Aluminothermie

Aluminothermie

Aluminothermie (Thermitverfahren), im Jahre 1898 von Goldschmidt erfunden, beruht auf der längst bekannten Tatsache, daß Aluminium die Oxyde andrer Metalle bei sehr hoher Temperatur zu Metallen zu reduzieren vermag. Zur Erzeugung der hohen Temperatur verwendet Goldschmidt die hohe Verbrennungswärme des Aluminiums (7140 Kal. bei der Verbrennung von Aluminium zu Al2O3) selbst. Ein inniges Gemisch von zerkleinertem Aluminium mit dem zu reduzierenden Metalloxyd, das sogenannte Thermit, wird entzündet; die ziemlich hohe Entzündungstemperatur erzeugt man durch das Anbrennen einer leicht entzündlichen Mischung aus feinst pulverisiertem Aluminium und Baryumsuperoxyd.

Die Reaktion erfolgt unter starker Wärmeentwicklung (geschätzte Temperatur 3000° C), bei der das ausschmelzende Metall bis zur Weißglut erhitzt wird, während die sich bildende geschmolzene Tonerde als Schlacke obenauf schwimmt. Die Reaktion kann nur in mit Magnesia ausgekleideten Tiegeln vorgenommen werden. Je nach dem zur Reduktion gelangenden Metalloxyd unterscheidet man verschiedene Thermite (Eisen-, Mangan-, Chrom- u.s.w. Thermit). – Das Verfahren ermöglicht die Gewinnung verschiedener bisher nur äußerst schwer darstellbarer Metalle und Metalloide, wie Chrom, Mangan, Beryllium, Bor, Selen, Tellur u.a., in großen Mengen und in fast vollkommener Reinheit. Von großer Bedeutung ist die durch das Verfahren ermöglichte Herstellung verschiedener, höchst wertvoller Metallegierungen und aller Sorten von Stahl. Die erstarrte Schlacke ist härter als Korund und bildet pulverisiert das vorzügliche Schleifmittel Korubin oder künstlichen Korund. Aus dem Gemisch von Eisenoxyd und Aluminium oder Thermit (auch Eisenthermit) ist nach diesem Verfahren ein hocherhitztes schmiedbares Eisen (Thermiteisen) darstellbar; ein Zerreißstab aus solchem Eisen, der eine Zerreißfestigkeit von 38,7 kg per Quadratmillimeter und eine Dehnung von 19% aufwies, hatte folgende Zusammensetzung: Kohlenstoff 0,10, Mangan 0,8, Silicium 0,09, Schwefel 0,03, Phosphor 0,04, Kupfer 0,09, Aluminium 0,07%. Der Rest ist Eisen. Ein höherer Gehalt an Aluminium ist nur vorhanden, wenn sich der Thermit entmischt hat. Das Thermitgemisch ist daher vor dem Gebrauch sorgfältig durchzuarbeiten. Der Mangangehalt wird durch Zusätze zumeist erhöht; je nach diesen Zusätzen unterscheidet die Fabrik in Essen verschiedene »Marken«. Thermit wird, wie schon erwähnt, in besonderen Tiegeln zur Reaktion gebracht, die aus einem mit einer Magnesiaauskleidung versehenen Blechmantel bestehen. Das Thermiteisen sammelt sich auf dem Boden des Gefäßes, während die aus Aluminiumoxyd bestehende Schlacke, der sogenannte Korund, das Eisen bedeckt. Der Korund nimmt einen dreifach größeren Raum als das Eisen ein, während sein Gewicht etwa die Hälfte von dem des angewandten Thermits beträgt: aus 1 kg Thermit wird etwa 1/2 kg Eisen abgeschieden.

Verfahren bei Verwendung des Thermiteisens. Von dem geschmolzenen Thermiteisen kann die Korundschlacke entweder zuerst vom Eisen abgegossen werden, oder das Eisen wird, was viel einfacher ist, aus einem sogenannten Spitztiegel durch ein am Boden dieses Gefäßes befindliches Abflußloch abgestochen. Im ersten Falle verwendet man die sogenannten Spezialtiegel. Diese sind in verschiedenen Größen vorhanden, die zwischen 1 und 25 kg zur Reaktion gebrachtes Thermit aufnehmen können. Das Anzünden des Thermits und das Anfüllen dieser Spezialtiegel geschieht auf folgende Weise: Der Tigel ist – besonders wenn er an einem feuchten Orte gestanden haben sollte – zunächst zu trocknen bezw. anzuwärmen, was am besten mit Hilfe einiger glühender Kohle- oder Koksstücke geschieht. In den Tigel werden dann einige Löffel Thermit gegeben; in die größeren Tiegel können gleich einige Kilogramm Thermit eingefüllt werden. Mitten auf das Thermit wird eine kleine Messerspitze von dem obengenannten »Entzündungsgemisch« Häuschen aufgestreut. Der ausführende Arbeiter hat eine Brille mit dunklen Gläsern aufzusetzen. Durch Einstecken eines brennenden Sturmstreichholzes oder Berühren mit einem hellrotglühenden Eisenstabe wird nun das Entzündungsgemisch und durch dieses das Thermit zur Entzündung gebracht. Sodann wird Thermit mit Hilfe einer Handschaufel nachgegeben, so daß innerhalb einer Minute der Tiegel gefüllt ist. Tritt beim Zugeben des Thermits ein Sprühen ein, so muß man wenige Sekunden mit dem Nachgeben zuwarten. Weitere Mengen Thermit müssen in dem Maße, als das Reaktionsgemenge im Tiegel zusammensinkt, nachgeschüttet werden, so daß die Glut während des Niederbrennens bedeckt bleibt. Es folgt nun das überaus wichtige Abgießen der Schlacke, das einiger Uebung bedarf. Unmittelbar nachdem im Tiegel der letzte Rest Thermit verbrannt ist, was der Fall ist, wenn sich keine schwarzen Partikelchen mehr auf der hell strahlenden Oberfläche befinden, wird der Tiegel schnell zur Seite gekippt, wobei man zuerst stark, allmählich etwas langsamer gießt, um kein Eisen zu verlieren. Das Abgießen der Schlacke kann bei Tiegeln bis zu einem Inhalt von 4 kg von einem Mann besorgt werden. Bei den größeren Tiegeln sind hierzu zwei Arbeiter erforderlich. Während des Ausgießens des Korunds (Schlacke) muß ein Mann vor oder etwas seitlich vom Tiegel Aufstellung nehmen, der mit einem etwa 1,5 m langen, ca. 13–15 mm dicken, kalten und trockenen Eisenstab den Rest der Schlacke abzieht, die leicht an dem Stabe[169] anhaftet. Das flüssige, hoch über seinen Schmelzpunkt erhitzte Eisen ist mit Hilfe dunkler Gläser durch seine spiegelnde Fläche leicht von der Schlacke zu unterscheiden. Die Schlacke gießt man, um ein Spritzen zu vermeiden, in trockenen Sand oder in einen passenden trockenen Behälter. Ein sorgfältiges, rasches Abgießen der Schlacke ist die Grundbedingung einer guten Aufschweißung.

Bei der zweiten, bereits angedeuteten Ausführungsart wird die gesamte erforderliche Menge Thermit auf einmal in den Tiegel gegeben. Hierbei benutzt man die sogenannten automatischen Spitztiegel mit einem Fassungsraum von einem bis mehreren hundert Kilogramm, die ebenfalls aus einem mit Magnesia ausgekleideten Blechtrichter bestehen. Diese Tiegel haben im Boden eine aus einem durchbohrten Magnesiastein gebildete Ausflußöffnung, die für Tiegel bis etwa 50 kg Inhalt nicht größer als 10–15 mm im Durchmesser sein darf. Sollte sich die Oeffnung durch den nachfließenden Korund verstopft haben, so ist sie mit einem Bohrer entsprechender Dicke und Länge von oben her wieder auf das ursprüngliche Maß zu bringen. Auch diese Tiegel sind vorher etwas anzuwärmen. Das Entzünden des Thermits geschieht wie oben beschrieben. Sobald die Reaktion beendet ist – nach etwa 10–20 Sekunden – wird das Verschlußplättchen mit Hilfe eines Stiftes, der vor dem Füllen des Tiegels mit Thermit so in das Abflußloch eingesetzt wird, daß er das Plättchen nicht berührt, in die Höhe gestoßen. Die Wirkung des automatisch ausfließenden Thermiteisens wird an dem Durchschmelzen einer eisernen Platte besonders gut veranschaulicht. Will man beispielsweise eine Eisenplatte von 20–25 mm Dicke hierzu verwenden, so gebe man in einen Tiegel (von 25 cm Höhe) 2,5–3 kg Thermit. Unter dem Tiegel Helle man die Eisenplatte schräg auf, etwa an einen hochkantig aufgestellten Mauerstein. Zur Aufnahme des ausfließenden Reaktionsproduktes dient am bellen ein aus etwa 20 Mauersteinen abgegrenzter Raum von 75 × 75 cm im Geviert, dessen Boden gleichfalls aus zusammengelegten Mauersteinen hergestellt und mit einer dünnen, trockenen Sandschicht bestreut wird. Die durchzuschmelzende Stelle der Platte muß etwa 10–20 cm vom Ausflußloch des Tiegels abstehen. Durch das ausfließende Eisen entsteht sofort ein scharfkantiges fingerdickes Loch in der Platte, während diese selbst infolge des schnellen Durchschmelzens kaum erwärmt wird.

Bei einer Reihe von Arbeiten nach diesem aluminothermischen Verfahren kommt allein die erzeugte hohe Temperatur in Anwendung, ohne daß das abgeschiedene Eisen als solches Verwendung findet, so bei der Ausführung von Stumpfschweißungen schmiede- und flußeiserner Rohre, von Wellen, Stäben, Trägern u.s.w. Die Vornahme solcher Schweißungen geschieht derart, daß zunächst die an der Stoßstelle metallrein gemachten Enden mit Hilfe eines Klemmapparats stumpf aneinandergestoßen und mit einer entsprechenden Form umgeben werden. In diese Form wird die aus dem Thermit in einem Spezialtiegel hergestellte feuerflüssige Masse eingegossen, die in einer genau bestimmten Zeit die beiden Enden auf Schweißtemperatur erwärmt (Fig. 1). Es ist dann nur ein weiteres geringes Anziehen der Schrauben des Klemmapparates nötig, um durch den dadurch erzielten Druck die Schweißung völlig zu bewirken. Nach eingetretener Schweißung läßt sich die erstarrte Masse ohne weiteres leicht an der Schweißstelle abschlagen (Fig. 2).

Die folgenden Anwendungsarten des Verfahrens beruhen darauf, daß sowohl die hohe Temperatur als auch das gleichzeitig aus dem Thermit ausgeschiedene hocherhitzte, sehr weiche, kohlearme und schmiedbare Eisen Verwendung findet. Die Ausführung ist hierbei eine andre als bei den Stumpfschweißungen. Entweder hat man aus dem Tiegel zuerst die Schlacke (3/4 Raumteile des Tiegels) ganz abzugießen, oder man benutzt mit Vorteil das sogenannte automatische Verfahren. Im letzteren Falle fließt das in einem besonderen Spitztiegel zur Reaktion gebrachte Thermit eventuell unter Zuhilfenahme einer einfachen Abstichvorrichtung (Fig. 3) aus, und zwar ergießt sich das am Boden des Tiegels befindliche Eisen in die direkt darunter angebrachte Form, während der nachfließende Korund durch eine an dem oberen Teile der Form befindliche Oeffnung austreten kann. Das Einfließen des Eisens wird hierbei am besten durch einen an die Form angebrachten seitlichen Einlaufkanal bewirkt, so daß das Eisen in der Form von unten nach oben aufsteigen muß. Diese Ausführungsart kommt bei der Verschweißung von Schienen in Anwendung. Es wird bei dieser Ausführungsart neben einer Stumpfschweißung der Schienen eine fest mit den Schienenenden verschweißte Lasche aus weichem, schmiedbarem Thermiteisen erzielt. Diese Verschweißung von Schienenenden ist von Bedeutung für elektrische Bahnen auch in betreff einer guten Rückleitung des Stromes. Außerdem werden durch die Verschweißung die Stöße aufgehoben, was ein angenehmes Fahren bewirkt. Auf dieselbe Art ist ferner die Verschweißung von Schiffs- und Transmissionswellen u.s.w. ausführbar und schon mit Erfolg ausgeführt worden, wobei die betreffenden Stücke mit[170] einem Ringe aus Thermiteisen verschweißt bezw. umgossen werden. Diese Anwendungsart kommt für die Marine, Werften und Fabriken u.s.w. bei Wellenbruch in Betracht. Weitere Dienste leistet das Verfahren zur Ausbesserung fehlerhafter, gebrochener oder abgenutzter Stahlfassonguß- und Schmiedestücke. Unter Beobachtung einiger Vorsichtsmaßregeln lassen sich selbst Gußeisenstücke reparieren. Hierbei ist sehr oft die Entwicklung der Thermitreaktion auf der auszubessernden Stelle selbst notwendig, so z.B. bei dem Anschweißen abgebrochener Walzenzapfen. Es wird in diesem Falle das Thermit lediglich zum Aufweichen der betreffenden Stelle benutzt, während zur weiteren Ausführung der Arbeit flüssiger Stahlguß resp. Gußeisen verwendet wird. Derartige Anschweißungen mittels Thermits gewähren neben einer Ersparnis gegenüber dem alten Verfahren durch Ueberlaufenlassen von Eisen den Vorteil einer absolut sicheren Verbindung des Mutterstücks mit dem Aufguß. Zum Aufweichen derartiger Eisenflächen genügen per Quadratdezimeter 1,5–2 kg Thermit. In dem Thermit besitzt man ferner ein Mittel, jederzeit und überall geschmolzenen Stahl herzustellen, mit dem es möglich ist, plötzlich gebrochene Stücke, für die ein Ersatz nicht sogleich vorhanden, durch einen Neuguß zu ersetzen. Zur Erzielung eines dichten, porenfreien Gusses hat sich ein Zusatz von etwa 1/2% Titanthermit bewährt.

Metalldarstellung. Von besonderer Wichtigkeit ist die Darstellung reiner, kohlefreier Metalle und Legierungen, deren Reindarstellung auf andre Weise selbst im elektrischen Ofen bisher nicht möglich war. Genannt seien hier Chrom, Mangan und deren Legierungen, sowie Ferrotitan, Mangantitan, Ferrovanadium und Ferrobor.


Literatur: Dinglers Polytechnisches Journal 1903, Bd. 318, 47/48; Die Verwendung des Thermiteisens von Th. Goldschmidt, Essen-Ruhr 1903, 4. Aufl; Das Goldschmidtsche aluminothermische Verfahren, ebend.; Aluminogenet. Metalle u. Legierungen, ebend. 1903.

Bujard.

Fig. 1.
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Fig. 2.
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Fig. 3.
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http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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