Konservierung [1]

Konservierung [1]

Konservierung. Nach dem Ableben der Tiere und Pflanzen treten bei ihnen gewisse Erscheinungen auf, welche man als Gärungs-, Fäulnis-, Verwesungsprozesse bezeichnet. Diese Vorgänge werden nicht, wie man früher annahm, durch die Einwirkung des Sauerstoffs der atmosphärischen Luft bewirkt, sondern haben ihre Ursache in dem Auftreten und der schnellen Vermehrung von gewissen niederen Organismen pflanzlicher Natur, den Bakterien (s.d.), deren mikroskopisch kleine Keime überall in der Atmosphäre vorhanden sind und die in den eiweißhaltigen pflanzlichen und tierischen Stoffen einen Nährboden finden, dessen sie bei geeigneter Temperatur und Gegenwart von Feuchtigkeit zu ihrer Entwicklung bedürfen. Zahlreich vorgeschlagene und mehr oder weniger erprobte Konservierungsverfahren suchen die erwähnten Umwandlungsprozesse auszuschließen. Das gelingt leichter, wenn es sich um Gegenstände handelt, wie wissenschaftliche Präparate jeder Art, Holzschwellen, Gewebe u.s.w., wo es nur auf Vernichtung und Fernhaltung aller zerstörend wirkenden Einflüsse ankommt, als bei Nahrungsmitteln, wo neben der Bekämpfung der Mikroorganismen noch die weitere Aufgabe zu lösen ist, den Genuß der Konserven für den Konsumenten gänzlich unschädlich zu machen. Eine vollkommene Lösung ist hier nur dann gefunden, wenn auch keine Veränderung in der Verdaulichkeit und im Wohlgeschmack eintritt. Von größter Bedeutung ist die Herstellung von Lebensmittelkonserven für die Verproviantierung der Feldarmeen, der Festungen, der Schiffe[601] und für Reifen in unwirtliche und unerforschte Gebiete. Außer Haltbarkeit und Schmackhaftigkeit ist ein möglichst geringes Volumen der Konserven zu erstreben, damit sie von der Verwendung für die Verpflegung großer Massen nicht durch Transportschwierigkeiten ausgeschlossen sind.

1. Naturkundliche Sammlungspräparate.

1. Mineralien. Hier ist eine Konservierung nur erforderlich, wenn es sich um Mineralien handelt, welche bröckelig sind oder sich durch Einwirkung des Sauerstoffs oder der Feuchtigkeit der Atmosphäre verändern. Tränkung mit Schellacklösung, mit Wasserglas, Aufbewahrung in Petroleum sind je nach Art des Minerals anzuwenden. Nasse Fossilien aus der Braunkohle können meistens durch ein sehr langsames Austrocknen in Kellerräumen vor dem Zerreißen bewahrt werden. Hygroskopische Salze müssen in luftdicht schließenden Gefäßen aufbewahrt werden.

2. Pflanzen. Bei dem Trocknen von ganzen Pflanzen für Herbarien zwischen Fließpapier unter Druck (empfehlenswert sind Zwischenlagen von Filz) hat man zu beachten, daß in der ersten Zeit alle 24 Stunden das feucht gewordene Papier durch trockenes ersetzt wird. Je schneller das Austrocknen erfolgt, desto besser werden die Pflanzen erhalten. Man beschleunigt daher zweckmäßig das Trocknen durch Einbringen der Fließpapierpacken in Trockenschränke, in welchen sich Chlorcalcium als wasseranziehendes Mittel und außerdem eine Vorrichtung befindet, welche als Wärmequelle dient [1]. Um die getrockneten Pflanzen gegen Insektenfraß zu schützen, benetzt man sie mit einer Sublimatlösung (1 Teil Quecksilberchlorid auf 50 Teile Alkohol) und trocknet wieder zwischen Fließpapier. Das Trocknen von sehr fleischigen Objekten, von Zwiebeln, von Orchideenknollen u.s.w. wird durch vorhergehendes Eintauchen in heißes Wasser oder nach dem Henningsschen Verfahren durch 1/2–12 stündiges Einlegen in eine mit schwefliger Säure gesättigte Lösung von 1 Teil Alkohol in 5 Teilen Wasser bewirkt [1]. Die durch Einwirkung der schwefligen Säure etwa entfärbten Blüten erhalten mit Ausnahme gewisser braunen Blütenfarben ihre Farbe nach dem Trocknen wieder. Als Konservierungsflüssigkeiten werden angewendet: Alkohol, Glyzerin, Karbolsäure, Kochsalz-, Sublimatlösung u.a., in welchen die Pflanzen einfach aufbewahrt werden. Früchte lassen sich durch Trocknen, zum Teil durch kurzes Einlegen in Glyzerin (Koniferen), durch Aufbewahrung in Alkohol, in wäßriger schwefliger Säure, in flüssigem Paraffin, in Boroglyzerinlösung (1 : 20–60 Teilen Wasser) konservieren. Alkohol und Karbolsäure lassen sich auch in Dampfform anwenden, indem man einen damit getränkten Schwamm auf den Boden des luftdicht schließenden Aufbewahrungsgefäßes legt [2]. Hutpilze werden sowohl durch Anfertigung von Schnitten für das Herbarium hergerichtet, als auch in ganzer Form, durch Einlegen in Flüssigkeiten oder durch Austrocknen konserviert. Näheres in [1], S. 296 ff., und [3] 1895, S. 487.

3. Tiere. Um ausgestopfte Säugetiere, Vögel, größere Fische und Reptilien gegen Insektenfraß zu schützen, wird außer dem Einstäuben mit feingepulverter arseniger Säure und dem Bestreichen mit einer wäßrigen Lösung von Kaliumarsenit mit Vorteil Arsenikseife benutzt. Anstatt der zuerst von Becoueur angegebenen [4], in welcher sein verteilte arsenige Säure enthalten ist, werden jetzt zumeist solche Seifen benutzt, welche auf 100 Teile Seife etwa 28 Teile Kaliumarsenit enthalten. – Für die Aufbewahrung aller kleineren Tiere wird noch immer der Alkohol bevorzugt, trotzdem hierbei meistens die natürlichen Farben verloren gehen. Man benutzt zuerst eine wasserreiche Mischung, erneuert dann den Alkohol mehrmals in allmählich steigendem Verhältnis bis etwa 100 Teile Wasser auf 75 Teile Alkohol kommen. Bei der v. Brunnschen Methode der Fischkonservierung werden die in Alkohol aufbewahrten Fische naturgetreu mit Aquarellfarben angemalt [5]. Für niedere, weiche Tiere, wie Holothurien, Quallen u.s.w., wird auch eine zweiprozentige wäßrige Formalinlösung verwendet. Sonst hat der Formaldehyd wenig Eingang in die Konservierungspraxis naturkundlicher Präparate gefunden, da er oft eine Verwandlung der Gewebe bewirkt und den Präparator durch Erkrankung der Schleimhäute der Augen und der Nase belästigt. Häufiger wird er dagegen wegen seiner kompendiösen Form auf Reifen zur vorläufigen Konservierung verwendet [2], S. 579, 615, 674. Um zarte Seetiere, Plankton, zu konservieren, benutzt man Chromsäure, Pikrinschwefelsäure, Ueberosmiumsäure mit darauffolgendem Liegen in Wasser und Aufbewahren in Alkohol [2], S. 639, und [6]. Außer den bisher erwähnten Lösungen sind noch weitere vorgeschlagen worden, so Glyzerin-, Karbolsäure-, Alaun- und andre zum Teil aus mehreren Chemikalien zusammengesetzte Lösungen [7] wie die Wickersheimersche Flüssigkeit (100 Teile Alaun, 25 Teile Kochsalz, 12 Teile Kalisalpeter, 60 Teile Pottasche, 10 Teile arsenige Säure gelöst in 3000 Teilen Wasser, filtriert und mit 1550 Teilen Glyzerin und 300 Teilen Methylalkohol versetzt). Sie finden alle nur noch wenig Verwendung. Anatomische Präparate werden in Alkohol, alkoholischer Formaldehydlösung [8], Glyzerin u.s.w., auch trocken nach Ritsert [9] aufbewahrt, nachdem sie 1/2 Stunde in einer mit Karbolsäure versetzten, auf dem Wasserbad erwärmten Gelatineglyzerinlösung gelegen haben.

4. Mikroskopische Präparate. Als konservierende Einschlußmittel dienen einerseits Glyzerin, Glyzeringelatine und Farrantsche Lösung (eine Mischung von gleichen Teilen Gummiarabikum, Glyzerin und konzentrierter wäßriger Lösung arseniger Säure) und anderseits Kanadabalsam, Dammarlack und venezianischer Terpentin; während jene direkt bei nassen Gegenständen Verwendung finden können, lassen sich diese nur bei entwässerten benutzen. Ueber die Entwässerung, Härtung und die sogenannten Fixationsmethoden sowie auch über andre Einschlußmittel s. [2], S. 752, und [10].

II. Nahrungsmittel.

Die hier in Betracht kommenden Methoden lassen sich in vier Gruppen teilen: 1. Anwendung niedriger Temperaturen (Frigorifikverfahren), 2. Entziehen der Feuchtigkeit, 3. Erhitzung und Aufbewahrung bei Luftabschluß, 4. Anwendung antiseptischer Mittel. – In erster Linie ist[602] hier die Behandlung des wichtigsten Nahrungsmittels, des Fleisches, daneben die der Gemüse und des Obstes anzuführen, ferner die speziellen Konservierungsmethoden für Fleischextrakt, Milch, Butter, Bier, Wein u.s.w.

1. Die Kälte ist schon seit alten Zeiten, besonders für Fleisch, angewendet worden, indem man solches in kalten Räumen oder Eiskellern aufbewahrt. Temperaturen dicht an 0° und darunter hindern die Entwicklung aller Mikroorganismen; sowie die Kälte nachläßt, sowie die Gegenstände mit wärmerer Luft in Berührung kommen, beginnt aber sofort die Lebenstätigkeit der Keime, und die Fäulniserscheinungen treten dann meistens in sehr starkem Maße ein. Fast alle Arten von Nahrungsmitteln werden heute durch Kälte konserviert. Während in kleineren Betrieben, besonders in Schlächtereien noch das im Winter geerntete Eis, seltener das Kunsteis zu Konservierungszwecken verwendet wird, sind in Großstädten große Kühlräume eingerichtet, in denen Wildbret, Geflügel, Fleisch geschlachteter Tiere, Eier, Obst u.s.w. in der ihnen dienlichsten gleichmäßigen durch Kältemaschinen erzeugten Temperatur aufbewahrt werden (s. Kühlung geschlossener Räume). Auch für den Transport auf weitere Entfernungen sind in Eisenbahnwaggons und Schiffen Kühlvorrichtungen geschaffen [11].

2. Konservierung durch Verminderung des Wassergehaltes. Auch hierhin gehören einige Verfahren, welche schon seit langem in Gebrauch sind, so die Darstellung des Pemmikans bei den Indianern Nordamerikas, ein in Streifen geschnittenes und in der Sonne getrocknetes Fleisch, während südamerikanische Indianer ihr Charque, Pato, Manta und Tassajo herstellen, indem sie das Fleisch vorher salzen und dann trocknen lassen. Auch Carne pura ist ein getrocknetes und gesalzenes Fleisch, aber in gemahlenem Zustande. Bekannt ist die Verarbeitung des Kabeljau zu Stockfisch (getrocknet) und zu Klippfisch (gesalzen und getrocknet). Doch wird nach solchen Methoden zwar eine gute Konservierung, aber meistens nicht ein für Europäer schmackhaftes Nahrungsmittel erzeugt. Bessere Resultate liefert das auch schon lange gebräuchliche Dörren von Gemüse und Obst. Es geschieht in südlichen Gegenden durch die Sonnenwärme (Rosinen, Korinthen), in kälteren in Trockenkammern, in denen man früher die Gegenstände auf Horden legte und durch Anwendung einer Heizquelle dörrte (Backobst). Neuerdings wird heiße Zugluft verwendet (vgl. Darre). Für das Austrocknen von Fleisch sind verschiedene Verfahren angegeben worden: Anwendung heißer Luft, kalter Luft, welche von aller Feuchtigkeit befreit ist, Aufteilung von hygroskopischen Substanzen (Chlorcalcium) in der Trockenkammer und Benutzung des Vakuums. Auch werden diese Verfahren mit andern, wie Einsalzen und Verwendung andrer antiseptischen Mittel, verbunden. – Die Wirkung aller Trockenmethoden beruht auf der Entziehung der den Fäulniserregern zu ihrer Entwicklung nötigen Feuchtigkeit, und ihr besonderer Vorzug ist die durch die Verminderung des Wassergehalts erzielte Gewichtsabnahme, wodurch so konservierte Nahrungsstoffe (bei den Gemüsen wird das Volumen oft noch durch eine Pressung sehr verringert [11], S. 284) zu billigen Preisen befördert werden können.

3. Konservierung durch Luftabschluß mit vorhergehender Tötung aller Mikroorganismen. Zuerst 1804 von Appert angegeben, ist das nach ihm benannte Verfahren mehrfach verbessert und besonders für die Darstellung im großen ausgearbeitet worden. Durch Kochen im Wasserbade der in Glas- oder Blechgefäßen befindlichen Nahrungsmittel werden die Fäulniserreger getötet und durch Verschluß der Gefäße der Zutritt neuer Keime gehindert. Nach dem Einfüllen in die verzinnten Blechdosen wird der Deckel aufgelötet und nur eine kleine Oeffnung gelassen, die nach dem Erhitzen sofort geschlossen wird. Neuerdings stellt man vielfach an Stelle der Lötung einen Falzverschluß mittels Maschinen her und erzielt den luftdichten Verschluß durch einen Gummiring. In den großen Konservenfabriken kommen die Nahrungsmittel gar nicht mit den Händen der Arbeiter in Berührung, und der ganze Prozeß von der Reinigung und Zerteilung bis zum endlichen Verschluß geschieht auf maschinellem Wege. Auch wird hier bei dem Kochen durch Anwendung eines Druckes von 11/2–2 Atmosphären eine Zeitersparnis bis auf ein Zehntel erzielt. Wenn bei der Herstellung mit Sorgfalt verfahren wird, z.B. je nach der Art des Fleisches auch die Zeit des Erhitzens bemessen ist, so sind die Konserven in bezug auf den Geschmack und die Verdaulichkeit kaum von frischbereiteten Nahrungsmitteln zu unterscheiden. Ihre Haltbarkeit ist eine fast unbegrenzte. Ein Beweis für die gute Erhaltung der Konserven ist die nach innen gekehrte Wölbung des Bodens und Deckels der Dose, welche durch die bei dem Abkühlen im Innern der Büchse entstehende Luftverdünnung verursacht ist. Anderseits zeigen nach außen gekehrte Wölbungen Gasentwicklung an, die durch eine Zersetzung des Büchseninhalts hervorgerufen ist. Es ist nicht gesagt, daß dieses sogenannte Bombieren der Dosen, deren Inhalt unbedingt zu verwerfen ist, sich gleich oder bald nach der Fertigstellung der Konserven zeigt. Die starke Gasentwicklung tritt vielmehr oft erst nach einiger Zeit ein, wenn eine gewisse Konzentration der durch die Bakterien selbst erzeugten Stoffe und damit ein günstiger Boden für ihre schnellere Vermehrung erreicht ist. Da die Verwendung verzinnter Dosen nicht ohne Bedenken ist, weil Zinn in Lösung gehen kann und weil dauernder Genuß solcher Konserven für den menschlichen Organismus schädliche Folgen hat, so überzieht man heute vielfach, besonders bei säurehaltigen Obstkonserven, das Innere der Blechdosen mit Lack [3] 1906, S. 1043. Ueber Herstellung der Dosen s. [12] und Blechgefäßherstellung. Ueber Konserven mit Heizvorrichtung s. [13].

4. Anwendung fäulniswidriger antiseptischer Stoffe. Die Wirkung solcher Substanzen liegt darin, daß sie entweder die Entwicklung der Fäulniserreger hindern oder daß sie dieselben töten. Das älteste und allgemein verbreitete Verfahren ist das Einsalzen oder Pökeln, bei dem in gewissen Fällen dem Kochsalz etwas Salpeter zugesetzt wird (s. Fleischwarenfabrikation). Der Billigkeit des Pökelns steht der Nachteil gegenüber, daß bei dem Einlegen ein Teil der Nährsalze aus dem Fleisch in die Lake übergeht, daß das Fleisch dadurch schwerer verdaulich wird und daß endlich sein dauernder Genuß der Gesundheit nicht zuträglich[603] ist. So sollen nach Untersuchungen von Pollenske ([14], 7., S. 471) bis 14% der stickstoffhaltigen Substanzen und bis 54% der Phosphorsäure (als Anhydrid berechnet) in die Lake gehen, während das Fleisch bis 13% Kochsalz aufnimmt. Bekannte andre Verfahren sind das Einlegen in Essig (Fleisch, Fische), oft mit Zusatz von Gelatine (Aspik), die Behandlung von Fischen mit Kochsalz im Verein mit andern Gewürzen (Anchovis) oder mit Oel (Sardinen), ferner die Konservierung von Obst und Fruchtsäften durch Zucker, zum Teil mit Zusatz von Essig, Zitronensäure, Branntwein, Rum u.s.w. Alle bisher erwähnten antiseptischen Methoden haben aber nicht nur den Zweck der Konservierung, sondern meistens auch den, ein Genußmittel von besonderem Geschmack zu schaffen. Anders liegt die Sache bei einer Anzahl von anorganischen und organischen Stoffen, welche nur der Konservierung dienen sollen und die den Nahrungsmitteln keinen andern Geschmack verleihen oder wenigstens nicht verleihen sollen. Hierhin gehören Borsäure, Fluorwasserstoffsäure, Salizylsäure und eine Anzahl Salze dieser Säuren, schwefligsaure und unterschwefligsaure Salze, ferner der in den letzten Jahren verschiedentlich empfohlene Formaldehyd, der noch in sehr geringer Menge konservierend wirken, aber anderseits auch noch in Verdünnungen von 1 : 40000 durch den Geschmack bemerkbar sein soll [16] 1905, II, S. 159. Endlich sind noch die sogenannten Präservesalze zu nennen, welche durchgehend Gemenge der eben erwähnten Chemikalien sind und von denen alljährlich viele meistens mit wohlklingenden Namen versehene, neue von den Fabrikanten angepriesen werden. Ueber die Zusammensetzung solcher Präservesalze s. die einzelnen Jahrgänge von [13], [14] und [16]. In Deutschland ist die Festhaltung von Fleisch und Fleischwaren, welche mit den angeführten Chemikalien behandelt sind, gesetzlich verboten, nur das Pökeln ist gestattet. Diese Bestimmungen werden jedoch, besonders in betreff der Borsäure, von manchen chemischen und medizinischen Fachleuten als zu weitgehend betrachtet, da sie den Genuß von Borsäure und Salizylsäure in so geringen Mengen, wie sie den Nahrungsmitteln zugesetzt zu werden pflegen, für unschädlich halten; s. darüber [17]. Ebenso ist im Deutschen Reich die Anwendung von Gasen und Dämpfen, wie Schwefligsäureanhydrid, Stickoxyd, Formaldehyd u.s.w., verboten, während das älteste und wiederum sehr verbreitete Verfahren dieser Art, das Räuchern, gestattet ist (s. Fleischwarenfabrikation). Bei der Schnellräucherei wird verdünnter Holzessig zum Eintauchen oder Bestreichen benutzt und dadurch ein ähnlicher Erfolg wie bei dem Räuchern erreicht, da im Holzessig ähnliche Bestandteile wie im Rauch enthalten sind.

Spezielle Methoden.

Fleischextrakt, nach Liebigs Angaben zuerst von Pettenkofer dargestellt, wird seit Ende der fünfziger Jahre in größerem Maßstabe in Südamerika und Australien gewonnen. Nach Heinzerling [11], S. 214, wird das von Sehnen und Fett befreite und durch Schneidemaschinen zerhackte Fleisch von Rindern, seltener von Schafen, in großen Kesseln mit Dampf unter Hochdruck digeriert. Nach dem Erkalten vom abgeschiedenen Fett getrennt, klärt sich die Flüssigkeit, indem Eiweißstoffe und andre ausgeschiedene Substanzen sich absetzen. Nach der Filtration des Saftes wird er erst im Vakuum eingedampft und dann in mit großen Scheibenrührwerken versehenen Pfannen die Konzentration bis zum gewünschten Grade vorgenommen. Der Fleischextrakt hält sich ohne jeden Zusatz von antiseptischen Stoffen, da die im Fleisch enthaltenen Salze in so konzentriertem Zustande eine Zersetzung verhüten. Nach dieser oder ähnlicher Methode hergestellt, enthält der Fleischextrakt aus organischen Stoffen hauptsächlich Kreatin, Kreatinin, Leim, Milchsäure u.s.w., an anorganischen Kalium, Natrium, Calcium, Eisen, Chlor, Schwefelsäure, Phosphorsäure. Der Wassergehalt schwankt zwischen 16 bis 30% (flüssiger Fleischextrakt Cibils enthält bis 65%). Da Eiweiß oft gar nicht, meistens nur in Spuren vorhanden, so ist Fleischextrakt nur als ein schätzbares Genußmittel und nicht, wie man zuerst hoffte, als ein Nahrungsmittel zu betrachten. Als Nebenprodukte werden bei der Fleischextraktfabrikation die ausgelaugten Fleischrückstände im getrockneten Zustande als Fleischfuttermehl oder auch als Fleischdüngermehl gewonnen.

Bei den Fleischpeptonen sind die Eiweißstoffe des Fleisches entweder durch überhitzten Wasserdampf (meistens mit Zusatz verdünnter Säuren oder Alkalien) oder durch verschiedene Fermente (Pepsin, Pankreatin) in eine lösliche Form übergeführt; ihr Nährwert ist ein sehr verschiedener. Letzteres gilt auch für die Suppenkonserven, Fleischzwiebacke, Erbswurst u.s.w., die neben Fleisch oder Fleischextrakt Fett, Mehl, Gemüse und Gewürze, besonders Kochsalz enthalten.

Eierkonservierung. Während Eier im großen durch Lagern in Kühlräumen konserviert werden, hat man für die Konservierung der Eier im Haushalte eine Reihe von Verfahren angegeben, die alle erst eine Reinigung der Schale verlangen. Manche Methoden laufen darauf hinaus, die Poren der Eier zu schließen, so das Einlegen in Kalkwasser (nach dem Herausnehmen entsteht durch die Kohlensäure der Atmosphäre Calciumkarbonat), in Wasserglas, Eintauchen in Sulfitcelluloseablauge, in flüssiges Paraffin oder Wachs, in Kollodium, Gummilösung u.s.w. Bekannt ist die Aufbewahrung in Salzwasser (Soleier). Andre empfehlen ein kurzes Liegen in Lösungen von Kaliumpermanganat, Borsäure oder Salizylsäure, zum Teil mit nachherigem Lagern in Torfmull, Sägespänen, Kleie, Häcksel, Holzasche u.s.w. oder auch das Einwickeln in reines Papier. Noch andre halten die einfache Aufbewahrung auf Regalen in trockenen luftigen Räumen und dann und wann erfolgendes Umkehren der Eier, damit ein Ansetzen des Eigelbs an der Schale vermieden wird, für zweckmäßig. Endlich sei noch ein Verfahren erwähnt, nach dem man die Eier 15 Minuten in 35° C. warmes Wasser legt, dann die in Netzen, Sieben oder Körben befindlichen Eier 5 Sekunden lang in siedendes Wasser taucht und darauf sofort mit kaltem Wasser abkühlt. Die an der Luft getrockneten Eier sollen dann in Torfmull u.s.w. aufbewahrt werden [18]. Eierkonserven werden durch Eintrocknen bei 40–60° C. hergestellt, indem man sowohl Eiweiß und Eigelb gesondert oder gemengt behandelt. Ausführliches s. [18] und [19] (s.a. Eiweißstoffe).

[604] Milch. Wie kaum ein andres Nahrungsmittel ist die Milch der Veränderung, dem Sauerwerden unterworfen, indem aus dem Milchzucker Milchsäure entsteht, die das Kasein in der Milch ausfällt. Da bei gefunden Tieren die Milch völlig keimfrei im Euter enthalten ist, so hat man versucht, die Milch, ohne das Euter mit den Händen zu berühren, den Tieren zu entziehen, indem man die Zitzen direkt mit einem Röhrensystem in Verbindung setzte, das in ein Sammelbassin führte [15], 7, S. 131. Jedenfalls sind die Reinlichkeit aller Gefäße und die Aufbewahrung in kühlen trockenen, vor Staub geschützten Kellern zwei Erfordernisse, um rohe Milch eine Zeitlang gut zu erhalten. Rohe Milch verträgt nur kürzere Transporte; für weitere Versendung muß Sterilisieren durch Erhitzen im Wasser- oder Dampfbade und luftdichter Verschluß angewendet werden, also eine Art des Appertschen Verfahrens, wie es heute mit Hilfe des Soxhletschen Apparates für die zur Ernährung der Säuglinge benutzte Milch in vielen Haushaltungen verbreitet ist. Im großen geschieht die Sterilisation durch das Neuhauß-Gronwald-Oelmannsche Verfahren, wobei, um sicher alle Keime zu töten, eine Vorsterilisation bei 90–99° und eine Hauptsterilisation bei 102° stattfindet [14], 7, S. 150. Auch das direkte Gefrieren der Milch ist empfohlen worden [15] 1898, I, S. 399. Pasteurisierte Milch wird 15–20 Minuten auf 70° C. erwärmt und dann schnell auf 10–15° C. abgekühlt; sie besitzt weniger Kochgeschmack als die sterilisierte; homogenisierte Milch ist auf 50° C. erwärmte Milch, die einer heftigen Bewegung ausgesetzt worden, wodurch eine Zerkleinerung der Fettkügelchen und damit eine Verhinderung der Aufrahmung, selbst nach wochenlangem Stehen, bewirkt wird [15] 1903, II, S. 1385. Ein andrer Weg der Milchkonservierung wurde in Europa zuerst im großen zu Cham (Kanton Zug) von der Fabrik der Anglo-Swiss Condensed Milk Company durch Herstellung der kondensierten Milch eingeschlagen. Die zum Sieden erhitzte Milch wird in Vakuumapparaten bei 50–60° ungefähr auf ein Viertel ihres ursprünglichen Volumens entweder mit oder ohne Zusatz von Zucker eingedampft und nach dem Abkühlen rasch in Weißblechdosen luftdicht eingeschlossen. Das Produkt besitzt bei weißer bis gelblicher Farbe etwa Honigkonsistenz und gibt, mit Wasser verrührt, eine gleichmäßige Flüssigkeit, in der das Kasein sowie die Fettkügelchen unverändert geblieben sind. Auch die Verarbeitung der Milch zu Milchpulver ist ausgeführt worden. – Zusatz von Chemikalien zu frischer Milch, welche die bei der Zersetzung entstehende Säure binden (Natriumbikarbonat) oder direkt antiseptisch wirken sollen (Fluornatrium, Wasserstoffsuperoxyd, Salizylsäure, Formaldehyd), sind kaum zu empfehlen, jedenfalls für Säuglingsnahrung zu verwerfen.

Butter. Bei der gebräuchlichsten Methode, dem Salzen, wirkt ein Zusatz von 3–5% gleichmäßig konservierend, während ein Zusatz über 6% die Haltbarkeit beeinträchtigen soll. Von antiseptischen Mitteln soll Borsäure und auch Fluornatrium benutzt werden. Vielfach wird Butter – außer durch Kälte in Kühlräumen – durch Schmelzen, am besten im Wasser- oder Dampfbade, konserviert. Die haltbarste Butter soll aus zweimal pasteurisiertem sauren Rahm bei niederer Temperatur gewonnen werden [14], 22, S. 235.

Bier und Wein. Auch hier ist jeglicher Zusatz von antiseptischen Mitteln zu verwerfen. Die zur Aufbewahrung und zum Transport bestimmten Fässer werden bei dem Wein geschwefelt, bei dem Bier gepicht. Zur eigentlichen Konservierung dient das Pasteurisieren (s. Bd. 2, S. 25). Bei dem Ausschank des Bieres dient flüssige Kohlensäure nicht nur als Druck-, sondern auch als Konservierungsmittel, indem sie die atmosphärische Luft mit ihren Pilzkeimen abhält und auch das Schalwerden des Bieres verhindert. Ueber alle Fragen der Nahrungsmittelkonservierung s.a. die einzelnen Jahrgänge von [20].

Vgl. a. Altertümer-, Gemälde-, Holzkonservierung, Steinhärtungsmittel.


Literatur: [1] Dammer, U., Handbuch für Pflanzensammler, Stuttgart 1891, S. 31 u. 42. – [2] v. Neumayers Anleitung zu wissenschaftl. Beobachtungen auf Reifen, 3. Aufl., Hannover 1906, Bd. 2, S. 432. – [3] Chemikerzeitung, Cöthen. – [4] Martin, P. L, Taxidermie, 3. Aufl., Weimar 1886. – [5] Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften, Bd. 13, Ein Beitrag zur Museumstechnik, Hamburg 1895. – [6] Anleitung zum Sammeln, Konservieren und Verpacken von Tieren für das zoologische Museum in Berlin, 2. Aufl., 1902. – [7] Hinterwaldner, J.M., Wegweiser für Naturaliensammler, Wien 1888. – [8] Proceedings, U.S. National Museum, New York, Bd. 30, S. 245, Hrdlicka: Brains and brain preservations. – [9] Dinglers Polytechn. Journ., Stuttgart, Bd. 267, S. 381. – [10] Böhm u. Oppel, Handbuch der mikroskopischen Technik, 5. Aufl., München und Berlin 1904; Friedländer, Mikroskopische Technik, 6. Aufl., Berlin 1900; Zimmermann, A., Die botanische Mikrotechnik, Tübingen 1892; Ders., Das Mikroskop, Leipzig u. Wien 1895. – [11] Heinzerling, Ch., Die Konservierung der Nahrungs- und Genußmittel, Halle a. S. 1884, S. 158 u. 161. – [12] Polytechn. Zentralbl., Berlin 1895–1896, S. 2. – [13] Zeitschr. für Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel, Berlin 1905, S. 355. – [14] Arbeiten aus dem Kais. Gesundheitsamt, Berlin. – [15] Chemisches Zentralbl., Hamburg u. Leipzig. – [16] Jacobsen, Chemisch-techn. Repertorium, Berlin. – [17] Zeitschr. f. angew. Chemie, Berlin 1904, S 652 ff. – [18] Prometheus, Berlin 1902, S. 447. – [19] Ahrens, Sammlung chemisch-techn. Vorträge, Stuttgart, V, S. 415; Strauch, Das Hühnerei als Nahrungsmittel und die Konservierung der Eier, Bremen 1896. – [20] Konservenztg., Braunschweig.

Rathgen.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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