- Kräftefunktion
Kräftefunktion.
1. Kräftefunktion für einen einzelnen Punkt.
Bringen wir einen Punkt von der Masse m an verschiedene Stellen des Raumes, so wirkt auf ihn eine mit dem Orte wechselnde Kraft. Die Gesamtheit aller dieser Kräfte, die an den jeweiligen Ort des Massenpunktes geheftet gedacht sind, heißt das Kraftfeld des Punktes. Dasselbe wird durch die drei Komponenten X Y Z der Kraft als Funktionen der Koordinaten des Angriffspunktes (des sogenannten Aufpunktes) gegeben. Wird der Massenpunkt in dem Kraftfeld um d x, d y, d z bewegt, so stellt d A = X d x + Y d y + Z d z die dabei geleistete Elementararbeit dar. In vielen wichtigen Fällen ist die Summe der auf einem beliebigen Weg geleisteten Arbeit unabhängig von der Form des Weges und nur abhängig von den Endpunkten desselben. Das drückt sich analytisch dadurch aus, daß die Formel für d A als das vollständige Differential einer Funktion U des Ortes (x, y, z) aufgefaßt werden kann:
Diese Funktion U heißt die Kräftefunktion, und aus ihr lassen sich die Komponenten der Kraft durch Differentiation nach den Koordinaten wie folgt ableiten: X = ∂ U/∂ x, Y =∂ U/∂ y, Z = ∂ U/∂ z.
Ist eine solche Funktion U vorhanden, so ist die auf einem beliebigen zwischen zwei Punkten P1 und P2 verlaufenden Wege von der Kraft des Feldes geleistete Arbeit
d.h. gleich der Differenz der Werte von U an den Enden P2 und P1 des Weges. Notwendige und hinreichende Bedingung für das Vorhandensein einer Kräftefunktion U sind die aus der Gleichheit von ∂2 U/(∂ x ∂ y) = ∂2 U/(∂ x ∂ y) u.s.w. folgenden Beziehungen:
Bewegt sich ein Punkt frei oder auf einer festen, reibungslosen Bahn oder Fläche in einem von einer Kräftefunktion ableitbaren Kraftfeld, so ist der Zuwachs an lebendiger Kraft: 1/2(V22 V12) = U2 U1 gleich der Differenz der Werte der Kräftefunktion an den Enden des betrachteten Bahnstückes. Geometrisch wird der Verlauf der Kräftefunktion durch die Flächen U = const, die Niveauflächen, die in beliebig kleinen, aber gleichen Abstufungen der Konstanten konstruiert werden, dargestellt. Die Richtung der Kraft steht senkrecht auf den Niveauflächen und zeigt nach den höheren Werten von U; ihre Größe ist gleich dem Differentialquotient von U in Richtung der Normalen zur Niveaufläche und somit umgekehrt proportional der Entfernung benachbarter Niveauflächen.
Eine Kräftefunktion existiert stets, wenn der Aufpunkt Anziehungen unterliegt, welche von festen Zentren ausgehen und bloß von der Entfernung abhängen; vgl. Potential.
2. Kräftefunktion für ein System von Punkten.
Auch für ein solches gibt es häufig eine Funktion U von den Koordinaten xi yi zi der Angriffspunkte der wirkenden Kräfte mit den Komponenten Xi Yi Zi von der Eigenschaft, daß ∂ U/∂ xi = Xi, ∂ U/∂ yi = Yi, ∂U/∂ zi = Zi, ist, die dann Kräftefunktion des Systems genannt wird.
Hierbei ist:
die bei einer unendlich kleinen Veränderung des Systems von den wirkenden Kräften geleistete Elementararbeit. Die beim Uebergang zwischen zwei endlich verschiedenen Lagen des Systems von den wirkenden Kräften geleistete Gesamtarbeit ist beim Vorhandensein einer Kräftefunktion nur von den Endtagen, nicht aber von den Zwischenlagen abhängig. Bei der natürlichen Bewegung eines solchen Systems ist der Zuwachs an lebendiger Kraft zwischen zwei Lagen gleich dem Zuwachs der Kräftefunktion. Im Falle des Gleichgewichtes ist die Veränderung der Kräftefunktion beim Uebergang zu einer Nachbarlage Null (bezw. unendlich klein von der zweiten Ordnung); im Falle des stabilen Gleichgewichtes hat die Kräftefunktion ein Maximum.
Literatur: Jacobi, Vorlesungen über Dynamik, herausg. v. Clebsch, Berlin 1866, S. 10 ff.; Schell, Theorie der Bewegung und der Kräfte, Leipzig 1879, Bd. 1, S. 355360, und Bd. 2, S. 529530 U. 540544.
Finsterwalder.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.