- Bogenfachwerke [1]
Bogenfachwerke sind als Fachwerke (s.d.) gegliederte Bogen (s.d.). Man unterscheidet demnach einfache Bogenfachwerke (über eine Oeffnung) und durchlaufende oder kontinuierliche Bogenfachwerke (über mehrere Oeffnungen), Bogenfachwerke einfachen Systems und mehrfachen Systems. Wird ein Bogenfachwerk, an dem nur Lasten oder[162] sonstige vertikale Aktivkräfte angreifen, durch einen beliebig geformten Schnitt s in zwei Teile zerlegt gedacht, so ist die resultierende Horizontalkraft, mit welcher der eine Teil auf den andern wirkt, stets gleich dem Horizontalschub:
Hs = H.
1.
(Näheres s. Schnittkräfte.) Da allgemeines über die Berechnung der Fachwerke unter dem Stichwort Fachwerke (auch statisch bestimmte, statisch unbestimmte und mehrfachen Systems) zu geben ist, so sollen hier nur für das am meisten vorkommende einfache System Formeln angeführt werden, die bei bekannten äußeren Kräften (s.d.) unmittelbar verwendbar sind.
Der Träger besitze an den Enden der betrachteten Oeffnung l Gelenke in gleicher Höhe (Kämpfergelenke bei einfachen Bogen, Kämpfergelenke oder Pfeilergelenke bei durchlaufenden Bogen). Die Spannweite l sei durch Vertikalen in n Felder von gleichen Längen λ geteilt. In jedem Felde befinde sich eine wirksame Diagonale, die zweierlei Stellungen einnehmen kann. Es werden die in Fig. 1, 2 ersichtlichen Bezeichnungen eingeführt (wonach diejenige Gurtung als X-Gurtung bezeichnet ist, die man trifft, wenn man einer Diagonale nach der Seite des Auflagers 0 hin folgt). xm, zm, dm, hm seien die Längen derjenigen Stäbe, die durch Xm, Zm, Dm, Vm beansprucht sind, während für ein rechtwinkliges Koordinatensystem mit dem Ursprung der Koordinaten im Auflager 0 und horizontaler Abszissenachse xm, zm die Koordinaten der Knotenpunkte m (d.h. der Knotenpunke für die Abszisse mλ) in X-Gurtung und Z-Gurtung bedeuten. Dann gelten in allen folgenden, das fragliche Fachwerksystem betreffenden Ausdrücken der Stabkräfte die oberen Vorzeichen bei oben liegender X-Gurtung (Fig. 1), die unteren Vorzeichen bei unten liegender X-Gurtung (Fig. 2). Sind die äußeren Aktivkräfte nicht sämtlich vertikal, dann treten die Gleichungen 710 unter Fachwerke, statisch bestimmte, ein. Für beliebige Belastung (vertikale Aktivkräfte) aber hat man:
worin, wie in der Folge stets, Zug als positiv, Druck als negativ gilt und bei beliebigen Gurtungsformen ausgedrückt sind:
speziell bei horizontaler X-Gurtung (Fig. 3):
und bei horizontaler Z-Gurtung (Fig. 4):
In 2. bezeichnen S, S' die statischen Momente der Knotenpunktlasten von Auflager 0 bis Schnitt s in Hinsicht des Auflagers 0, bezw. von Schnitt s bis Auflager l in Hinsicht des Auflagers l. Der Schnitt s ist für Xm, Zm, Dm durch das m-te Feld, für Vm durch die mit Xm, Vm, Zm + 1 beanspruchten Stäbe gelegt. Ausdrücke der S, S' für alle Fälle s. [8], §§ 10, 18. Die Formeln für Xm, Zm, Dm gelten auch, wenn die Stellung der Diagonalen (und damit die Lage der X-Gurtung) wechselt, während die Formeln für Vm an die Voraussetzung geknüpft sind, daß der Vertikalen m beiderseits Felder mit Diagonalen gleicher Stellung anliegen, wobei jedoch die Diagonale mit einem Gurtungsstabe zusammenfallen kann (Fig. 5 und 6). Für Endvertikalen und Mittelvertikalen können also Ausnahmen eintreten, doch lassen sich deren Stabkräfte meist leicht aus den Gleichgewichtsbedingungen für die äußeren und inneren Kräfte an den begrenzenden Knotenpunkten ermitteln. Bei horizontaler Gurtung z.B. genügt die Bedingung: »Summe[163] aller Vertikalkräfte gleich Null«. Direkt verwendbare Formeln für Endvertikalen und Mittelvertikalen s. [8], A 39, 42, [15], §§ 2223.
Soll das Eigengewicht mit g pro Längeneinheit als gleichmäßig verteilt auf die Spannweite l gelten, und bezeichnen gx, gz diejenigen Teile von g, die auf die X-Gurtung und Z-Gurtung zu rechnen sind, so folgen aus 2. die vom Eigengewichte allein herrührenden Stabkräfte, die wir, wie die zugehörigen H, durch deutsche Buchstaben bezeichnen:
Wenn sich die beiden Gurtungen in den Endgelenken treffen (Fig. 5 und 6), ergeben die Gleichungen 2., 9. für m = 1 wegen h0 = 0, x0 = 0 den unbestimmten Ausdruck Z1 = 0 : 0. Indessen hat man für diesen Fall stets:
Die Gleichungen 2., 9. lassen sich zum Teil für besondere Gurtungsformen vereinfachen, indem man die speziellen Werte von ε, v, hm, xm zm, einsetzt (s. dieselben [8], § 17). So erhält man für Sichelbogen, deren beide Gurtungen Parabeln eingeschrieben sind, wd = 0, Dm = 0. Der Horizontalschub hat bei solchen Bogen keinen Einfluß auf die Beanspruchungen der Diagonalen. Weitere Ausdrücke der Stabkräfte für beliebige konzentrierte Lasten s. [8], § 18, entsprechende Gleichungen für Bogen mit beliebigen Stützhöhen [8], §§ 16, 18. Sobald der Horizontalschub bekannt ist, lassen sich nach 2., 9. die Stabkräfte für jede gegebene Belastung berechnen.
Einfache Bogenfachwerke mit drei Gelenken.
In diesem Falle ist der Horizontalschub für beliebige Lasten P1, P2, ...., die bei Abszissen a1, a2, ... auf die Fahrbahn oder die Knotenpunkte kommen, mit d = l/2:
und für eine auf die ganze Spannweite gleichmäßig verteilte Last von g pro Längeneinheit:
Die Vertikalreaktionen der Kämpfer sind wie für vollwandige Bogen bestimmt (s. Bogen, einfache), über die resultierenden Kämpferdrücke s. [9], A 41.
Wir wollen nun für den häufigst vorkommenden Fall die Grenzwerte der Stabkräfte bei bewegter Last von p pro Längeneinheit der ergriffenen Strecke und gleichmäßig verteiltem Eigengewicht auf die ganze Spannweite angeben. Das Bogenfachwerk besitze horizontalen Obergurt und parabolischen Untergurt, die Diagonalen seien wie in Fig. 7 angeordnet. Der Symmetrie halber genügt es, die erste Bogenhälfte zu berechnen. Wir führen zur Abkürzung ein:
Für Eigengewicht allein hat man:
nur für die Kämpfervertikale und Scheitelvertikale sind ausnahmsweise:
Im folgenden werden bei Angabe der zweiten Grenzbeanspruchungen die Werte der ersten durch eine Klammer ausgezeichnet. Dann sind die Grenzbeanspruchungen des Obergurts:
und diejenigen des Untergurts:
Nur in dem praktisch kaum vorkommenden Falle, daß [(n m + 1)/n]2 f< h0 wäre, würden an Stelle von 17. treten:
[164] Für die Grenzbeanspruchungen der Diagonalen hat man
d.h. beide sind gleichgroß und von verschiedenen Vorzeichen. Zur Ermittlung ihres Absolutwerts berechne man zunächst die Hilfsgrößen:
Man hat dann, wenn h0 sowohl zwischen χ und ψ als auch zwischen ψ und φ liegt:
wenn h0 zwischen χ und ψ, aber nicht zwischen ψ und φ liegt:
und wenn h0 nicht zwischen χ und ψ, wohl aber zwischen ψ und φ liegt:
Ein vierter Fall, für den Dm = 0 würde (h0 = f), kommt praktisch nicht vor.
Zur Berechnung der Vertikalen bestimme man zunächst die Hilfsgrößen:
Es ergibt sich dann eine Grenzbeanspruchung, wenn h0 sowohl zwischen χ und ψ als auch zwischen ψ und φ liegt:
wenn h0 zwischen χ und ψ, nicht aber zwischen ψ und φ liegt:
wenn h0 nicht zwischen χ und ψ, wohl aber zwischen ψ und φ liegt:
Die zweite Grenzbeanspruchung ist in allen drei Fällen:
Eine Ausnahme machen wieder die Kämpfervertikale und Scheitelvertikale. Grenzbeanspruchungen der ersteren sind:
und der letzteren:
Beispiele der Berechnung nach vorstehenden Formeln [9], B 91, analoge Formeln für andre Stellung der Diagonalen und für beliebige Gurtungsformen [8], §§ 75, 70, Beispiele dazu [9], B 84, 85, 87, analoge Formeln für geradlinigen Untergurt zwischen Scheitelgelenk und Kämpfergelenken [8], § 73, und [9], B 89, Formeln für bewegte Radlastzüge [8], §§ 71, 74, Beispiele hierzu [8], B 88, 90, Berücksichtigung schiefen Winddrucks bei Bogendachbindern [9], B. 85, 86, Stabkräfte und Grenzwerte derselben für Bogenfachwerke mit drei Gelenken beliebig einfachen Systems [8], §§ 15, 6668. Bei Bogenfachwerken einfachen Systems mit Vertikalen und beliebigen Gurtungsformen würden übrigens die Grenzbeanspruchungen für gleichmäßig verteilte Lasten bei drei Gelenken auch wie unten für Bogen mit zwei Gelenken angegeben auf Grund von 2. 9. ermittelt werden können, wobei nur obige H, H zu verwenden und die Kämpferdrucklinie S wie bei vollwandigen Bogen mit drei Gelenken zu ermitteln wäre (s. Bogen, einfache, Fig. 3).
Einfache Bogenfachwerke mit zwei Gelenken.
Werden die Träger mit ausgesprochener Achse durch die Kämpfergelenke ausgeführt, z.B. mit parallelen Gurtungen oder als Sichelträger, so läßt sich der Horizontalschub näherungsweise nach den Formeln für vollwandige Bogen berechnen, die für beliebige Achsform und beliebige Veränderlichkeit des Querschnitts zur Verfügung stehen (s. Bogen, einfache, und [15], S. 78). Dies Verfahren wurde früher allgemein auch für die definitive Berechnung angewandt [3], es läßt sich am ehesten für mehrteiliges Fachwerk rechtfertigen. Genauer ist in allen Fällen der Horizontalschub nach den unter Fachwerke, statisch unbestimmte, angeführten Regeln zu erhalten. Im folgenden setzen wir für alle Stäbe gleiche Elastizitätsmoduln E und gleiche Ausdehnungskoeffizienten α voraus. Ferner mögen für einen Stab bezeichnen s die Länge, F den Querschnitt, π die Beanspruchung durch einen Horizontalschub H = 1 allein und A diejenige Beanspruchung, die für die in Frage kommende Belastung im Falle H = 0 entstehen würde (d.h. für ein Balkenfachwerk der gewählten Anordnung). Dann hat man mit der Bezeichnung
durch beliebige Belastung allein:
[165] durch eine gleichmäßige Temperaturänderung τ allein (bei Zunahme τ positiv):
und durch eine Aenderung der Spannweite um Δl allein (bei Zunahme Δl positiv):
In diesen Gleichungen sind die Summen Σ bei einfachem System auf alle Stäbe zu erstrecken (andre Fälle s. Fachwerke, statisch unbestimmte), doch ist der Beitrag der Füllungsglieder mitunter klein, so daß er häufig vernachlässigt wurde. Der Nenner in 32.34. bleibt für alle Belastungen, Temperaturänderungen τ und Aenderungen Δl der Spannweite derselbe; er läßt sich bei symmetrischen Trägern aus den Verhältnissen der ersten Trägerhälfte berechnen. Nachdem der Horizontalschub bekannt ist, erhält man die ganze Beanspruchung eines beliebigen Stabes:
B = A + Hπ,
35.
worin A, π die obenerwähnten Werte für diesen Stab bedeuten. Bei Ermittlung der Beiträge von τ, Δl allein ist A = 0.
Handelt es sich um ein Fachwerk einfachen Systems mit Vertikalen, wie dasselbe oben betrachtet wurde, dann ergeben sich die A aus 2. mit H = 0, und für gleichmäßig verteilte Last aus 9. mit H = 0, die π folgen aus 2. mit S = S' = 0, H = 1. Beispielsweise erhält man für den gewöhnlichen Fall (Fig. 8) die π für die X-Gurtung, Z-Gurtung, Diagonalen und Vertikalen der ersten Trägerhälfte:
jedoch ausnahmsweise für die Kämpfervertikale und Scheitelvertikale (vgl. oben):
Der Symmetrie wegen sind damit auch die π der zweiten Trägerhälfte bestimmt. Die Gleichungen 36., 37. gelten bei beliebiger Form des Untergurts. Ist derselbe, wie sehr oft, einem Parabelbogen vom Pfeile l eingeschrieben, dann hat man:
zm = m(n m)(4f)/n2.
Sollen die Grenzwerte der Stabkräfte bei gleichmäßig verteilter bewegter Last oder doch bei bestimmten Maximalwerten der Knotenpunktslasten berechnet werden (andre Fälle s. Grenzwerte, Einflußlinien), dann empfiehlt es sich, die Kämpferdrucklinie S zu verzeichnen (s. Kämpferdrücke). Dieselbe kann bei Bogen mit ausgesprochener Achse durch die Kämpfergelenke näherungsweise wie bei vollwandigen Bogen mit Kämpfergelenken angenommen werden (s. Bogen, einfache, und [15], § 16). Allgemeiner und genauer finden sich die Ordinaten b für beliebige Abszissen a aus der Gleichung:
worin H einer bei a angreifenden Einzeltakt P = 1 entspricht. Der Verlauf der Kämpferdrucklinie hängt dann von der Anordnung der Stäbe und Querschnitte ab. Er ergab sich beispielsweise für einen Träger der Stabanordnung Fig. 9 mit Zwischenträgern von Feldlänge wie darüber angedeutet. Doch kommt der genaue Verlauf in den Endfeldern bei der praktischen Verwendung der Linie S nicht zur Geltung. Die Grenzwerte der Stabkräfte ergeben sich für einfaches System mit Vertikalen aus 2. bei den wie folgt bestimmten Belastungen. In Fig. 1017 deuten fette Striche möglichst starke Belastung (Eigengewicht plus Verkehrslast), seine Striche möglichst schwache Belastung (Eigengewicht allein) der Knotenpunkte auf den betreffenden Strecken an. Die Diagonalen können auch andre Stellungen in ihren Feldern als in den Figuren haben (mit X-Gurtung unten auf der ersten Trägerhälfte, Fig. 2, 4, 6). In betreff der Ausnahmen für Kämpfervertikalen und Scheitelvertikalen muß auf das oben im Absatze nach den Formeln 8. Gesagte und auf [15], §§ 2223, verwiesen werden.
Gurtungen (Fig. 1013). Bei Berechnung eines beliebigen Gurtungsstabes ziehe man aus den Endgelenken Gerade durch den Schnittpunkt der beiden übrigen Stäbe des gleichen [166] Feldes bis zu den Durchschnitten mit der Kämpferdrucklinie S. Für die eine Grenzbeanspruchung sind die Knotenpunkte zwischen diesen Durchschnitten, für die andre die übrigen Knotenpunkte möglichst stark zu belasten. Im Falle beide Gurtungen in den Endgelenken zusammentreffen, gelten für die Grenzwerte von Z1, entsprechend Gleichung 10., dieselben Belastungen wie für die Grenzwerte von Z2.
Diagonalen (Fig. 14 und 15). Bei Berechnung einer Diagonale dm ziehe man aus den Endgelenken 0 und l Gerade R, R' durch den Schnittpunkt der beiden Gurtungsstäbe xm, zm ihres Feldes bis zu den Durchschnitten mit der Kämpferdrucklinie S. Es sind dann Belastungsgrenzen: 1. der Durchschnitt von S und R', wenn er zwischen 0 und Vertikale hm 1 liegt; 2. der Durchschnitt von S und R, wenn er zwischen Vertikale hm und l liegt; 3. der Schnitt s durch Feld m selbst, wenn eine Kraft vom Gelenk 0 in der Richtung auf den Durchschnitt von S und hm (Fig. 14 und 15) in anderm Sinne um den Schnittpunkt von xm und zm dreht, als eine Kraft vom Durchschnitt von S und hm 1 in der Richtung auf das Gelenk l.
Vertikalen (Fig. 16 und 17). Bei Berechnung einer Vertikale hm ziehe man aus den Endgelenken 0 und l Gerade R, R' durch den Schnittpunkt der Gurtungsstäbe xm, zm + 1 in den anliegenden Feldern bis zu den Durchschnitten mit der Kämpferdrucklinie S. Es sind dann Belastungsgrenzen: 1. der Durchschnitt von S und R', wenn er zwischen 0 und dem letzten Angriffspunkte der Verkehrslast (Fahrbahnlast) vor dem Schnitte s durch xm, hm, zm + 1 liegt; 2. der Durchschnitt von S und R, wenn er zwischen dem ersten Angriffspunkte der Verkehrslast nach jenem Schnitte s und l liegt; 3. der Schnitt s selbst, wenn eine Kraft vom Gelenk 0 in der Richtung auf den Punkt von S senkrecht über dem ersten Angriffspunkte der Verkehrslast nach s (Fig. 16 und 17) in anderm Sinne um den Schnittpunkt der Gurtungsstäbe xm, zm + 1 dreht, als eine Kraft von dem Punkte senkrecht über dem letzten Angriffspunkte der Verkehrslast vor s in der Richtung auf das Gelenk l.
Der Sinn der Beiträge, den die Lasten auf den verschiedenen Strecken zu einer bestimmten Stabkraft liefern, läßt sich auch ohne Kenntnis der Eigenschaften von Linie S (s. Kämpferdrücke) im voraus angeben, wenn man diese Stabkraft für eine Last P ausdrückt und berücksichtigt, daß bei allen Belastungsgrenzen Zeichenwechsel des Beitrags stattfinden. Doch ist diese Ermittlung praktisch nicht nötig. Man hat eben die Belastungsstrecken alternierend möglichst stark und möglichst schwach zu belasten, die zwei hierbei möglichen Fälle ergeben die beiden Grenzwerte der betreffenden Stabkraft. Die Grenzwerte der Stützenreaktionen treten bei möglichst starker Belastung und möglichst schwacher Belastung des ganzen Trägers ein. Mit den von der Belastung herrührenden Grenzwerten sind in allen Fällen die durch andre Einwirkungen (Temperaturänderungen u.s.w.) bedingten Grenzwerte so zu kombinieren, daß möglichst ungünstige, das heißt möglichst weit auseinander gelegene Grenzwerte im ganzen entstehen.
In den Ausdrücken 32.34. des Horizontalschubs treten zufolge 31 die Stabquerschnitte auf. Man hat also behufs Anwendung dieser Formeln zunächst eine vorläufige Berechnung der Stabquerschnitte vorzunehmen, z.B. auf Grund der Formeln für die Grenzbeanspruchungen von Bogenfachwerken mit drei Gelenken. Doch kann auch beabsichtigt werden, bei der vorläufigen Berechnung nur einige im voraus bestimmte Belastungsfälle zu berücksichtigen, z.B. Eigengewicht allein, Vollbelastung des ganzen Trägers und einseitige Verkehrsbelastung bis zur Trägermitte, womit man bei symmetrischen Trägern für jeden Stab vier Beanspruchungen erhält.[167] Bei solchen Rechnungen sind vereinfachte Formeln für den Horizontalschub selbst bei Bogenfachwerken mit Horizontalgurt zulässig. Wird beispielsweise in 32.34. der Einfluß der Füllungsglieder vernachlässigt, ein mittlerer Querschnitt fu des Untergurts eingeführt und das Verhältnis der Querschnitte des Untergurts und Obergurts konstant gesetzt:
(vgl. [4], S. 11), dann hat man nach 31.34. bei beliebigem einfachen System durch beliebige Belastung:
durch eine beliebige Temperaturänderung τ:
und durch eine Aenderung Δl der Spannweite:
worin die Summen sich nur noch auf alle Stäbe des Untergurts und Obergurts beziehen. In 40. kommt überhaupt kein Querschnitt mehr vor. Das Verhältnis γ liegt für Bogen mit ausgesprochener Achse nahe bei 1. und im allgemeinen etwa zwischen 1. und 3. Angesichts dieser Unsicherheit fragt es sich, ob nicht die Formeln 10., 11. für Bogen mit drei Gelenken oder die für vollwandige Parabelbogen mit zwei Gelenken im Falle ε = 0 geltende Formel (s. Bogen, einfache):
ebenso genaue Resultate liefern. Für letztere konnte näherungsweise gesetzt werden:
In der folgenden Zusammenstellung, die sich auf die von Engesser [4] berechnete Itterbrücke bei Eberbach in Baden bezieht (Fig. 18), ist für f einmal die Ordinate der Mitte zwischen Obergurt und Untergurt (2,79 m), das andre Mal der Pfeil des Untergurts gesetzt (2,48 m). Die Zahlen geben den Horizontalschub H für eine Last P = 1 in den angeführten Entfernungen a von den Kämpfern.
III. Weitere Fälle.
Einfache Bogenfachwerke ohne Gelenke werden in neuerer Zeit wieder häufiger ausgeführt. Die Schwarzwasserbrücke und Aarebrücke bei Bern, die Müngstener Brücke zwischen Solingen und Remscheid [14] sind Beispiele derselben. Bei ausgesprochener Bogenachse bis zu den Kämpfern hat man die Stützenreaktionen solcher Bogenträger früher allgemein nach den Formeln für vollwandige Bogen berechnet, die für beliebige Achsform und beliebige Veränderlichkeit des Querschnitts abgeleitet sind (s. Bogen, einfache, und [15], §§ 17, 34). Gegenwärtig kommen jedoch auch für Bogenfachwerke ohne Gelenke, insbesondere bei einfachem Fachwerksystem, meist die genaueren Beziehungen für statisch unbestimmte Fachwerke zur Verwendung (s. Fachwerke, statisch unbestimmte, und [14], S. 1327, [10], II, S. 324, [20] S. 31). Sobald die Stützenreaktionen bestimmt sind, kann die Berechnung der Stabkräfte bei einfachem Fachwerksystem nach den unter Fachwerke, statisch bestimmte, gegebenen Verfahren, bei mehrfachem System nach diesen und den unter Fachwerke, statisch unbestimmte, gegebenen Regeln erfolgen. Bezüglich der Grenzwerte kann man zunächst unter Verwendung der Ausdrücke für die Stützenreaktionen die Schnittlinie S und die Umhüllungslinien U, U' der Kämpferdrücke ableiten (s. Kämpferdrücke) und alsdann mit Hilfe dieser Linien die Belastung für die Grenzwerte in ähnlicher Weise erhalten, wie es oben für Bogenfachwerke mit zwei Gelenken festgesetzt ist, wobei nur die oben durch die Kämpfergelenke gezogenen Linien jetzt als Tangenten an die Umhüllungslinie zu ziehen sind [15], S. 175. Im übrigen ist auf die unter Grenzwerte angeführten Methoden zu verweisen ( s.a. Einflußlinien).
Durchlaufende Bogenfachwerke sind bisher fast nur als feste Hängebrücken ausgeführt worden, über die an andrer Stelle zu sprechen ist (s. Hängebrücken, feste). Für den unter Bogen, durchlaufende, zur dortigen Fig. 1 erwähnten Fall könnte bei ausgesprochener[168] Bogenachse bis zu den Stützengelenken der Horizontalschub näherungsweise nach den daselbst gegebenen Gleichungen berechnet werden (insbesondere bei mehrteiligem Fachwerk). Im übrigen gelten auch hier die obigen Gleichungen 31.35. und 39.42., worin nur jetzt L, ΔL an Stelle von l, Δl zu setzen ist, unter L die Summe der Spannweiten verbanden (unter ΔL die etwaige Aenderung von L), während sich die Summen Σ auf die Stäbe aller Oeffnungen beziehen. Auch die oben für einfaches System mit Vertikalen gegebenen Gleichungen bleiben bei diesem System für jede Oeffnung gültig. Dagegen liefern die angeführten Regeln für die ungünstigsten Belastungen nur die von der Belastung in der betrachteten Oeffnung l (innerhalb welcher der zu berechnende Stab liegt) herrührenden Grenzwerte mit denen die von den Temperaturveränderungen und der Belastung außerhalb l herrührenden Grenzwerte (den Grenzwerten der betreffenden Anteile von H entsprechend) so zu kombinieren sind, daß möglichst ungünstige, d.h. möglichst weit auseinander gelegene Grenzwerte im ganzen entstehen. Erhält eine der Oeffnungen ein Zwischengelenk, so entsteht die unter Bogen, durchlaufende, zur dortigen Fig. 2 besprochene Trägerart. Die Oeffnung mit Zwischengelenk ist bei Herstellung als Fachwerk ganz wie ein entsprechender Dreigelenkbogen zu berechnen (s. oben), während die Grenzwerte der Stabkräfte in den übrigen Oeffnungen zunächst wie für einfache Balken zu ermitteln sind (mit H = 0, s. Balkenfachwerke), worauf man die durch die Grenzwerte von H allein entstehenden Stabkräfte mit jenen Grenzwerten so zu kombinieren hat, daß möglichst ungünstige Grenzwerte im ganzen entstehen. Spezielle Formeln zur Berechnung solcher Bogenfachwerke [8], §§ 7381, Beispiele und Aufgaben dazu [9], §§ 93103, A 42 und 43. S. a. Fachwerke, statisch unbestimmte.
Literatur: [1] Ritter, Elementare Theorie eiserner Dach- und Brückenkonstruktionen, Hannover 1873 (letzter Abdruck 1904). [2] Mohr, Beitrag zur Theorie des Fachwerks, Zeitschr. des Arch.- u. Ing.-Vereins zu Hannover 1874, S. 509, und 1875, S. 17. [3] Seyrig, Le pont sur le Douro, Mémoires de la société des ingenieurs civils 1878, p. 748 ( s.a. Weyrauch, Ueber die Berechnung der Dourobrücke, Zeitschr. des Arch.- u. Ingen.-Vereins zu Hannover 1879, S. 421). [4] Engesser, Theorie und Berechnung der Bogenfachwerkträger ohne Scheitelgelenk, Berlin 1880. [5] Mohr, Beitrag zur Theorie des Bogenfachwerks, Zeitschr. des Arch.- u. Ing.-Vereins zu Hannover 1881, S. 243. [6] Krohn, Resultate aus der Theorie des Brückenbaues und deren Anwendung, erläutert durch Beispiele, II: Bogenbrücken, Leipzig 1883. [7] Müller-Breslau, Vereinfachung der Theorie statisch unbestimmter Bogenträger, Zeitschr. des Arch.- u. Ing.-Vereins zu Hannover 1884, S. 575. [8] Weyrauch, Theorie der statisch bestimmten Träger für Brücken und Dächer, Leipzig 1887, Abschnitte VI und VIII. [9] Weyrauch, Beispiele und Aufgaben zur Berechnung der statisch bestimmten Träger für Brücken und Dächer, Leipzig 1888, Abschn. VI und VII. [10] Müller-Breslau, Die graphische Statik der Baukonstruktionen, Bd. I, Leipzig 1887, Abschn. XI und XII; Bd. II, Leipzig 1903, Abschn. II. [11] Handbuch der Ingenieurwissenschaften, Bd. 2, XII: Theorie der eisernen Bogenbrücken und Hängebrücken von Melan, Leipzig 1890. [12] Bohny, Der kontinuierliche Zweigelenkbogen, Zeitschr. des Vereins deutscher Ingen. 1896, S. 1249, 1380. [13] Zschetzsche, Berechnung der Bogenbrücken bei Wirkung seitlicher Kräfte, Zeitschr. für Archit- und Ingenieurwesen 1897, S. 241. [14] Rieppel, Die Talbrücke bei Müngsten, Zeitschr. des Vereins deutscher Ingen. 1897, S. 1321, 1373, 1421. [15] Weyrauch, Elastische Bogenträger, ihre Theorie und Berechnung entsprechend den Bedürfnissen der Praxis, München 1897. [16] Bohny, Der Eingelenkbogen, Zeitschr. des Vereins deutscher Ingen. 1898, S. 147. [17] Die neuen Rheinbrücken zu Bonn und Düsseldorf, Zeitschr. des Vereins deutscher Ingen. 1899, S. 309. [18]Kunz, Die neue Straßenbrücke über den Niagarafluß, Zeitschr. des österr. Ingen.- und Archit.- Vereins 1899, S. 465, 477. [19] Mehrtens, Der deutsche Brückenbau im 19. Jahrhundert, Berlin 1900 (auch Zeitschr. des Vereins deutscher Ingen. 1900). [20] Frank, Ueber die analytische Bestimmung der elastischen Verrückungen von Fachwerken u.s.w., Stuttgart 1901 (Dissertation). S. a. Bogen mit Zugstange, Bogensehnenträger, Mittengelenkbalken und Fachwerke, statisch unbestimmte.
Weyrauch.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.