Seidenfärberei

Seidenfärberei

Seidenfärberei. Da die Seide eine große Affinität zu allen solchen Farbstoffen besitzt, die sich ohne Anwendung von Beizen fixieren lassen, so gestaltet sich das Färben derselben sehr einfach, namentlich wenn die Erreichung einer genau bestimmten Nuance nicht zur Bedingung gestellt ist. In der Regel werden wasserlösliche Tanninfarbstoffe und wasserlösliche Säurefarbstoffe zum Färben der Seide angewendet, weniger spritlösliche Farbstoffe und Beizenfarbstoffe.

Das Färben der Tanninfarbstoffe geschieht im neutralen Bade. Diese Methode beruht auf der Tatsache, daß die Seide aus den Lösungen von Tanninfarbstoffen die Farbbasen ausscheidet und sich mit ihnen zu vermutlich salzartigen, unlöslichen Verbindungen vereinigt, bei denen die Seide selbst die Rolle der Säure spielt. Dieser Prozeß wird beschleunigt durch Erhöhung der Temperatur und durch schwach alkalische Reaktion des Farbbades, verlangsamt hingegen durch schwach saure Reaktion desselben. Hiernach wird das Farbbad mit 1/3 Bastseife und 2/3 Wasser bestellt. In Ermanglung von Bastseife nimmt man das entsprechende Volumen einer Mischung von 1 l sechsprozentiger Seifenlösung, 1 l einprozentiger Gelatinelösung und 1 l Wasser. Hierauf setzt man so viel Essigsäure von 7° Be zu, bis die alkalische Reaktion ganz oder fast verschwunden ist, und fügt zum Schluß den Farbstoff hinzu. Man geht mit der Seide bei 30–40° C. ein, treibt unter gutem Umziehen bis nahe zur Kochhitze und färbt bei 80 bis 90° C. aus. Hierauf wird die Seide gut gewaschen und in einem zweiprozentigen Bade von Essig- oder Weinsäure aviviert.

Das Färben der Säurefarbstoffe geschieht fast immer im mit Schwefelsäure gebrochenen Bastseifenbade. Die Verbindung der Farbsäuren mit der Seidenfaser wird durch den Zusatz von Bastseife wesentlich verlangsamt und dadurch auch die erforderliche Gleichmäßigkeit der Färbung erzielt, indem sich die Farbsäuren zunächst mit dem Seidenleim der Bastseife und dann erst mit der Seidenfaser selbst verbinden. In gleichem Sinne wirkt Verminderung der Schwefelsäuremenge, während ein Ueberschuß von Schwefelsäure die Schnelligkeit des Aufziehens erhöht und das Auftreten von Unegalitäten veranlaßt. Die Verbindung von Farbstoff und Seidenfaser findet schon bei gewöhnlicher Temperatur statt, wenn auch nicht so rasch und vollständig wie bei höherer Temperatur. Man kann infolgedessen schon in der Kälte mustern und die notwendigen Zusätze an Farbstoff machen, solange er noch gleichmäßig und langsam aufzieht. Hat man auf diese Weise den gewünschten Ton erreicht, so treibt man dann erst zum Kochen und beendet den Färbeprozeß durch Hantieren nahe der Kochhitze, ohne die Flotte wirklich kochen zu lassen. Nach dem Waschen folgt ein Avivieren im Essigsäure- oder Weinsäure- oder auch Schwefelsäurebade, falls die Farbe gegen Mineralsäuren unempfindlich ist. – Die Phthaleine, Fluoreszein- oder Resorzinfarbstoffe werden, im essigsauern Bade gefärbt. Da die Salze der Fluoreszeinfarbstoffe durch Mineralsäuren sofort unter Abscheidung der weniger farbigen Farbsäuren zerlegt werden, so müssen die Färbungen im essigsauern Bade vorgenommen werden. Die Essigsäure ist kräftig genug, die Farbsäuren aus den Farbstoffen in Freiheit zu setzen, so daß sie sich mit der Seide verbinden, aber nicht so kräftig, daß diese Verbindung selbst gehindert wird. Das Farbbad wird mit 1/3 Bastseife, 2/3 Wasser und mit Essigsäure bis zur deutlich sauern Reaktion versetzt. Darauf wird der Farbstoff zugegeben und die Seide bei 30–40° C. eingeführt. Unter gutem Umziehen wird bis zum Kochen getrieben und nahe bei Kochhitze ausgefärbt.

Zum Färben der spritlöslichen Farbstoffe (Rosanilinblau, Diphenylaminblau, Nigrosin, Naphthalinrot [Magdalarot] und die Aether der Phthaleine) werden diese in der fünfzigfachen Menge Alkohol gelöst. Die Seide färbt man im mit Schwefel- oder Essigsäure gebrochenen Seifenbade unter allmählicher Zugabe der Farbstofflösung aus. Auf das Waschen folgt Avivieren mit Essigsäure.

Das wenig geübte Färben der Beizenfarbstoffe bedarf einer Beizung der Seide nach dem Enthalten, Waschen in 40° C. warmem Wasser und Trocknen, durch 12–24 stündiges Einlegen in basisch-schwefelsaures Eisenoxyd von 10° Be, Chromchlorid von 20° Bé oder Chrombeize G A III (D.R.P. Nr. 45998) auf 10° Bé verdünnt. Nach dem Beizen wird die Seide in reinem, möglichst kalkfreiem Wasser sehr gut gewaschen und dann gefärbt. Das Farbbad beschickt man mit Bastseife, die mit dem gleichen Quantum Wasser verdünnt ist, und den kalt zugerührten Beizenfarbstoffen. Man geht kalt in das Bad ein, steigert langsam die Temperatur bis zum Siedepunkt und verweilt im ganzen zwei Stunden auf dem Bade, doch muß die Temperatur mindestens eine Stunde innerhalb 90–100° C. bleiben. Wirklich kochen darf das Bad nicht, weil sich sonst die Seide leicht verwirrt. Nach dem Färben wird die Seide in kalkfreiem Wasser gut gewaschen, ausgeschleudert und auf fettem Seifenbade eine halbe Stunde kochend geseift, alsdann gewaschen und scharf mit Weinsäure aviviert. Der Avivierflüssigkeit setzt man vorteilhaft etwas Olivenöl zu, das vorher mit Soda aufgekocht wurde.

Das Schwarzfärben der Seide geschieht meist mittels Blauholz, dessen Pigment hauptsächlich durch Eisenbeizen befestigt wird. Dabei wird mit der schwarzen Färbung in der Regel eine Beschwerung der Seide bezweckt (s. Schwerschwarz). Gute Schwarz lassen sich auch mit Teerfarbstoffen, wie Wollschwarz, Curcumein und Guineagrün, Anthracitschwarz B, Alizarinschwarz WR in Teig und Alizaringrün S in Teig oder in Mischungen mit solchen erhalten, indem man mit Alkaliblau B und Naphthylaminschwarz 4 B vorfärbt, in holzessigsauerm Eisen beizt, im Katechubade fixiert und im Blauholzbade ausfärbt.


Literatur: Knecht, Rawson und Löwenthal, Handbuch der Färberei, Berlin 1900/01; Steinbeck, Bleichen und Färben der Seide und Halbseide, Berlin 1895; Silbermann, Die Seide, Dresden 1897, Bd. 2, S. 280.

R. Möhlau.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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