- Fachwerke, statisch unbestimmte [2]
Fachwerke, statisch unbestimmte, mit überzähligen Stäben.
Zur graphischen Berechnung statisch unbestimmter Fachwerke schlägt man je nach Umständen verschiedene Wege ein. Im allgemeinen wird der Berechnung der Satz von den virtuellen Arbeiten oder Momenten (oder ein verwandter Satz) zugrunde gelegt.
Handelt es sich bloß um einen oder zwei Belastungsfälle, was bei Dachstühlen meistens zutrifft, und ist bloß ein überzähliger Stab vorhanden, so schaltet man diesen aus und berechnet die Stabkräfte mittels eines Cremonaschen Kräfteplans (s.d.). Diese Kräfte seien S0. Dann läßt man in dem ausgeschalteten Stabe eine Kraft = 1 wirken und zeichnet, davon ausgehend (unabhängig von der gegebenen Belastung), einen zweiten Kräfteplan. Die neuen Kräfte seien S', alsdann sind die wirklichen Stabkräfte S = S0 + S' · X, wo X die statisch unbestimmte Stabkraft des überzähligen Stabes für die vorliegende Belastung ist. Mit Anwendung des Gesetzes der virtuellen Verschiebungen auf den Spannungszustand X = 1 und den tatsächlichen Verschiebungszustand ergibt sich
dabei erstreckt sich die Summe des Zählers nur auf die notwendigen Stäbe, da für den überzähligen Stab S0 = 0 ist; die Summe des Nenners ist auf alle Stäbe auszudehnen; für den als überzählig ausgewählten Stab ist S' = 1. Ist X gefunden, so lassen sich die Stabkräfte S leicht berechnen. Das nämliche Verfahren läßt sich anwenden, wenn mehrere überzählige Stäbe vorhanden sind. In diesem Falle macht man das Fachwerk wiederum durch Ausschaltung dieser Stäbe statisch bestimmt und ermittelt die Kräfte S0. Dann zeichnet man für jeden ausgeschalteten Stab einen weiteren Kräfteplan, indem man als einzige Kräfte in dem Stab zwei Kräfte = 1 wirken läßt und erhält dadurch die Kräfte S', S'', S'''. Die wirklichen Stabkräfte sind S = S0 + S' · X' + S'' · X'' + ... Das Gesetz der virtuellen Verschiebungen nacheinander angewendet auf den tatsächlichen Verschiebungszustand und die Spannungszustände X' = 1, X'' = 1, ... gibt die Gleichung
Setzt man hierin den angegebenen Wert von S ein, so erhält man die zur Bestimmung der statisch unbekannten Stabkräfte der überzähligen Stäbe notwendige Anzahl von Gleichungen. Mittels dieser Beziehungen lassen sich die X und schließlich die Kräfte S zahlenmäßig berechnen. Dieses Verfahren wird indessen meistens sehr umständlich, sobald die Zahl der überzähligen Stäbe über ein bescheidenes Minimum hinausgeht. Bei Brückenfachwerken, wo man in der Regel zahlreiche Belastungsfälle zu behandeln hat und überdies die ungünstigsten Belastungen nicht immer von vornherein kennt, ist es im allgemeinen am besten, für die verschiedenen Stäbe des Fachwerks Einflußlinien (s.d.) zu zeichnen. Die Verfahren, die hierzu angewendet werden, wechseln von Fall zu Fall je nach der Art des Fachwerks; vgl. Fachwerke, durchlaufende, Hängebrücken, Bogen (graphische Berechnung). Zuweilen genügt es, die Berechnung annäherungsweise, unter Einführung von passenden Annahmen durchzuführen.
Literatur: Mohr, Beitrag zur Theorie des Fachwerks, Zeitschr. des Hannoverschen Arch.- u. Ing.-Vereins 187475; Winkler, Theorie der Brücken, Heft 2, Wien 1881; Schärfer u. Sonne, Handbuch des Brückenbaus, Kap, 9, Leipzig 1890; Ritter, Anwendungen der graphischen Statik, 2. Teil, Kap. 4, Zürich 1890; Müller-Breslau, Graphische Statik der Baukonstruktionen, Leipzig 1892.
(W. Ritter) Mörsch.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.