Farben [2]

Farben [2]

Farben (oder besser Farbstrahlen) sind Lichtstrahlen, die durch ihre Wellenlänge charakterisiert sind. Die Farben sind entweder einfache Farben (Spektralfarben) oder Farbgemische. Fast alle in der Natur vorkommenden Farben sind Farbgemische. Durch einen Spektralapparat kann man sich das Gemisch in seine Komponenten zerlegen.

Farbe oder Farbstrahlen darf man nicht mit Farbstoffen verwechseln. Blaue Farbstrahlen mit gelben Farbstrahlen vermischt geben Weiß, blaue Farbstoffe mit gelben vermischt meistens Grün. Das Zustandekommen der Körperfarbe beruht auf der Fähigkeit bestimmter Substanzen, von den auffallenden Lichtstrahlen vorzugsweise die ihm gleichfarbig erscheinenden Strahlen zu reflektieren, ein grüner Körper also die grünen Strahlen, ein blauer die blauen u.s.w. – So reflektiert Smalte (blaues Kobaltglas) hauptsächlich Blau und kleine Mengen von Rot; das Blau überwiegt aber bei weitem, so daß die schwache Rotempfindung gar nicht zum Bewußtsein gelangt. Die Fähigkeit des Ohres, aus einer Reihe gemeinschaftlich erklingender Töne, z.B. einem Akkord, die einzelnen Töne herauszuhören, besitzt unser Auge nicht in bezug auf Farbenkennung bei Mischungen. Jeder farbige Körper erscheint nur in seiner Lokalfarbe, wenn das ihn bestrahlende Licht gleichfarbige Farbstrahlen enthält. Ein roter Körper erscheint nur rot in einer Beleuchtung, die rote Strahlen enthält, wie Tages-, Lampenlicht u.s.w., ein blauer Körper in einer Beleuchtung, die blaue Strahlen enthält, nur blau u.s.w. Daher erscheinen blaue Stoffe in gelber Beleuchtung (Lampenlicht), die arm an blauen Strahlen ist, fast schwarz.

Bei der Beurteilung einer Farbe, in der ein farbiger, nicht leuchtender Körper erscheint, sind die sogenannten Farbkonstanten zu berücksichtigen. Dieselben sind:

1. Die Reinheit oder Sättigung der Farbe. Eine Farbe ist um so reiner oder gesättigter, Je weniger weißes Licht sie beigemischt enthält.

2. Die Helligkeit oder Quantität der betreffenden Strahlengattung. Sehr dunkles Grün erscheint grau, bei etwas größerer Helligkeit olivgrün (L. Weber). Die Region der grünblauen F-Linie (O. Szellenius) ist bei sehr großer Helligkeit blau, bei sehr geringer grün. Nachstehende Tabelle gibt einige Messungsresultate von Helligkeiten von Farbstoffen (nach Rood):

Weißes Papier 100

Zinnober als dicker Teig 25,7

Blasses Chromgelb als Wasserfarbe 80,3

Blasses Smaragdgrün als Teig 48,6

Kobaltblau als Wasserfarbe 35,4

Künstliches Ultramarin 7,6


3. Die Farbtinte, die durch die Wellenlänge der Strahlensorten genau definiert ist.

Aus dem Mitgeteilten geht hervor, daß die Farbe, in der ein farbiger, nicht leuchtender Körper erscheint, nicht bloß von seiner Natur abhängig ist, sondern auch von der Beleuchtung. Somit muß folgenden Bedingungen genügt werden, um einen Körper in einer bestimmten Farbe erscheinen zu lassen: 1. der Körper muß die Strahlen der gewünschten Farbe kräftig reflektieren, 2. die Beleuchtung muß die entsprechenden farbigen Strahlen enthalten. Nach den Versuchen von H.W. Vogel tritt die Eigenfarbe besser hervor, wenn neben den einfachfarbigen Strahlen noch eine zweite Strahlengattung zugelassen wird, die im Spektrum weniger weit von der ersten Strahlengattung absteht als die sogenannte Komplementärfarbe. H.W. Vogel gibt u.a. als Beweis folgendes Beispiel: Auf der Gewerbeausstellung in Nürnberg 1880 hatte ein Ultramarinfabrikant für seine Erzeugnisse einen besonderen Glaspavillon gebaut und diesen in dem Glauben, im blauen Lichte müßten seine blauen Ultramarine am schönsten hervortreten, ganz mit blauem Glase eingefaßt. Zur allgemeinen Verwunderung erschienen aber die blauen Pigmente nicht brillanter blau, sondern im Gegenteil mehr grau. Eine weitere allgemein bekannte Tatsache ist, daß gelbe Pigmente bei gelblichem Lampenlicht viel weißlicher erscheinen als am Tage. Goldstücke erscheinen bei gelbem Lampenlicht hell wie Silber und sind dann schon oft mit letzterem verwechselt worden. H.W. Vogel nennt die dem fraglichen Pigment in Farbe ähnlichen Spektralstrahlen die Grundstrahlen, die hinzuzufügenden die erregenden Strahlen.

Bei der Farbmischung muß man die Mischung von Farbstrahlen (additive Farbmischung) wohl unterscheiden von der Mischung von Farbstoffen (subtraktive Farbmischung). Zur Bestimmung einer Mischfarbe kann das Farbensystem von Newton verwendet werden. Bei demselben sind sämtliche Spektralfarben an der Peripherie eines Kreises angeordnet. Vom Rande bis zur Mitte des Kreises werden die Farben allmählich blasser; das Zentrum selbst ist weiß. Um die Mischfarbe von mehreren Farben zu finden, sind an den Stellen des Fachkreises Gewichte im Verhältnis der Intensität der Farben einzusetzen und deren Schwerpunkt zu bestimmen. Der Punkt gibt die gesuchte Mischfarbe. Maxwell verwendet bei seinem Farbendiagramm an Stelle eines Kreises ein Dreieck, an dessen Seiten die Spektralfarben, und zwar an den Ecken die Farben Rot, Grün und Blau vorhanden sind. – Zu den Farbsystemen, bei denen alle drei Farbkonstanten berücksichtigt sind, gehören die Farbkarten von Chevreul. Er nahm einen Kreis mit drei Radien, die um 120° voneinander abstanden; an diese drei Radien kam Rot, Gelb und Blau. Zwischen den Radien befinden sich die verschiedenen Tinten von Orange, Grün und Violett. Außer diesem Kreis wurden noch zehn Kreise hergestellt und die Farben des Kreises mit wachsenden Mengen von Schwarz gemengt. Zur Demonstration des Farbensystems konstruierte vor kurzem Höfler in Wien einen Farbenoktaeder. Die Farbenkugel von Runge ist eine Kugel, die an dem einen Pol weiß, am andern schwarz ist und am Aequator 30 gesättigte Farben enthält, die nach dem Pol hin in die ungesättigten (gebrochenen) Farben übergehen. Tafelwerke, die systematische Zusammenstellungen von solchen verschieden gebrochenen Farben enthalten, die für den Buchdrucker großen Wert besitzen, sind [1], [2], [3].

Ueber das Zustandekommen von Farbenempfindungen bestehen mehrere Theorien; [607] Newton und Goethe nahmen als die drei Grundfarben Rot, Blau und Gelb an, aus denen durch Mischung sich sämtliche Spektralfarben ableiten. Das Prinzip beruht auf der falschen Voraussetzung, daß die Mischfarbe von Gelb und Blau Grün ist; die wahre Mischfarbe von Gelb und Blau ist Weiß. – Nach Young (1807) und Helmholtz (1867) sind die Grundfarben Orange, Grün und Violett. Das menschliche Auge besitzt drei Arten von Nervenfasern, die für je eine von diesen Farben empfindlich sind. Die Farbenblindheit erklärt sich dadurch, daß von diesen drei farbenempfindlichen Organen des Auges eines blind ist. – König und Dieterici bestimmten mit dem Farbenmischapparate von Helmholtz die Mengen Rot, Grün und Violett, die nötig sind, um eine gegebene Spektralfarbe im Farbenton möglichst genau nachzuahmen. Es ergeben sich für alle Farben des Spektrums gewisse Zahlen für Rot, Grün und Violett, die zu ihrer Darstellung nötig sind. Diese Zahlen liefern als Kurven dargestellt die rote, grüne und violette Empfindungskurve. – Prof. Exner in Wien prüfte die von König und Dieterici gewählten Grundempfindungen mit Hilfe des Brücke-Bezoldschen Phänomens. Dabei wurde als Grundempfindung Rot ein Farbenton etwas außerhalb des sichtbaren Spektrums komplementär zum Blau-Grün von 494 Millionstel Millimeter, als Grün ein solcher von 508 Millionstel Millimeter, als Blau ein solcher von 475 Millionstel Millimeter Wellenlänge ermittelt. Diese Resultate stimmen gut mit den Untersuchungen von König und Dieterici überein. – Nach Herings Theorie werden die verschiedenen Farbenempfindungen durch drei Paare von Grundfarben, Weiß-Schwarz, Rot-Grün und Gelb-Blau, hervorgerufen. Es wird dabei angenommen, daß diese Paare in einem gewissen Gegensatz stehen; z.B. bei der Weißempfindung wird ein gewisser Stoff im Auge (Sehsubstanz) zersetzt, bei der Schwarzempfindung wieder erzeugt.

Kontrast- oder Induktionsfarben. Für das Wesen der Farbenwahrnehmung ist es charakteristisch, daß wir unter gewissen Umständen Farben wahrzunehmen glauben, wo tatsächlich gar keine vorhanden sind. Für die Farbenpraxis ist sehr wichtig der gleichzeitige oder simultane Kontrast, der darin besteht, daß jede größere farbige Fläche auf ihre nächste Nachbarschaft eine farbeninduzierende Wirkung ausübt, namentlich, wenn die größere Fläche ein erheblich kleineres Feld ganz umschließt und die beiden Flächen dicht zusammenstoßen. Legt man z.B. ein graues Quadrat auf ein mindestens viermal so großes rotes Quadrat, so erscheint die graue Fläche merklich grün, auf einer grünen Fläche merklich rot, auf einer gelben Fläche merklich blau, auf einer blauen Fläche merklich gelb, vorausgesetzt, daß man weißes Tageslicht zur Beleuchtung anwendet. – Wenig gesättigte, d.h. blasse oder gebrochene Farben zeigen lebhaftere Kontrasterscheinungen als satte Farben. Die satten Farben drängen uns ihren Ton so gewaltsam und unzweifelhaft auf, daß der Urteilstäuschung, auf der die Erscheinung des gleichzeitigen Kontrastes beruht, kein Spielraum frei bleibt; so kommen bei dem vorher erwähnten Versuche die Induktionsfarben noch sichtbarer zustande, wenn man über die beiden Quadrate einen weißen Schleier oder ein Pauspapier legt. – Aehnliche Fälle treten auch in der Technik häufig auf. Grauer Besatz auf einem farbigen Kleid erscheint deshalb beim Ueberdecken mit Schleier nicht mehr grau, sondern in der Induktionsfarbe. Für die Hervorrufung des Kontrastes auf grauem Felde ist es am vorteilhaftesten, wenn sich die Helligkeit des farbigen Grundes zur Helligkeit des grauen Feldes verhält wie die natürliche Helligkeit der induzierenden Farbe zur natürlichen Helligkeit der Kontrastfarbe; daher erregen die kalten Farben (Grün, Blau, Violett) auf grauem Feld lebhaftere Kontrastfarben, wenn das graue Feld heller ist, die warmen Farben (Rot, Gelb, Gelbgrün), wenn das graue Feld dunkler ist. Komplizierter werden die Induktionserscheinungen, wenn die induzierten Flächen auch gefärbt sind. Bringt man neben eine Farbe irgendeine andre Farbe, so wird die erstere scheinbar so verändert, als ob man ihr etwas von der Ergänzungsfarbe der andern beigemischt hätte. Künstler sprechen den Satz so aus: Kältere Farben machen eine danebenstehende wärmer, wärmere kälter. Diese Fälle kommen in der kunstgewerblichen Praxis überaus häufig vor, wo kleine farbige Flächen (Besatz, Muster) auf andersfarbigem Grund sitzen. Ist z.B. das Mutter rot, der Untergrund blau, so entsteht durch Induktion auf dem Muster Gelb. Letzteres mischt sich zu dem ausgestrahlten Rot des Musters, woraus Rotgelb entsteht. Die Wirkung des Farbenkontrastes läßt sich verringern, wenn man zwischen den beiden Farbengrenzen einen schwarzen oder andersfarbigen Rand zieht (Schwarz und Rot wirken am heften). Diese Tatsache ist für die Kunst und das Kunstgewerbe von großer Wichtigkeit. Der Künstler von seinem Farbensinn kann daraus Vorteil ziehen. Fehlt dieser Farbensinn, so erwachsen schwere Nachteile für die Farbenzusammenstellung. Auch der Körper, an den die Farbe gebunden ist, ist auf die Farbenwirkung von größtem Einfluß. Die gleiche Farbenkombination kann für Papier häßlich, für Wolle, Samt, Plüsch sehr gut ausfeilen. Die Feststellung dieser Wirkungen ist nur durch den Versuch möglich. Exner in Wien hat die Frage zu lösen versucht, ob es schöne und häßliche Farben gibt und worin physiologisch der Unterschied zwischen beiden begründet ist. Eine direkte Statistik ergab bei 200 Personen eine auffallende Bevorzugung bestimmter Farbentöne, Rot, Grün, Blau. Ebenso zeigte sich, daß gerade bei den koloristisch besonders geschätzten Gemälden bestimmte Farbentöne, Rot, Grün und Blau, immer wieder auftreten. Eine spektral-photometrische Untersuchung dieser Farben ergab nun, daß sie alle sehr genau mit dem Farbenton der Grundempfindung übereinstimmen. Auch bei den kostbaren, geschätzten Edelsteinen Rubin, Smaragd und Saphir ergab sich dasselbe. Auch diese Farben fallen mit den Grundempfindungen fast vollkommen zusammen. Die als unschön bezeichneten Farben ergaben sich als von den Grundempfindungen weit abweichend. Eine Farbe wirkt demnach nach Exner um so schöner, je näher sie mit dem Farbton der Grundempfindung übereinstimmt.


Literatur: [1] Steinheil, R., La reproduction des couleurs, Paris 1896. – [2] Hoffmann, H., Systematische Farbenlehre für die Technik, insbesondere für den Gebrauch in Buchdruckereien, Zwickau 1892. – [3] Müller, J., und Dethleffs, M., Praktischer Leitfaden für Buntbuchdruck, Berlin 1900. – [4] Vogel, H.W., Ueber Farbenwahrnehmung, Wiedemanns Annalen der Physik,[608] neue Folge, Bd. 54, 1895. – [5] Ders., Verhandlungen der Physik. Gesellschaft, Berlin, 13. Jahrgang. – [6] v. Bezold, Farbenlehre, Braunschweig 1874. – [7] Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik, Leipzig 1896. – [8] Rood, Die moderne Farbenlehre, Leipzig 1880. – [9] Wouvermans, Farbenlehre, Wien 1891. – [10] Brücke, Physiologie der Farben für die Zwecke der Kunstgewerbe, Leipzig 1887.

Fr. Novak.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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