Gehöfteanlagen

Gehöfteanlagen

Gehöfteanlagen. In Deutschland unterscheidet man zwei Grundformen von Bauerngehöften: das sächsische und das fränkische. Das sächsische Gehöft besteht aus einem einzelnen Gebäude, das die verschiedenen Wirtschaftsbedürfnisse unter einem Dach vereinigt (s. Bauernhäuser). Das fränkische Gehöft umschließt mit einer Anzahl von Einzelgebäuden einen Hof. Das sächsische Bauernhaus verschwindet immer mehr, obgleich in neuerer Zeit der Versuch gemacht worden ist, in den Tiefbauten den ihm zugrunde liegenden Gedanken neu zu beleben. Die Grundform des heutigen landwirtschaftlichen Gehöftes ist fränkischen Ursprunges.

Als Beispiel eines fränkischen Bauerngehöftes in Pommern diene Fig. 1. Das Wohnhaus des Besitzers lag ursprünglich der Straße abgewendet. Die Straßenseite nimmt die Scheune ein. Von der Straße führt eine Durchfahrt durch die Scheune auf den Hof, die beiden Seiten werden von Stallungen eingenommen. Hieraus haben sich in den verschiedenen Gegenden Deutschlands verschiedene untereinander nahe verwandte Typen entwickelt; so wird in dem holsteinischen Gehöfte die Scheune an die Seite gerückt, ihr gegenüber liegen die Ställe, das Wohnhaus im Hintergrunde, die Straßenseite bleibt offen; das Gehöft des Oderbruches ist eine Umkehrung des in Fig. 1 dargestellten Gehöftes, so daß das Wohnhaus an der Straße liegt; das schlesische Gehöft verlegt das Wohnhaus in eine Ecke des rechteckigen Gehöftes, von den gegenüberliegenden Seiten wird eine durch die Scheune, die andre durch Stallungen geschlossen u.s.w.

Neue Gehöfte sind nach folgenden Grundsätzen zu entwerfen: 1. Die Lage ist möglichst im Schwerpunkt des Wirtschaftsgeländes, bequem, d.h. auf nicht zu steilen Wegen zugänglich, gesund, also auf mäßiger Höhe, möglichst auf südlicher Abdachung des Geländes zu wählen; es ist ferner auf tragfähigen Baugrund, trockenen Untergrund, brauchbares Trinkwasser zu achten. 2. Das Gehöft muß übersichtlich angelegt werden, so daß von der Wohnung des Wirtschaftsleiters die Türen der einzelnen Gebäude, namentlich aber sämtliche Zugänge zum Gehöft übersehen werden können. Die Stellung von größeren Gebäuden mitten in den Hof, welche die Uebersicht erschwert, ist zu vermeiden. Kleinere Gebäude, wie Federviehställe, Geräteschuppen u. dergl., fallen unter diesen Gesichtspunkt nicht. 3. Jedes Gebäude soll die seiner Bestimmung angemessene Lage erhalten. Das Wohnhaus legt man gern an die Südseite im Anschluß an den Garten. Dem Wohnhaus zunächst liegt einerseits, dem weiblichen Hausgesinde leicht erreichbar, der Kuhstall und der Jungviehstall, anderseits, für den Hausherrn bequem gelegen, der Kutsch- und Reitpferdestall; daran schließen sich die Stallungen für das Arbeitsvieh sowie Scheune und Schafstall.

Kleinere Gehöfte hat die Kommission zur Beförderung deutscher Ansiedlungen in Westpreußen und Posen entworfen, die mehrfach ausgeführt sind. Der Zusammenbau von Wohnhaus und Ställen ist dort auf Besitzungen von 8–25 ha Größe beibehalten (Fig. 2). In größeren Gehöften wurden die Ställe getrennt vom Wohnhause erbaut. Der Zusammenbau der Hofgebäude aneinander ist noch bei ziemlich großen Grundstücken gebräuchlich. Fig. 3 zeigt, wie gegebenenfalls die Aufgabe nach obigen Grundsätzen gelöst werden kann In größeren Gehöften wird man die Auflösung in einzelne Gebäude und Stallungen für jede Viehgattung gesondert bevorzugen[347] (Fig. 4), Hier wird der engere Ring des Hofes von einer zweiten Umzäunung umgeben, die einige zum Gehöft gehörige größere Flächen, wie Pferdekoppel, Obst- und Gemüsegarten und einen besonderen Hof für die Schweine, umschließt.

Wird das Gehöft so groß, daß die Gebäude nicht mehr an einem gut übersichtlichen Hof unterzubringen sind, so wird die Bewirtschaftung der Besitzung von einem Mittelpunkte aus zu teuer, weil damit die Wege der Ernte- und Düngerfuhren zu weit werden. Man schreitet dann zur Anlage von einzelnen Vorwerken, deren Verwaltung je einem Wirtschaftsbeamten anvertraut wird. Auf solche Vorwerke wird je nach Lage der Verhältnisse die Schäferei, das Milchvieh, in der Regel aber ein Teil des Arbeitsviehes und der Scheunen verlegt. Letztere erbaut man auch wohl vereinzelt auf dem Felde (s. Feldscheunen) oder man setzt einzelne Diemen (s.d.) auf den abzuerntenden Schlägen.

Wo der Diemenbau allgemein eingeführt ist, übt er auch einen Einfluß auf die Gestalt des Gehöftes aus. Die Scheune wird dann auf einen kleinen Raum zum Ausdreschen der Garben, häufig mit dem Kornspeicher verbunden, beschränkt. Ihre Stelle nimmt ein größerer Diemenhof ein. In Deutschland hat diese Art der Gehöfte, namentlich auch wegen der feuergefährlichen Nachbarschaft einer größeren Zahl offener Diemen für das ganze Gehöft und des Widerstandes der Versicherungsgesellschaften, wenig Eingang gefunden.

Ein völlig andres Gepräge erhalten die Gehöfte, wenn nach englischem Muster die Hofarbeit von einer feststehenden Dampfmaschine geleistet wird. Die vorteilhafte Ausnutzung der Dampfkraft erfordert eine gedrängte Anlage des Gehöftes, in dessen Mittelpunkt die Dampfmaschine steht, die zum Dreschen und Schroten des Kornes, zum Waschen und Zerkleinern der Wurzelfrüchte, zum Wasserpumpen, Holzsägen benutzt wird und sogar mittels Druckpumpe den flüssigen Dünger durch Rohrleitungen auf das Feld befördert.

Fig. 5 stellt die Farm Liscard in England dar; sie zeigt, daß die zusammengedrängte Gruppierung der Gebäude zur Anlage zahlreicher kleinerer Höfe nötigt. In Deutschland ist die Anwendung der stehenden Dampfmaschine im Sinne der englischen Farm wenig eingebürgert; man bevorzugt hier die bewegliche Lokomobile, welche die Beibehaltung der großen übersichtlichen Gehöfte gestattet und auch Arbeiten 1 eiltet, zu denen die stehende Maschine sich nicht eignet, namentlich die Ackerwirtschaft mit Dampfkraft.

Wo die Kraftübertragung auf größere Entfernung stattfinden soll, kann mit Vorteil nur die Elektrizität verwendet werden. Hochgespannte Ströme übertragen die Kraft ohne erheblichen Energieverlust auf Entfernungen von 5 km und darüber; es wird dadurch möglich, entfernte Wasserkräfte auf dem Gehöft nutzbar zu machen oder von einer Zentrale auf dem Gehöft aus Arbeiten auf entfernten Vorwerken oder Feldarbeiten zu verrichten.

Elektrischer Betrieb läßt sich auf jedem vorhandenen Gehöft ohne bauliche Veränderungen einführen. Bleibt der Betrieb auf die Hofwirtschaft beschränkt, so wird man mit Strömen von 500 Volt auskommen und stärkere Ströme auch gern vermeiden, weil sie tödlich wirken und zur Vermeidung von Unglücksfällen umfassende Sicherungen erfordern. Die Zentrale wird man verhältnismäßig billig herstellen, wenn zum Betriebe eines landwirtschaftlichen Gewerbes (Brennerei) eine Dampfmaschine schon vorhanden ist. Die Kraft der Dampfmaschine wird durch die Dynamomaschine in Elektrizität umgesetzt, der Strom durch Kupferdrähte nach den Motoren an den verschiedenen Arbeitsstellen geleitet und dort zum Antrieb der Arbeitsmaschinen verwendet. Zum Betriebe der elektrischen Beleuchtung im Hause, Ställen und Scheunen werden vorteilhaft Akkumulatorenbatterien und Wechselstrommaschinen verwendet. Auch das Innere der Scheunen kann man ohne Feuersgefahr mit armierten Lampen erleuchten und an kurzen Wintertagen die Arbeitszeit ausdehnen. Es genügt dazu eine Lampe im Taß und eine an der Maschine. Starke Arbeitsmaschinen betreibt man mit Drehstrom.

Der Betrieb der Feldwirtschaft [4], namentlich das Pflügen mit Elektrizität, erfordert starke Maschinen nicht unter 50 PS. und Ströme nicht unter 1500 Volt. Er ist nur da mit Vorteil[348] anwendbar, wo eine Ausnutzung der kostspieligen Maschinen auch in solchen Zeiten möglich ist, in denen keine Feldarbeiten ausgeführt werden.


Literatur: [1] Lutsch, H., Wanderungen durch Ostdeutschland zur Erforschung volkstümlicher Bauweisen, Zentralblatt der Bauverwaltung, Berlin 1887. – [2] Jaspers, C., Der Bauernhof, Anleitung zur praktischen Anlage und Einrichtung seiner Baulichkeiten, Berlin 1890. – [3] Tiedemann, L. v., Das landwirtschaftliche Bauwesen, Halle a. S. 1898. – [4] Untersuchung elektrischer Pfluganlagen. Bericht im Auftrage der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft erstattet von Ingen. W. Schüler, Berlin 1903 (Arb. d. D.L.-G., Heft 85).

v. Tiedemann.

Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4., Fig. 5.
Fig. 4., Fig. 5.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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