- Säulen aus Eisenbeton
Säulen aus Eisenbeton sind folgendermaßen ausgebildet: Der Betonpfeiler von irgendeiner Querschnittsform schließt eine gewisse Anzahl vertikal stehender Rundeisenstangen ein, die in der Nähe des Umfangs untergebracht sind. In gewissen Abständen sind diese Rundeisen durch Querarmierung miteinander verbunden.
Die gebräuchlichsten Arten der Querarmierung bei Säulen sind die Bügel (s.d., S. 111), welche als Schleifenbügel und Umschließungsbügel angewendet werden, und die Spiralbewehrung. Nach Fig. 1 werden die in der Nähe der Ecken des quadratischen Querschnitts stehenden Längseisen in Abständen von 15 bis 30 cm durch je 4 schleifenförmige Bügel aus 6 bis 8 mm starken Rundeisen verbunden. Statt der Schleifenbügel genügen auch die einfachen Umschließungsbügel (vgl. Fig. 2). Bei größeren Querschnittsabmessungen der Säule werden noch weitere Längsstangen in der Seitenmitte nötig und in diametraler Richtung wieder durch Bügel miteinander verbunden (Fig. 3). Fig. 4 und 5 stellen die spiralförmige Umwicklung nach Considère (D.R.P. 149944) bei quadratischem und rundem Kern vor, während in Fig. 6 die Umschließung des Betonkerns und der Längsstangen durch kreisförmige, geschweißte oder umgehakte Ringe, die in geringen Höhenabständen aufeinander folgen, dargestellt ist. In allen Fällen sind die Bügel und Spiralen noch mit einer 2 cm starken Betonschicht überdeckt.
[647] Die Armierung bildet also ein Eisengerippe, das den Beton einschließt und ihn am seitlichen Ausweichen hindert. Die Steigerung der Druckfestigkeit ist um so größer, je vollkommener die Umschließung des Betonkerns erfolgt, und tatsächlich haben die Versuche ergeben, daß die Spirale von geringer Ganghöhe die wirksamste Form der Querarmierung von Betonpfeilern ist. Die Längseisen kommen für die Tragfähigkeit einer Eisenbetonsäule erst dann in Betracht, wenn ihre Knicklänge durch genügend enge Bügel entsprechend verkürzt ist.
Die Längseisen endigen am Fuß der Säule in einem besonderen Betonsockel, welcher die Säulenlast auf eine größere Fläche des eigentlichen Fundamentbetons überträgt. Früher hat man die Eisen auf einen im Sockel einbetonierten Flacheisenrost aufstehen lassen, den man aber neuerdings meist wegläßt. Die Anordnung der Längseisen beim Uebergang von einem Stockwerke zum andern zeigt Fig. 7.
Beim Belastungsversuch ist zwischen den gewöhnlichen mit Bügeln bewehrten Säulen und den umschnürten oder spiralbewehrten Säulen zu unterscheiden. Während bei den ersteren die Tragfähigkeit mit dem Auftreten der ersten Risse erschöpft ist, zeigt sich bei den letzteren, daß bald nach dem Auftreten der ersten Risse die außerhalb der Spirale gelegene Betonkruste abblättert und die Last auf den stehenbleibenden umschnürten Kern noch weiter (bis über das Doppelte bei starker und enger Spirale) gesteigert werden kann.
Versuche, die von der Materialprüfungsanstalt Stuttgart für die Inhaberin des Spiralenpatents, die Firma Wayß & Freytag A.-G., durchgeführt wurden, ergaben, daß die 90 cm hohen Prismen, die im Alter von 45 Tagen unter der Höchstlast um 23 mm zusammengedrückt worden waren, nach einer wiederholten Belastung im Alter von 90 Tagen und einem Jahr eine Steigerung der Höchstlast aufwiesen. Nach der zweiten Prüfung wurden die Spiralen an mehreren Säulen losgewickelt, und die verbleibenden Kerne von 90 cm Höhe wurden dann einer weiteren Belastung unterworfen und lieferten Druckfestigkeiten, die meist höher waren als diejenigen der nicht armierten 45 Tage alten Prismen (vgl. Fig. 9a). Hiernach ist der Beweis geliefert, daß der umschnürte Kern, hinreichend starke Spiralarmierung vorausgesetzt, nach Abspringen der äußeren Betonschale und nach Erreichung der Höchstlast seinen Zusammenhang bewahrt, daß er nicht von Rissen durchzogen oder zerbröckelt ist, sondern daß er mit fortschreitendem Alter weiter erhärtet.
[648] Die beobachteten Festigkeiten der losgewickelten Kerne zeigen, daß es sich nach Antreten der Risse in der äußeren Betonumhüllung nicht wie bei den mit Bügeln bewehrten Säulen um Bruchstücke handelt, welche durch die Eisen am Auseinanderfallen gehindert werden, sondern daß es sich um innerlich intakte Betonkörper handelt.
Die Berechnung der Eisenbetonsäulen geschieht zweckmäßig für das Bruchstadium, wo die Längseisen bis zur Quetschgrenze ausgenutzt sind. Durch die Messungen bei den Versuchen ist erwiesen, daß die Zusammendrückungen vor dem Bruch so groß sind, daß die Quetschgrenze der Längseisen sicher erreicht wird. Die Eisenspannung bleibt dann auf dieser Spannungsstufe stehen, bis bei weiter zunehmender Last der Bruch des Betons erfolgt. Bei den umschnürten Säulen ist zur Ermittlung der Tragfähigkeit vom umschnürten Kern auszugehen, da dieser im Bruchstadium vom Betonquerschnitt noch übrig ist. Die gebräuchlichen Bügel geben wohl den Längseisen einen Schutz gegen Ausknicken, erhöhen aber die Eigenfestigkeit des Betons nur in verschwindendem Maß, weil die gebräuchlichen Abstände zu groß sind und die Umschließung wegen der Umhakung unsicher ist.
Für die Berechnung der Bruchlast erscheint die Formel
P = Fe · σs + Fk · kb + m · Fe' · kb
am geeignetsten. Hierin bedeutet Fe den Querschnitt der Längseisen, Fe' den Querschnitt gedachter Längsstangen, deren Volumen demjenigen der Querarmierung auf dieselbe Säulenhöhe gleich ist, σs die Quetschgrenze der Längseisen ca. 2400 bis 2800 kg/qcm, Fk den umschnürten Betonkern bei Spiralen, für welchen bei Bügeln der ganze Betonquerschnitt Fb zu setzen ist, kb die Druckfestigkeit der nicht armierten Betonprismen (Prismenfestigkeit), m ein durch die Versuche ermittelter Koeffizient. Die Formel gibt die 3 Teile an, aus denen sich die Bruchlast zusammensetzt, nämlich den Widerstand der Längseisen, die Eigenfestigkeit des Kernbetons und den Einfluß der Querbewehrung.
Vernachlässigt man bei Bügelarmierung das letzte Glied und setzt σs = 2700, kb = 180 kg/qcm, so erhält man
P = 2700 · Fe + 180 · Fb = 180 (Fb + 15Fe).
Wählt man fünffache Sicherheit, so ergibt sich hieraus die zulässige Säulenlast zu
Pzul. = 36 (Fb + 15Fe)
in nahezu vollständiger Uebereinstimmung mit der Formel der deutschen Leitsätze, die mit P = σb (Fb + n Fe) angegeben ist und in welcher n = 15 zu setzen ist.
Der Koeffizient m für Spiralarmierung zeigt sich nach den Versuchen mit der Eigenfestigkeit des Betons veränderlich. Je geringer diese ist, um so größer wird m. Soweit Versuche der französischen Kommission und der Firma Wayß & Freytag vorliegen, kann gesetzt werden bei einer
Diese Zahlen beziehen sich nur auf runde Spiralen, für viereckige empfiehlt es sich, m nur = 33 zu setzen. Die zulässige Last ist zu 1/5 der Bruchlast anzunehmen. Die Prismenfestigkeit kb des Betons kann zu 0,8 seiner Würfelfestigkeit gesetzt werden. Damit noch genügende Sicherheit gegen das Auftreten von Rissen in der Betonumhüllung außerhalb der Spirale vorhanden ist, soll
Damit die Wirkung der Spiralen voll zum Ausdrucke kommt, darf die Ganghöhe nicht mehr als 1/7 bei größerer Säulenstärke nicht mehr als 1/10 des Kerndurchmessers betragen, ferner sollen die Längseisen Fe zur Eisenmenge Fe' im Verhältnis 1 : 1 bis 1 : 3 stehen.
Nach den preußischen ministeriellen Bestimmungen für Eisenbeton werden die spiralarmierten Säulen nach der Formel gerechnet P = σb · Fi, wo
Fi = Fb + 15Fe + 30Fs'
ist und Fb den ganzen Betonquerschnitt, Fe den Querschnitt der Längseisen und Fs' den Querschnitt einer gedachten Längsarmierung bedeutet, deren Gewicht gleich dem der Spiralarmierung auf die gleiche Säulenhöhe ist. Der aus der Formel für Fi sich ergebende Wert darf indessen nicht über 2Fb hinausgehen.
Die Berechnung der Eisenbetonsäulen auf Knickung erfolgt zweckmäßig nach der von Prof. W. Ritter vorgeschlagenen Formel
worin σk die beim Ausknicken vorhandene Druckspannung, kb die Prismenfestigkeit des Betons,
den Trägheitsradius und l die freie Knicklänge bedeuten. Eine fünffache Sicherheit gegen Ausknicken ist hinreichend. Im Trägheitsmoment J und in der Querschnittsfläche F sind die Querschnitte der Längseisen mit dem n = 15 fachen Betrag zu berücksichtigen. Versuche über die Knickung von Eisenbetonsäulen sind bis jetzt nur an der Materialprüfungsanstalt in Stuttgart 1913 angestellt worden. Hier ergab sich, daß für verschiedene Betonqualitäten und verschiedene Armierungen die angegebene Formel gültig bleibt. Der Koeffizient 0,0001 im Nenner ergab sich jedoch nur halb so groß = 0,00005. Für die Verwendung in der Praxis[649] erscheint jedoch der größere Wert angezeigt, weil die Ausführung nicht so tadellos möglich ist und auch die Eisen nicht ganz genau in der richtigen Lage bleiben.
Literatur: [1] C. v. Bach, Druckversuche mit Eisenbetonkörpern, Mitteil. über Forschungsarbeiten 1905, Heft 29. [2] Considère, Génie civil, November 1902, und »Beton und Eisen« 1902, Heft 5. [3] Commission du ciment armé, expériences, rapports et propositions, relatives à l'emploi du béton armé, Paris 1907. [4] Considère, Le béton fretté et ses applications, Paris 1907. [5] Deutscher Ausschuß für Eisenbeton, Heft 5, Berlin 1910. [6] Mörsch, Eisenbetonbau, 4. Aufl., 1912. [7] Handbuch für Eisenbetonbau, 2. Aufl., Berlin. [8] J.A. Spitzer, »Beton und Eisen« 1912, Heft 20. [9] C. v. Bach, Knickungsversuche mit Eisenbetonsäulen, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1913, S. 1969.
Mörsch.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.