- Riemenberechnung
Riemenberechnung betrifft die Elastizität und Fertigkeit, die Reibung auf den Scheiben und die zulässige Beanspruchung zur Ermittlung der Riemenbreite.
Der Elastizitätsmodul E, wie er im Hookeschen Gesetz benutzt wird, ist das Verhältnis der Spannung σ Dehnung ϑ = λ/l, also E = σ/ϑ. Dagegen hat v. Bach [2] den Elastizitätsmodul aufgefaßt als das Verhältnis der Differenz zweier Spannungen σ2 σ1 zu der Verlängerung von der einen zur andern Belastungsstufe λ2 λ1 in bezug auf die Länge l1 bei der niederen Spannung, also E0 = (σ2 σ1) l1/(λ2 λ2). Trägt man zusammengehörige Werte von σ und ϑ, z.B. nach [1], auf, so erhält man eine Kurve, indem sich Treibriemen zuerst stark nach der Zugrichtung strecken, bei höheren Belastungen weniger und gleichmäßiger. Zur Rechnung empfiehlt sich eine vereinfachte Annäherung mit E0 = dσ/dϑ, und zwar: für neue Lederriemen σ = 1250 ϑ 40 kg/qcm, wobei E0 = 1250 konstant erscheint und E = 1250 σ/(σ + 40) ist; für gebrauchte Lederriemen etwa σ = 2000 ϑ 10 und E = 2000 σ/(σ + 10); für Baumwollriemen σ = 1000 ϑ 10 bis 20 und E = 1000 σ/(σ + 10 bis 20); für Gummiriemen σ = 500 ϑ 5 und E = 500 σ/(σ + 5). Aehnliches gilt für Hanfseile. Legt man nun einen neuen Lederriemen mit 5% Verkürzung seiner natürlichen Länge auf, so erhält er eine Auflegespannung σ = 0,05 E, und zwar 22,5 kg/qcm; ein gebrauchter Riemen erhält mit 1,5% Verkürzung σ = 0,015 E = 20 kg/qcm. Die Durchhängung berechnet sich wie bei den Drahtseilen (s.d.) für eine wagerechte Spannweite von L m mit γ = 1 kg/l spez. Gew. zu h cm = 1,25 L2/σ; z.B. für L = 6 m und σ = 22,5 kg/qcm zu h = 2 cm.
Die Zugfestigkeit von Lederriemen beträgt im Mittel 270 kg/qcm, steigend auf 300 bis 400 bei raschem Anspannen und sinkend auf 200 bei lange dauernder Belastung [1].
Im Betriebe herrscht an Stelle der gleichmäßig verteilten Ruhekraft S die Kraft T kg im straffen Trum und t kg im losen Trum. Dabei bleibt die Summe T + t = 2 S dieselbe wie vorher, weil sich die Längenstreckung des Riemens im ganzen nicht ändert. Ferner muß der Unterschied T t = P sein, nämlich gleich der zu übertragenden Umfangskraft von P kg. Als Folgerung ergibt sich T = S + 1/2 P und t = S 1/2 P. Da die Auflegekraft S willkürlich veränderlich ist, rechnet man gewöhnlich als einfachen Mittelwert T + t = 3 P, so daß T = 2 P und t = P wird.
Die Zugspannung kann man wohl für T = 2 P als die größte Kraft im Riemen, abgesehen von der Biegung, ansetzen; da aber T = S + 1/2 P im allgemeinen veränderlich ist, empfiehlt es sich, die Nutzspannung sn = P/f unmittelbar zu wählen. Genauer sollte man sie auf eine Breite b0 = b 1 bis 2 cm und eine Dicke a0 = a 0,1 bis 0,2 cm beziehen unter Rücksicht auf die Schlußverbindung mit vielleicht 0,80facher Verschwächung. Passend nimmt man a0 = 1/2 ∛Dm oder a = 0,4 ~ 0,6 ~ 0,8 cm für D = 0,1 ~ 1 ~ 2 und mehr Meter Durchmesser der kleineren von beiden Scheiben. Die zulässige Spannung sei 25 kg/qcm; unter der Voraussetzung, daß man für schnellen Lauf eine bessere Qualität auswählt, darf sie mit v steigen, etwa im Verhältnis 1/2 ∛v = 1/2 ~ 1 ~ 3/2 fach für v = 1 ~ 8 ~ 27 m/sec. Die Erfahrung lehrt, daß schnell laufende Riemen besser durchziehen als langsam gehende, indem das Verhältnis der Kräfte im straffen und losen Trum günstiger wird, weil die Zugkraft, zumal bei ruckweiser Wirkung, in einem schnell über nicht zu kleine Scheiben laufenden Riemen nicht über das aufliegende Riemenstück hindurch bis zum losen Trum hinüber wirkt. Doppelriemen übertragen im Verhältnis (1 + 1/2 Dm) mehr als einfache, d.i. 5/4 ~ 3/2 ~ 2 für D = 0,5 ~ 1 ~ 2 und mehr Meter. Kunstriemen belastet man bei gleicher Dicke etwa 0,80 mal so stark wie Lederriemen. Nach diesen Rücksichten erhält man für einfache Lederriemen
oder zur Abkürzung der Rechnung mit dem Zuschlag zur Breite:
Die Ergebnisse dieser Berechnung stimmen annähernd überein mit den Zahlen der von C. Otto Gehrkens in Hamburg [3] aufgestellten und bewährten Tabelle:
[431] Eine von Boesner [4] berechnete Tabelle [9] für die übertragenen Pferdestärken führt auf folgende Zahlenreihe links:
Die Zahlenreihe rechts ohne Berücksichtigung der Geschwindigkeit entspricht der in Amerika gebräuchlichen Roperschen Formel 31,47 P = b · l, worin l die Länge des Berührungsbogens an der kleineren Scheibe hier zu 0,5 π D gerechnet ist. Die Größe der Anlagefläche scheint einen gewissen Einfluß zu haben, vielleicht weil die Reibziffer für Leder mit der Anlagefläche größer wird; für kleine Flächen ist μ = 0,2 bis 0,3, für große 0,6 bis 0,8 gemessen werden [6]. Dagegen ist die Ansicht unhaltbar, daß der Luftdruck mitwirke [8]. Gelegentlich versteht man, um das Entweichen der mitgerissenen Luft zu erleichtern, den Scheibenkranz mit Bohrungen oder Rillen, sogar den Riemen mit vielen Langlöchern.
Die Biegungsspannung, die dadurch entsteht, daß die innere Faser des Riemens im Halbmesser R der Scheibe, die äußere mit R + a und die innere Faser des Randes neben der Wölbung von der Höhe w im Halbmesser R w um die Scheibe gestreckt liegt, beträgt E (a + w)/D oder rund 1000/D cm = 100 ~ 50 ~ 10 kg/qcm für D = 10 ~ 20 ~ 100 cm. Sie addiert sich mit der Zugspannung T/f an der Auflaufstelle des straffen Trums zu der größten Gesamtspannung. Man ersieht, daß Scheiben unter 20 cm, besonders als treibende Kraftscheiben, den Riemen stark anstrengen, um so mehr, je dicker er ist, und besonders, wenn die Schlußverbindung steif ist. Die Forderung, daß der Scheibendurchmesser mindestens 100 a betrage, läßt sich nicht einhalten; an Scheibengröße zu sparen ist aber am teuersten.
Die Fliehkraft schnell laufender Riemen wirkt an den auf der Scheibe liegenden Teilchen radial nach außen und wird im Gleichgewicht gehalten durch die an den Enden eines jeden Teilchens dadurch hervorgerufenen tangentialen Zugkräfte Z, wie in einem Ringe ohne Radarme. Für ein Element vom Bogen dφ ist die Fliehkraft F = 2 Z sin 1/2 dφ =Z d φ. Mit F = f r d φ γ v2/r g und Z = f sz folgt die Spannung infolge der Fliehkraft sz = 0,01 γ v2 kg/qcm mit γ = 1 kg/l. Im geraden Trum überträgt sich die Kraft Z von der einen zur andern Scheibe, so daß sie im ganzen Riemen konstant wirkt, unabhängig vom Radius der Krümmungen, und die Auflegekraft S zum Teil ausgleicht, so daß der Achsdruck auf 2 (S Z) abnimmt. Die Spannungen im straffen und losen Trum mit den Kräften T und t werden durch die Fliehkraft nicht geändert. Wenn Z = S wird, hört die Kraftübertragung auf, denn die Fliehkraft mindert die Anpressung des Riemens an die Scheibe und damit die nutzbare Reibung.
Wenn ein biegsames Band über eine Rundung gleitet, wirkt die Reibung nach Maßgabe der Zugkraft so, daß für ein Bogenelement d φ die Kraft K um d K = μ N zunimmt, wobei der Normaldruck N = 2 K sin 1/2 d φ = K d φ vermindert um die Fliehkraft F = Z d φ ist, also d K = μ (K Z) d φ. Durch Integration von φ = 0 bis α und von K = t bis T erhält man eμα = (T Z)/(t Z) = (S Z + 1/2 P)/(S Z 1/2 P) oder P/(S Z) = 2(eμα 1)/(eμα + 1). Wenn Z gegenüber den andern Kräften verschwindet, bleibt T/t = eμα. Hierbei gilt α in Längenmaß = α° π/180. Gleitet das Band auf dem 0,3 0,4 0,5 0,6fachen Teil des Kreisumfangs, so wird für μ = 0,25 der Wert eμα = 1,6 1,9 2,2 2,6; für μ = 0,50 aber 2,6 3,5 4,8 6,6. Näherungsweise trifft man diese Werte mit (8 μ α°/360)2 + 1 bis 1,2. Nun ist aber α nicht der ganze vom Riemen umspannte Winkel, sondern kleiner als dieser [7], nämlich derjenige Bogen, auf dem sich der Uebergang von t auf T unter Streckung und entsprechender Gleitung des Riemens vollzieht, und zwar α° = (180/π μ) ln (T Z)/(t Z) = (132/μ) log (T Z)/(t Z). Soweit die Umspannung größer als α ist, liegt der Riemen mit unveränderter Spannung auf der Scheibe. Bei Erhöhung der Umfangskraft P nimmt die Bogenreserve ab. Im Grenzfall beginnt der Riemen zu gleiten, so daß hierbei α bestimmt ist und μ gemessen werden kann. Wenn man a gleich dem Umspannungswinkel rechnet, wäre die Leistungsfähigkeit des Riementriebes mit der rechnungsmäßigen Kraft P erschöpft, so daß bei einer Steigerung der Kraft schon Gleiten eintreten müßte, wenn nicht etwa der Riemen stärker als berechnet angespannt wird. Anstatt von eμα auszugehen, muß man der Rechnung vielmehr die allerdings willkürliche Anspannung S zugrunde legen. Meist wird im Betriebe der Riemen stark gespannt, so daß 2 S = T + t = 6 P bis 5 P wird. Hiernach sind besonders die Wellen freitragender Scheiben zu berechnen. Mit der Zeit läßt die Spannkraft nach, so daß T + t = 3 P gelten mag. Unter günstigen Verhältnissen, nämlich bei sorgsam bedienter Nachstellung und stetiger Betriebskraft sowie tadelloser Ausführung in allen Teilen [6], genügt schon eine geringe Anspannung, etwa T + t = 2 P bis 1,5 P. Hiernach stehen folgende Verhältnisse zur Verfügung:
Für die Nutzspannung sn = P/f, die Ruhespannung so = S/f und die Fliehkraftspannung sz = Z/f besteht wie für die Kräfte die Beziehung sn/(s0 sz) = 2 (eμα 1)/(eμα + l). Daneben ist die größte Gesamtspannung s = T/f, abgesehen von der Biegungsspannung, bestimmt durch s = s0 + 1/2 sn. Schließlich ist die spezifische Leistung an Pferdestärken, die von 1 qcm Riemenquerschnitt übertragen werden, N/f = P v/75 f. Für a = 0,6 cm gilt P/b = 0,6 sn. Aus[432] der folgenden Zusammenstellung, in abgerundeten Zahlen, berechnet für das übliche Verhältnis eμα = 2 mit sn = 2/3 (s0 sz) und 3 s = 4 s0 sz, erkennt man, daß die Nutzspannung mit Steigerung der Geschwindigkeit abnimmt, wenn die Ruhespannung konstant, z.B. 25 kg qcm ist, oder wenn die Gesamtspannung auf 30 kg/qcm gehalten wird, aber auch für mäßige Geschwindigkeiten gering wird, falls man die Spannungen den Angaben von Gehrekens annähert, indem man willkürlich s0 = 8 ∛v wählt. Die Leistungsfähigkeit in Pferdestärken pro 1 qcm Querschnitt ist bei Geschwindigkeiten um 30 m/sec am günstigsten.
Literatur: [1] Zeitschr. d, Ver. deutsch. Ing. 1884, S 870. [2] Ebend. 1884, S. 740 u. 891; 1887, S. 221; 1902, S. 985, v Bach. [3] Ebend. 1893, S. 15; 1896, S. 1259; 1903, S. 476, Gehrekens. [4] Ebend. 1893, S. 667; 1896, S 908, Boesner. [5] Ebend. 1893, S. 970; 1900, S. 1509; 1901, S. 1638. [6] Ebend. 1907, S. 1085, Kammerer, Versuche; auch Forschungsarbeiten. [7] Ebend. 1908, S. 965, Brauer. [8] Dinglers Polyt. Journal, Bd. 228 238. [9] Brüggemann, Theorie und Praxis der rationellen Spinnerei II, Stuttgart 1898, S. 128/139.
Lindner.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.