Bauglieder

Bauglieder

Bauglieder nennt man die Elemente der Formen einzelner Bauteile, z.B. an Gurten, Umrahmungen, Sockeln u.s.w. Sie sollen in ihrer verschiedenen Größe und Ausbildung den Charakter und Zweck der Teile klar und scharf aussprechen. Nach ihren Funktionen unterscheidet man: 1. tragende und stützende, 2. scheidende oder trennende, 3. säumende oder verbindende, 4. bekrönende Bauglieder. In formaler Hinsicht sind es gerade und runde Glieder.

[579] Gerade Bauglieder sind: A. Platte, als Hauptteil jedes Gesimses, ist scharfkantig platt oder mit entsprechender Verzierung geschmückt (Fig. 1 und 2); s.a. Mäander. Schwach vortretend wirkt sie wagerecht scheidend als Band (s. Bandgesims), oder tragend als Unterlage eines Pfeilers oder Säulenfußes, Plinte (s.d.). Stark ausladend bildet sie die obere Abgrenzung oder Abdeckung eines Bauteils entweder als Gurtsims (s.d.), Fig. 3, oben mit Wasserschräge, unten mit Wassernase versehen, oder aber als bekrönende Hängeplatte (s.d.) an einem Kranzgesimse (s.d.). B. Plättchen, Leistchen, Riemchen, Steg, schmal und schwach vortretend, selten allein, meist trennend oder verbindend, zwischen runden Formen (s. Fig. 911 und 1822). C. Glatte, säumende Fläche als abgeschrägte Fase, an Wänden und Pfeilern (Fig. 4).

Runde Bauglieder sind: D. Rundstab, Pfühl, in vollem Halbkreis vorspringend, entweder wagerecht an einem Sockel oder Säulenfuß in starkem Profil (Fig. 5) spricht er tragend die Wirkung von Last und Druck aus, oder senkrecht als Eckbildung eines quadratischen Pfeilers oder Pfostens (Fig. 6), oder zart und zierlich als trennendes oder säumendes Glied, und zwar glatt als Stäbchen (Fig. 7) oder verziert als Perlstab (Fig. 8); s. Astragal. E. Viertelstab, Echinus, Wulst, im Viertelkreis oder ähnlich vorspringend (Fig. 9 und 10), glatt oder in verzierender Ausschmückung als sogenannter Eierstab, ein tragendes Glied am dorischen oder toskanischen Kapitell (s. Säulenordnungen) oder Unterglied an Gurtgesimsen. In gestürzter Stellung auch als Sockelbildung (Fig. 11); s.a. Blattwelle. F. Kehle, Hohlkehle, Hohlleiste, eine eingezogene Form, die nach einem Viertel- oder einem Halbkreis (Fig. 12 und 13) oder einer andern zusammengesetzten Bogenlinie gekrümmt ist. Als Beispiele zeigen Fig. 14, im Viertelkreis gebildet (zuweilen Ablauf genannt), eine Bekrönung des Kranzgesimses. Fig. 15 ist eine Gesimsbildung des gotischen Stils, bei der die mehr oder weniger stark unterschnittene Kehle als Wassernase dient. Fig. 16 zeigt eine überstehende Einziehung als Deckenkehlung (s.d.), griechisch Skotie; Fig. 17 eine ansteigende Einziehung (Trochilus). Aus E. und F. zusammengesetzte Formen sind die doppeltgekrümmten: F. Wellen oder Karniese; die in verschiedenster Zusammenstellung erscheinen, und zwar als: a) stehende oder steigende Welle (Fig. 18 und 19), Rinnleiste, Sima (Kyma), ein bekrönendes und abschließendes Glied über der Hängeplatte (s.d.); b) verkehrt steigende Welle, Fig. 20 (Kehlstoß, Kehlleiste, lesbische Welle), tragend oder bekrönend; c) fallende Welle, nützendes Fußglied (Fig. 21), und d) verkehrt fallende Welle (Sturzrinne, Glockenleiste), Fig. 22; e) Kymation, im griechischen Baustil ein überschlagender oder unterschnittener Karnies (s. Blattwelle).

Durch eine richtige Zusammenstellung und Verbindung dieser Bauglieder wird die ausdrucksvolle Wirkung der Bauteile wesentlich gefördert und erhöht. Es sollen gerade und runde Glieder miteinander abwechseln und die wichtigeren deutlich hervortreten. Die Wirkung ist nach dem Stande des Beschauers bezw. der Entfernung von dessen Auge zu bemessen, und sind deshalb die hochgelegenen Bauglieder größer und kräftiger in Ausbildung und Vorsprung zu halten, während die dem Auge naheliegenden seiner und zarter zu bilden sind. Für die richtige Bemessung der Größe einzelner Glieder, besonders der kleinen Leistchen, dient der optische Maßstab [1]. Ueber das innere Wesen der Bauglieder in der griechischen Baukunst hat Professor Karl Bötticher in Berlin [2] Regeln aufgestellt und die Funktionen der einzelnen Formen und Bauglieder so klargestellt, daß diese für die klassischen Stile hiernach richtig zum Ausdruck gebracht werden können.


Literatur: [1] Märtens, H., Der optische Maßstab, Bonn 1877. – [2] Bötticher, K., Die Tektonik der Hellenen, Berlin 1877.

Weinbrenner.

Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4., Fig. 5., Fig. 6., Fig. 7., Fig. 8.
Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4., Fig. 5., Fig. 6., Fig. 7., Fig. 8.
Fig. 9., Fig. 10., Fig. 11., Fig. 12., Fig. 13., Fig. 14., Fig. 15., Fig. 16., Fig. 17.
Fig. 9., Fig. 10., Fig. 11., Fig. 12., Fig. 13., Fig. 14., Fig. 15., Fig. 16., Fig. 17.
Fig. 18., Fig. 19., Fig. 20., Fig. 21., Fig. 22.
Fig. 18., Fig. 19., Fig. 20., Fig. 21., Fig. 22.

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