- Brunnensysteme
Brunnensysteme. Vertikale Sammelanlagen im Gegensatz zu horizontalen verwendet man, wo man es mit nicht zu flachliegendem, mächtigerem Grundwasservorkommen zu tun hat.
Für den Bau von Brunnen gelten folgende allgemeine hygienisch-technische Grundsätze.
1. Alle Brunnen werden mindestens 1,2 bis 3 m unter den niedersten Grundwasserstand heruntergeführt. Der abgesenkte Spiegel soll möglichst nicht unter den obersten Wassereintrittsöffnungen liegen, damit keine Luft eintreten kann (Eisenausscheidung!).
2. Jede Art von Brunnen sowie ihre nächste Umgebung müssen vor dem direkten Eintritt von Oberflächenwasser unbedingt geschützt sein.
3. Bei gut konstruierten Brunnen soll während des Betriebs der Wasserstand im Brunnen nur wenig niedriger sein als außerhalb. Große Differenzen in diesen beiden Wasserständen weisen auf zu enge Eintrittsöffnungen oder deren Verlagerung oder auf zu große Absenkungen und damit auf die Gefahr plötzlicher Sandeinbrüche hin. Spiegeldifferenzen von 50 cm sind schon als recht groß anzusehen.
4. Hofbrunnen sollen mindestens 10 bis 12 m vom nächsten Verunreinigungsherd entfernt sein; bei Wasserwerksbrunnen sind die Schutzbezirke viel größer zu machen.
5. Der Ablauf des Wassers bei Hofbrunnen soll in einer Rinne geschehen bezw. in einen Fallkessel mit geordnetem Ablauf erfolgen.
Die wichtigste technische Entscheidung beim Bau von Brunnen betrifft die Wahl des Durchmessers. Hierbei stehen einander gegenüber die Rohrbrunnen mit Durchmessern von etwa 50 bis 600 und mehr Millimeter und die Kesselbrunnen mit etwa 1500 bis 3000 und mehr Millimeter Durchmesser.
Für die Wahl von großen Durchmessern sprechen folgende Umstände:
1. Die bequeme Zugänglichkeit und Reinigungsmöglichkeit der Objekte.
2. Die Möglichkeit, mehrere Saugleitungen, ja die Pumpen selbst in den Brunnen unterzubringen.
3. Der Umstand, daß ein weiter Brunnen bei kleiner Pumpenleistung und nicht ganz regelmäßiger Entnahme als Ausgleichsbehälter wirkt.
4. Der Umstand, daß der Grundwasserträger an zahlreichen Punkten mit dem Brunnen in Berührung kommt, was namentlich bei geringer Zuflußgeschwindigkeit und tonigem Untergrund und Fließen des Grundwassers in einzelnen Adern von Wert ist.
5. Bei starker Entnahme findet eine relativ geringere Erhöhung der Zuflußgeschwindigkeit statt, auch vollzieht sie sich langsamer als bei Rohrbrunnen.
[106] 6. In ganz groben Geschieben lassen sich weite Brunnen leichter ausführen als enge.
7. Der Umstand, daß das Wasser in wenig durchlässigem Boden vorzugsweise in einzelnen Adern fließt.
8. Wenn sehr wenig Bodenfläche für die Fassung zur Verfügung steht, also beispielsweise, wenn in engen Höfen größere Wassermengen gefaßt werden sollen.
Für Brunnen mit geringeren Durchmessern, speziell also die Rohrbrunnen, sprechen folgende Umstände:
1. Die Ergiebigkeit von Brunnen wächst bei weitem nicht proportional ihrem Durchmesser, sondern viel langsamer als dieser. Ein weiter Brunnen ist also bei gleicher Absenkung verhältnismäßig teurer als ein enger.
2. Ist ein Rohrbrunnen ohne den gewünschten Erfolg niedergebracht worden, so läßt er sich meist ohne großen Aufwand wieder ziehen.
3. Durch die engere Stellung mehrerer Rohrbrunnen ist die gleiche, ja eine größere Wasserentnahme erzielbar als bei wenigen oder einem Kesselbrunnen, aber und das ist hygienisch wie technisch von Bedeutung mit geringerer Absenkung des Grundwassers.
4. Man wird mit Rohrbrunnen in den meisten Fällen, insbesondere im Schwemmland der Flüsse, eine bestimmte Wassermenge billiger fassen können als mit Kesselbrunnen.
5. Man kann mit Rohrbrunnen den Veränderungen in der Ergiebigkeit des Untergrunds und in der Qualität des Grundwassers viel besser folgen als mit den großen Kesselbrunnen.
6. Rohrbrunnen erlauben die einfachste Erweiterung eines bestehenden Werks. Namentlich die beiden letzten Umstände (5. und 6) haben dazu geführt, daß insbesondere bei großen Fassungsanlagen der Rohrbrunnen heute weit mehr verwendet wird als der Kesselbrunnen. Bisweilen finden sich auch Kombinationen von Rohrbrunnen und Kesselbrunnen. Wir beschreiben nun die wichtigsten Brunnensysteme.
a) Abessinierbrunnen und Beobachtungsrohre. Ein eisernes Rohr, in der Regel von 25 bis 60, selten mehr Millimeter Lichtweite, wird mit einer Stahlspitze armiert und mittels einer Zugramme oder durch Hammerschläge in den Boden eingetrieben. Das Rohr ist oberhalb der Stahlspitze auf eine gewisse Länge, bis zu 2 m, durchlocht oder mit Schlitzen versehen; durch diese Löcher oder Schlitze kann sodann Grundwasser eintreten, sofern die Spitze eine entsprechende Partie des Grundwasserträgers durchdrungen hat. Die Schlitze selbst mit Löchern zu versehen, empfiehlt sich nicht. Ist das Untergrundmaterial sehr sein, so tut man gut, die Löcher und Schlitze mit einem verzinkten Kupferdrahtnetz oder Tressengewebe dicht zu überziehen.
Die Apparate zum Einrammen der Röhren (Schlagwerke) bestehen aus einem Dreifuß, einem möglichst schweren Rammbär und einer eisernen Rammklemme, die mit Holz gefüttert sein muß und mit Schrauben gegen das Brunnenrohr festgezogen wird. Zwei über Rollen gehende Zugseile ermöglichen das Heben des Bares; durch das Herabfallen desselben wird der Brunnen eingetrieben. Die größte Sorgfalt ist darauf zu verwenden, daß das Rohr während des Eintreibens eine genau vertikale Stellung hat und behält.
Noch einfacher, aber viel langsamer zum Ziele führend ist die Methode, bei welcher die Brunnen von einem leichten Holzgerüst aus durch einen Mann mittels eines breitkopfigen Hammers in den Bogen geschlagen werden (»Schlagbrunnen«).
Beobachtungsrohre spielen bei hydrologischen Vorarbeiten eine große Rolle. Sie dienen in erster Linie zur Beobachtung von Grundwasserspiegeln. Außerdem können sie benutzt werden zu Temperaturbeobachtungen des Grundwassers sowie zur Entnahme von Wasserproben.
Als Durchmesser genügt 5/4 Zoll vollkommen. Man senke die Beobachtungsrohre nicht weniger als 1,5 m unter den Grundwasserspiegel ein. Es empfiehlt sich jedoch, Beobachtungsrohre so anzulegen, daß man ein Loch mit etwa 200 mm Weite bohrt, dann das nicht mit Spitze versehene Abessinierrohr einstellt, den freien Raum mit reinem Kies ausfüllt und schließlich die äußere Verrohrung zieht. Man verhindert auf diese Weise mit Sicherheit das Verschlämmen des Drahtnetzes und gewinnt gleichzeitig beim Bohren Untergrundproben. Die Oberkante der Beobachtungsrohre versieht man mit einer verschließbaren Kappe.
b) Rohrbrunnen. Man versteht hierunter die mittels eines Bohrverfahrens als Röhren hergestellten Brunnen. Ihre Durchmesser bewegen sich meist zwischen 100 und 600 mm. Das Material ist Guß- (und Schmiede-) Eisen, Kupfer, Bronze, Steinzeug, die Metalle vielfach mit Verzinkung. Die meist notwendige Filtereinrichtung besteht aus Drahtsieben (Tressengeweben) und sogenannten Sandsperren. Die Maschenweite der Siebe wählt man in der Regel so groß, daß 40 bis 65% des Bodenmaterials hindurchgeht, und entsandet die Brunnen vor dem Gebrauch durch eventuell mehrtägiges Abpumpen.
Von wichtigen Konstruktionen sind zu nennen: der Thiemsche Rohrbrunnen. Er besteht aus einzelnen, miteinander verschraubten gußeisernen Schüssen, welche, soweit sie im Wasser stehen, mit weiten Schlitzen versehen und mit seinem Gewebe überzogen sind. Durch die Mitte des Brunnens geht ein weites kupfernes Saugrohr, und in diesem steckt ein zweites engeres Rohr (D = 20) von verzinntem Kupfer, welches zur Beobachtung der Wasserstände während des Betriebs dient. Alle Dichtungen am Brunnen sind mittels Gummiringen und Gummischeiben ausgeführt. Der obere Teil der Brunnen ist in Form eines Krümmers ausgeführt, wie beim Wasserwerk Köln-Hochkirchen, neuerdings setzt man statt dessen ein T-Stück auf, wie beim Wasserwerk Mainz, und v. Feilitzsch-Braunschweig hat die Konstruktion noch weiter so ausgebildet (D.R.P.), daß das Saugrohr mit geringer Mühe ausgewechselt werden kann (vgl. die Abbildung im Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung 1909, S. 125). Eine weitere Verbesserung stammt von G. Thiem in Leipzig. Den Nachteil, daß die Wassergeschwindigkeit in der unmittelbaren Nähe der Brunnen große Werte annimmt, vermeidet die Konstruktion E. Rutsatz (D.R.P. 232268) [2]. Einen ähnlichen Zweck verfolgt das »Gardefilter«[107] (D.R.P. 207694). Wir erwähnen noch das Patentwellenfilter der Firma Fr. v. Hof in Bremen und die Rohrbrunnen mit Metallgerippe und Metalltuchüberzug (D.R.P. 130456) [2] der Firma Deseniß & Jacobi in Hamburg, bei welchen jede Lötung vermieden ist; ferner die in Holland verwendeten Stangschen Muschelbrunnen [2].
Ein Brunnensystem ganz eigner Art Stellt das System der puits filtrants à lame de verre système E. Putzeys (D.R.P. 94218), von Detroy frères, 50 rue E. Charpentier, in Brüssel dar. Es ist bestimmt für feinden Sandboden, wie Schwimmsand. Die einzelnen Filterelemente bestehen hierbei aus Lagen von 25 bis 30 fensterglasdicken Glasplatten von 1 bis 3 cm Breite und 20 bis 30 cm Länge, welche in Rahmen elastisch zusammengefaßt werden. 20 bis 100 und mehr dieser Rahmen werden als Mantel eines Rohrbrunnens angeordnet, und dieser gestattet, den feinsten Sanden Wasser zu entnehmen, wobei man, je nachdem man die Glasplatten stärker oder schwächer aufeinander preßt, bewirken kann, daß feinste oder weniger seine Sandteilchen noch in den Brunnen gelangen können, was für das teilweise Entsanden der Brunnenumgebung nötig sein kann [2].
Neuerdings scheint auch das belgische Brunnensystem Simonet in Aufnahme zukommen [2], bei dem das Wasser in vertikaler Richtung in die Brunnen eintritt und so gezwungen wird, mitgeführten Sand abzulagern.
Eine Anzahl weiterer Konstruktionen, auch für artesische Brunnen, findet sich in [2], dort sind auch Angaben über den Anschluß von Brunnen an Sammelleitungen, über Inbetriebsetzung und Verschlämmung von Rohrbrunnen zu finden.
c) Gemauerte, Kessel- oder Schachtbrunnen werden sowohl mit durchlässigen als mit undurchlässigen Wänden gebaut; die ersteren haben meist dichte, die letzteren stets offene Sohlen.
Die Durchlässigkeit der Wände wird bei gemauerten Brunnen dadurch hergestellt, daß man auf die Länge der wasserführenden Schichte das Mauerwerk mit weiten Stoßfugen aufführt, auch kann man Drainrohre quer durch den Brunnenmantel stecken. Diese Verfahren sind möglich in Grundwasserträgern mit grobem Korn; ein weiteres Verfahren, den Mantel zweiteilig zu mauern und ihn mit einem Zwischenfilter zu versehen, ist durchaus unvorteilhaft, da nach Umlauf einer gewissen Zeit das Filter verstopft wird.
Das Versenken der gemauerten Brunnen geschieht auf sehr verschiedene Arten: durch Ausgrabung bei gleichzeitigem Wasserschöpfen, durch Baggerung, durch Sandpumpen und Strahlapparate, durch das pneumatische Verfahren und durch das Gefrierverfahren von Poetsch. Im festen Gebirge werden Brunnenschachte auch abgebohrt.
Muß mit einem Senkbrunnen eine stärkere Ton- oder Letteschicht durchsunken werden, dann ist es von Vorteil, das Mauerwerk mit Kies zu hinterschütten. Der außen etwa 2 bis 4 cm vor dem Mauerwerk vorstehende Senkrand durchschneidet die klebrigen Schichten, und der entstehende Zwischenraum hinter dem Mauerwerk wird sofort mit Kies ausgefüllt, so daß der Brunnen ohne nennenswertes Hängenbleiben der Abteufung folgen kann. Wird diese Kiesschüttung versäumt, so hängt sich das Mauerwerk häufig schon in geringer Tiefe auf und muß durch Belasten zum Senken veranlaßt werden.
Unbedingt erforderlich in allen Fällen ist eine Probebohrung an der Stelle, an welcher ein Brunnen errichtet werden soll.
Um die Stabilität der Konstruktionen zu erhöhen, werden häufig Verankerungen der gemauerten unteren Ringe mit dem Brunnenrost und mit zwischenliegenden Kränzen angeordnet. Vielfach gestaltet man besonders bei größeren Durchmessern behufs leichterer Absenkung den äußeren Brunnenmantel leicht konisch. Zum Mauerwerk sollten nur ganz vorzügliche, hartgebrannte Backsteine und Portlandzementmörtel verwendet werden. Das Aufmauern des Mantels muß gleichen Fortschritt mit dem Versenken des Brunnens halten und der Mörtel muß, ehe er unter Wasser kommt, vollständig erhärtet sein. Die Verwendung von Moos beim Brunnenbau sollte aus hygienischen Gründen vollkommen ausgeschlossen sein. Ebenso ist Holz nur unter Wasser zu verwenden.
Statt aus Mauerwerk sind in vereinzelten Fällen Schachtbrunnen aus Gußeisen mit Durchmessern angefertigt worden, die weit über 1 m hinausgingen. Die Verwendung von Beton ist sehr häufig, Eisenbeton empfiehlt sich am meisten bei recht großen Durchmessern, wie sie die Sammelbrunnen besitzen, bei kleinen Durchmessern dürfte seine Verwendung meist unrentabel sein. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, daß sich in einzelnen Fällen Eisenbetonbrunnen als zu leicht und als seitlichem Schub zu schnell nachgebend erwiesen haben.
Das Schachtbausystem E. Lardy bezweckt mittels eisenarmierter Betonsteine, sogenannter Betontübbings, die durch Vergießen mit Zementmörtel miteinander verbunden werden, eine wasserdichte Schachtauskleidung herzustellen. Das System ist bestimmt für weiche, druckhafte Gebirgsarten, die aber keine Neigung zu plötzlichen Durchbrüchen zeigen, also z.B. für weichen Ton, Lehm u. dergl. (Tiefbohrwesen 1911, S. 141).
Nicht selten ist die Aufgabe gestellt, bei im Betrieb befindlichen Brunnen ohne Absenkung des Wassers undichte Schichten zur Fernhaltung unerwünschter Zuflüsse wasserdicht auszukleiden. Diese Aufgabe wird am einfachsten nach dem Wolfsholzschen Verfahren gelöst (Gesundheitsingenieur 1909, S. 61).
Literatur: [1] Frühling, Wasserversorgung der Städte, Leipzig 1904. [2] R. Weyrauch, Wasserversorgung der Städte, Leipzig 1914.
R. Weyrauch.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.