Fahrbahngerippe

Fahrbahngerippe

Fahrbahngerippe eiserner Brücken, aus den zwischen den Hauptträgern einer Brücke angeordneten Quer- und Längsträgern bestehend, dient zum unmittelbaren Tragen der Fahrbahntafel und der darauf liegenden Fahrbahndecke.

Die Querträger liegen bei einer Fachwerksbrücke in der Regel nur an den Knotenpunkten, so daß ihr Abstand der Knotenweite der Hauptträger entspricht.

Bei einer eisernen Brücke werden sie meist als Blechträger (Fig. 1), zuweilen auch als Gitter- oder Fachwerksträger (Fig. 2) konstruiert. Ihr Anschluß an die Hauptträger erfolgt in der Regel durch feste Vernietung mit den lotrechten Pfosten der Ausfachung oder den Gurtungsstehblechen. Diese feste Verbindung hat den Nachteil, daß ein nicht einfach zu berechnendes[574] Einspannungsmoment entsteht, das die Hauptträger auf Torsion bezw. deren Ausfachungsstäbe auf Biegung beansprucht, und daß ferner insbesondere bei Hauptträgern mit Doppelgurten eine mehr oder weniger exzentrische Belastung derselben nicht zu vermeiden ist. Um diesen Nachteilen zu begegnen, hat man in neuerer Zeit mehrfach bei ausgeführten Bauten (Brücke über die Merwede bei Dortrecht [5], Rheinbrücke bei Rhenen (Fig. 3), Maasbrücke bei Heumen, Wolgabrücke bei Twer, Belayabrücke und andre russische Brücken [4], Straßenbrücke von Tolbiac über die Seine bei Paris [8]) sowie bei Brückenprojekten (Konkurrenzprojekte über die Rheinbrücken bei Bonn und Worms [6]) die zentrische gelenkartige Auflagerung der Querträger in Anwendung gebracht. Hierzu dienen kleine Zapfen- oder Tangentialkipplager, mit denen die Querträger auf die Hauptträgergurtungen gesetzt sind (Fig. 3), oder es werden bei unterhalb der Hauptträger liegender Fahrbahn die Querträger gelenkig angehängt. Die Seitenabsteifung der Hauptträger verlangt dann allerdings meist eine Verbindung der Gurtungen, an denen die Querträger liegen, durch besondere, fest angeschlossene Querriegel (russische Brücken); bei den sogenannten offenen oder Trogbrücken (mit Fahrbahn unten und fehlender oberer Querverbindung) wird man überhaupt den festen Querträgeranschluß vorziehen.

Die Längsträger der Fahrbahn können bei ausreichender Konstruktionshöhe auf die Querträger aufgelagert werden; in der Regel werden sie aber zwischen dieselben versenkt und auch wieder fest an sie angeschlossen. Der Abstand der Längsträger richtet sich nach der Konstruktion und Belastung der Fahrbahntafel. Bei Straßenbrücken beträgt dieser Abstand etwa 0,7–1,5 m, Regeln für die ökonomisch günstigste Austeilung der Längsträger in [1]. Bei nicht zu großer Entfernung der Querträger genügen hier Walzträger; sonst werden die Längsträger meist als Blechträger ausgeführt. Bei Eisenbahnbrücken, die keine Schotterbettung erhalten, sind unter jedem Gleise zwei Längsträger anzuordnen. Dieselben tragen unmittelbar die Querschwellen und heißen deshalb auch Schwellenträger. Wird aber ein durchgehendes Schotterbett gegeben, so ist das Fahrbahngerippe wieder wie für eine Straßenbrücke anzuordnen. Die Feldergröße des von den Fahrbahnträgern gebildeten rechtwinkligen Netzes richtet sich nach der Konstruktion der Fahrbahntafel. Wird dieselbe aus Blechtafeln oder Buckelplatten hergestellt, die an allen vier Rändern eine Unterstützung erhalten sollen, so werden meist noch Zwischenquerträger oder sekundäre Querträger notwendig, die sich auf die Längsträger stützen.

Die feste Verbindung der Längsträger mit den Querträgern hat gewisse Nebenspannungen im Gefolge, die man gerne vermieden sehen möchte. So werden dadurch insbesondere auf die Querträger Torsionsmomente übertragen, welche die Trägerwandung und die Nieten an der Anschlußstelle der Längsträger sehr ungünstig beanspruchen; ferner wird infolge der festen Verbindung des Fahrbahngerippes ein Teil der Längskraft jenes Gurtes, an dem die Fahrbahn gelegen ist, in die Fahrbahnlängsträger übergehen, was wieder Horizontalbiegungsbeanspruchungen namentlich der gegen die Brückenenden zu gelegenen Querträger zur Folge hat.

Es ist deshalb verflicht worden, die feste Verbindung der Längsträger mit den Querträgern, die allerdings bei den ausgeführten Brücken noch immer die Regel bildet, durch bewegliche Anschlüsse zu ersetzen, wobei aber darauf Bedacht zu nehmen ist, daß die Auflagerungsstelle der Längsträger nicht zu weit von der Querträgerachse abrückt, da sonst auch wieder Torsionskräfte auftreten würden. Dieser bewegliche Anschluß kann erzielt werden: a) durch Verbindung mittels Gelenkbolzen; b) durch Auflagerung des Längsträgersteges auf zwischen die Anschlußwinkel eingesetzte Futterstücke; c) mittels Stützwinkel, die an den Steg des Längsträgers angenietet sind und sich auf eine an die Wand des Querträgers genietete Platte stützen; d) durch Anhängung der Längsträger an die Querträger mittels Federplatten; e) durch unmittelbare längsverschiebliche Auflagerung der Längsträger auf die Querträger.

[575] Die aus dem Harren Zusammenhange aller Teile einer Brückenkonstruktion durch Vernietung entstehenden schädlichen Neben- und Zusatzspannungen wurden in neuerer Zeit auch durch Einführung der »freischwebenden Fahrbahntafel« beseitigt. Die Durchführung derselben ist nicht nur auf die Einzelheiten der Eisenkonstruktion, sondern auch auf die Umrißlinien der Hauptträger und die Linienführung der Verbände von maßgebendem Einfluß. Das Wesen der Anordnung besteht darin, daß die gesamte Eisenkonstruktion eines Ueberbaues in zwei voneinander fast unabhängige Hauptteile zerlegt wird. Dieses Prinzip wurde 1895 von der Gesellschaft Harkort in ihrem Entwurf für die Bonner Rheinbrücke empfohlen und 1900 bei der Eisenbahnbrücke bei Worms verwirklicht; weitere Anwendungen dieses Prinzips zeigen: 1899 die Moselbrücke bei Trarbach (Straßenbrücke), 1904 Rheinbrücke bei Mainz (zweigleisige Eisenbahnbrücke). Bei letzterer (Fig. 4) sind die beiden voneinander unabhängigen Teile:

1. das Haupttragwerk (Bogenfachwerksträger mit Zugband), der obere und untere Windverband, die Endportale und sonstige senkrechte Querverbände, welche Teile sämtlich miteinander fest vernietet sind;

2. die Fahrbahntafel, bestehend aus den Querträgern nebst Fußwegkonsolen, Längsträgern, Geländer und dem Brückenbelag, welche Teile ebenfalls untereinander fest vernietet und verschraubt und als Ganzes mittels Hängestangen in die Haupttragkonstruktion freischwebend hineingehängt sind. Dabei ist aber eine Verschiebung der Fahrbahntafel sowohl in der Querrichtung infolge Winddrucks als auch in der Längsrichtung infolge von Bremskräften unmöglich gemacht. Die Querverschiebung wird aufgehoben durch konsolartige Vorsprünge des Querträgers (Fig. 5), die sich mit Kontaktflächen an die Knotenbleche des Windverbandes anlegen, ohne mit ihnen verbunden zu fein; die Festlegung der an den Hängestangen pendelnden Fahrbahn in der Längsrichtung geschieht ausschließlich am mittelsten Querträger, der beiderseits mit den Horizontalgurten (Zugband) der Hauptträger fest verbunden ist, wogegen die Längsträger der eingehängten Teile der Fahrbahn am Ende derselben in den Knotenpunkten 1 längsbeweglich gelagert sind (Fig. 6). Es kann somit eine Verkürzung oder Verlängerung der Hauptträger (insbesondere des Zugbandes) vor sich gehen, ohne die Fahrbahn in Mitleidenschaft zu ziehen. Zur Vermeidung von Biegungsbeanspruchungen der Hängestangen sind die Querträger an den Hängestangen mit Gelenkbolzen befestigt. Nähere konstruktive Details in [7].

Die Querträger werden als frei aufliegende Träger berechnet, obwohl in der Regel, wie oben bemerkt wurde, eine teilweise Einspannung vorhanden ist. Dasselbe gilt von den Längsträgern, sofern sie nicht, wenn auf den Querträgern liegend., als kontinuierliche Träger auf elastisch nachgiebigen Stützen angesehen werden können [1]. Es ist immer die ungünstigste Belastungsweise in Betracht zu ziehen, d.i. bei Straßenbrücken die Belastung durch die schwersten für den Verkehr auf der Brücke anzunehmenden Wagen, wobei die von den Wagen frei bleibenden Fahrbahnflächen mit Menschengedränge besetzt anzunehmen sind. – Die gewöhnliche Anordnung der Querträger ist normal zur Brückenlängsachse; auch bei schiefen Brücken wird durch entsprechende Austeilung der Knotenweiten der Hauptträger in der Regel diese normale Querträgerlage herbeigeführt. Eine hiervon abweichende Anordnung des Fahrbahngerippes rührt von Köpeke her. Hiernach werden die Querträger schräg unter etwa 45° zur Brückenlängsachse gelegt und besteht dann das Fahrbahngerippe aus zwei Scharen solcher sich nahezu rechtwinklig durchkreuzenden Träger. Zwischen der einen Schar sind dann noch nach Erfordernis parallel zur andern Schar laufende Zwischenträger eingeschaltet. Angewendet bei der Loschwitzer Elbebrücke und auch bei einigen Eisenbahnbrücken in Sachsen. Als Vorteil dieser Anordnung wird geltend gemacht, daß eine große Horizontalsteifigkeit erzielt wird und ein eigner Windstrebenverband an der Fahrbahn entfallen kann.


Literatur: [1] Winkler, Eiserne Brücken, Bd. 4, Querkonstruktionen, Wien 1884. – [2] Häseler, Der Brückenbau, 1. Teil, Eiserne Brücken, Lief. 2 und 3, Braunschweig 1893. – [3] Handbuch der Ingenieurwissensch., Bd. 2, Brückenbau, 2. Abt., Leipzig 1890. – [4] Rigasche Industrieztg. 1888, S. 205, 217; Engineering 1890, S. 95. – [5] Engineering 1882, Bd. 2, S. 157. – [6] Zentralbl. d. Bauverwaltung 1895, 1896. – [7] Zeitschr. d. Vereins deutscher Ingen. 1900, 1904. – [8] Le Genie Civil 1895, S. 305.

(Melan) Horowitz.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 5., Fig. 6.
Fig. 5., Fig. 6.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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