auch in Anwendung gebracht. Nach Tissot nehmen sie eine größere Fertigkeit an, wenn sie nach dem Erhärten abwechselnd in Wasser getaucht und getrocknet werden. Pannave wendete Alaunlösung, Dermstädt Barytlösung an, Heinmann tränkt aus rohem Gipsstein gefertigte Gegenstände mit Lösungen von Chlorkalium und schwefelsaurer Magnesia. Julhé benutzt eine Mischung von 6 Teilen Gips und 1 Teil Kalk mit Wasser als Gießmasse und behandelt die fertigen Gegenstände in einem Sulfat (Eisen- oder Kupfersulfat), während Reißig kieselsaures Kali (Kaliwasserglas) anwendet.
Die Herstellung abwaschbarer Gipsgüsse ist längst angestrebt worden; verschiedene Methoden[533] wurden mit mehr oder weniger Erfolg vorgeschlagen. Wasserglas für sich allein ist nicht brauchbar, weil es schon nach kurzer Zeit auswittert, dagegen gut in Verbindung mit Eiweißsubstanz. Gips mit Alaunlösung und dann mit einer Seifenlösung behandelt, so daß unlösliche Tonerdeseife sich bildet, ist zwar abwaschbar, allein die Oberfläche nimmt den Staub begierig auf; auch ein Ueberzug mit stearinsaurer Tonerde hat denselben Uebelstand. Reißig, Leuchs und Filsinger imprägnieren mit Barytwasser, wodurch der schwefelsaure Kalk in schwefelsauren Baryt und kohlensauren Kalk umgewandelt wird; auch v. Déchand wendet Barytlösung an, läßt die Gegenstände 24 Stunden darin, dann 34 Tage bei gewöhnlicher Zimmertemperatur trocknen, bringt sie dann in eine heiße Auflösung von Kernseife in Wasser und trocknet nach dem Abspülen in geeigneten Trockenräumen. Puscher verwendet eine alkoholische Lösung von stearinsaurem Kali, wodurch er, durch Umsetzung des stearinsauren Kalis in schwefelsaures Kali, einen widerstandsfähigen Ueberzug erhält. Das beste und sicherste Mittel, Gipsabgüsse abwaschbar zu machen, ist Ueberziehen derselben mit einer Schellacklösung und hierauf mit Oelfarbe, wodurch allerdings Feinheiten der Modellierung verloren gehen; auch Tränken mit heißem Leinölfirnis oder mit einer Lösung von Wachs in Terpentinöl führt zum Ziele.
Zwei Verfahren, besonders harte Gipsabgüsse herzustellen, sind die folgenden, doch sind sie nicht überall und für alle Güsse ausführbar. So liefert frischgebrannter Gips, sofort nach dem Brennen in eine Alaunlösung eingelegt, oder gepulverter Gips mit Alaunlösung angerührt und hierauf nochmals gebrannt (bei einer gleichmäßigen Temperatur) ein Material, das harte Gipsgüsse liefert, fast marmorartig, an den Kanten transparent ist; dickere Platten sind mit Hammerschlägen kaum zu zertrümmern. Das zweite Verfahren beruht auf der Tatsache, daß bei dem gewöhnlichen Anmachen von Gips viel zu viel Wasser benutzt wird, wodurch eine poröse Masse entsteht, und Abaté wendet zum Löschen Wasser in Dampfform an. Er bringt den gebrannten Gips in eine Art Kaffeetrommel, die sich um ihre Achse dreht, setzt solche mit einem Dampfkessel in Verbindung, und der Gips absorbiert nun so lange Wasser, bis man die Zuleitung unterbricht, also bis man die aufgenommene Wassermenge als genügend erachtet bezw. sich durch Wiegen von derselben überzeugt hat, worauf man den noch immer feinpulverigen Gips in eisernen Formen einem kräftigen hydraulischen Druck aussetzt; die erhaltene Masse ist vollkommen kompakt und hart, nimmt Marmorpolitur an.
Die Gipsgüsse werden in verschiedener Weise dekoriert, mit Stearin eingelassen, mit Farben (Aquarell- und Oelfarben) bemalt, bronziert oder auch einfarbig braun oder weiß gestrichen; bei dickeren Farbenlagen gehen die Feinheiten der Modellierung verloren und müssen die Güsse meist mit einer Leimlösung oder einer spirituösen Schellacklösung getränkt werden, ehe man sie dekoriert. Bemalung, Bronzierung oder Anstrich erfolgen dann wie auf allen andern Materialien. Terrakottaimitationen werden hergestellt, indem man mit einer aus seinem Ocker, Leimwasser und gebrannter Terra di Siena zusammengesetzten Farbe die Güsse mittels weichem Pinsel überstreicht; dunkle Holzarten ahmt man mittels einer aus Casselerbraun, Soda und Wasser nebst Wachsmilch hergestellten Beize, die nach dem Trocknen gebürstet wird, nach; auch dünne braune Oelfarbe leistet gute Dienste. Für Elfenbeinimitation wird der Guß mit einer schwach gelb gebrochenen weißen Oelfarbe überstrichen und nach vollständigem Erhärten an den tiefen Stellen des Gusses helles Ockergelb aufgetragen und mit einem Lappen wieder ausgewischt, so daß die gelbe Farbe nur in den tiefsten Stellen sitzen bleibt. Majolikaimitationen können nur mittels Lasurfarben auf weißem Oel- oder Lackfarbengrund ausgeführt werden. Alabaster wird durch Aufstreuen von feingemahlenem Glas auf dem noch nicht völlig trockenen Ueberzug von weißer Lackfarbe nachgeahmt. Chromopasta ist eine mit roter Erde gemischte Gußmasse; nach dem Guß werden die Objekte in geschmolzenem Stearin getränkt, wodurch die Farbe kräftiger wird, und noch mit einer mit roter Farbe gemischten Schellacklösung angestrichen.
Literatur: Pedrotti, Gips, Wien 1902.
Andés.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.