Gießerei

Gießerei

Gießerei (Gießkunst). Die Formgebung von Körpern durch Einfüllen flüssiger oder flüssig gemachter Stoffe in Hohlräume von entsprechender Gestalt und das Erstarrenlassen in diesen bezeichnet man mit Gießerei oder Gießkunst.[529] Die einzelnen Zweige der Gießerei werden gewöhnlich nach dem vergossenen Stoff benannt: Eisen- und Stahlgießerei, Bronze-, Messing-(Gelb-), Rot-, Weißgießerei, Zinn-, Zink-, Bleigießerei, Stearin-, Gips-, Zementgießerei u.s.w.

Die Arbeiten, welche in den verschiedenen Zweigen vorgenommen werden, sind im allgemeinen die gleichen: Ueberführung des zu vergießenden Stoffes in gießbaren Zustand durch Wärme- oder Wasserzufuhr, Herstellung der Form, welche den durch das Gießen auszufüllenden Hohlraum enthält, das Vergießen, d.h. Füllen der Form, das Herauslösen des Gußstückes aus der Form und die Fertigstellung des rohen Gußstückes. Nur in einem einzigen Falle, bei der Herstellung des Schrotes, wird von der Herstellung einer Form abgesehen; die Schrotkörner erhalten Kugelgestalt, während die Bleitropfen eine größere Höhe durchfallen.

Die Verflüssigung, das Schmelzen der Metalle und Metallegierungen, erfolgt in Kupol-, Flamm- und Tiegelöfen; die leichtflüssigen schmilzt man auch in gußeisernen oder schmiedeeisernen Gefäßen. Der Kupolofen findet allein in der Eisengießerei Anwendung. Flammöfen dienen zum Einschmelzen von Flußeisen und Stahl, von Gußeisen und Bronze. Tiegelöfen werden bei Stahl, Gußeisen, Messing, Bronze, Weißguß u.s.w. benutzt. Bei der Wahl der Oefen hat man, abgesehen von den Schmelzkosten, in erster Linie zu berücksichtigen, ob das Metall oder Metallgemisch Berührung mit dem Brennmaterial oder den Verbrennungsprodukten verträgt. Ist das nicht der Fall, wendet man Tiegel- oder Gefäßöfen an, welche, wenn nötig, luftdicht verschlossen werden. Vgl. a. Oefen, metallurgische, und Eisengießerei.

Zur Herstellung der Formen werden die verschiedensten Stoffe benutzt. Formen, welche nur einen Guß aushalten sollen (verlorene Formen), stellt man aus Sand, Masse oder Lehm her; Formen dagegen, welche mehrere bis viele Abgüsse zulassen sollen (bleibende Formen) bestehen aus Gußeisen, Schmiedeeisen, Messing, Sandstein, Schiefer, Serpentin, Sepia, Gips, Zement, ja selbst Papier.

Die Formmateriale müssen im allgemeinen folgende Eigenschaften besitzen:

1. Genügende Widerstandsfähigkeit, so daß die daraus hergestellten Formen mindestens einen Guß aushalten, ohne Abbröckelungen und Risse zu erleiden und ohne zu sintern oder zu verbrennen oder zuviel Gase zu entwickeln.

2. Sie müssen die Formen des Gußstückes in aller Schärfe wiedergeben lassen, damit die Nacharbeiten am Gußstück auf das geringste Maß herabsinken.

3. Es darf kein Anhängen an das Gußstück stattfinden. Da, wo dies zu befürchten, überzieht man die mit Metall in Berührung kommenden Wände mit Kohlenpulver, Graphit, Kreide u.s.w.; bei dem Gießen von Gips, Zement u.a. wird die Form zu gleichem Zweck eingefettet.

4. Sie müssen die Wärme schlecht leiten. Es darf bei dem Vergießen der Metalle in der Regel keine zu schnelle Abkühlung erfolgen. Gußeisen wird dadurch abgeschreckt, d.h. es erhält eine Kruste harten weißen Eisens (Gußhaut), welche der Bearbeitung größere Schwierigkeiten bereitet; Bronze wird durch rasche Abkühlung in mehrere Legierungen zerlegt (aussaigern). Um dies zu vermeiden, stellt man die Formen aus schlechten Wärmeleitern her und erwärmt sie vielfach vor dem Guß, was auch bei Formen aus guten Wärmeleitern geschieht, um die Temperaturunterschiede zu vermindern.

Bei der Erzeugung des Hartgusses muß dagegen sehr schnell eine große Menge Wärme entzogen werden, damit das Gußeisen auf eine Tiefe von 25–50 mm rasch erstarrt und eine aus weißem Eisen bestehende harte, der Abnutzung großen Widerstand leistende Schicht erhält. Der hart zu gießende Teil des Gußstückes wird dann in der Form von einer erwärmten gußeisernen Schale umgeben.

Ueber die Herstellung verlorener Formen ist im Art. Eisengießerei das Nötige mitgeteilt worden; bleibende Formen werden durch Guß, durch Gravierung, durch Gesenkschmiederei, durch Einschlagen von Stahlpunzen (für Schriftlettern), durch Einschlagen, der noch weichen Formmasse (Papiermater) u.s.w. hergestellt.

Die Formen sind entweder zwei- oder mehr-, zuweilen vielteilig. Die Zahl der Teile, die immer so klein als möglich genommen wird, hängt von der Gestalt des Gußstückes ab. Zur Anfertigung der Form ist in den meisten Fällen ein Modell, ein getreues Abbild des Gußstückes, erforderlich, das nach dem Einformen durch Zerlegung der Form entfernt werden muß, um den Hohlraum entstehen zu lassen. Die Gestalt des Gußstückes ist hiernach bestimmend für die Zahl der Formteile.

In vielen Fällen benutzt man zur Herstellung der Form nur einen Teil des Modelles, eine Schablone (Schablonenformerei, s. Eisengießerei), um an Herstellungskosten zu sparen.

Soll das Gußstück Hohlräume enthalten, so müssen zur Bildung dieser in die Form besondere Teile (Kerne) eingelegt werden, bei deren Herstellung im allgemeinen dieselben Regeln zu befolgen sind wie bei Herstellung der Formen. (Ueber die Regeln bei Herstellung der Modelle und Kerne, die Hilfsmittel dazu, die Benutzung der Formplatten und Formmaschinen s. Eisengießerei.) Nur müssen die Kerne nachgiebig sein, damit die Zusammenziehung des Gußstückes bei dem Erkalten ohne Ueberwindung größerer Widerstände geschehen kann und das Auftreten von Spannungen im Gußstück vermieden wird. Für die Stützung der Kerne erhält die Form Kernlager, die gewöhnlich durch am Modell angebrachte Ansätze (Kernmarken) bei dem Abformen ohne weiteres mit entstehen. Darf der Hohlraum des Gußstückes unregelmäßig gestaltet sein, so kann man sich in manchen Fällen des Stürzens bedienen. Die Form wird, nachdem an deren Wänden eine Schicht Metall, Ton u.s.w. von genügender Dicke erstarrt ist, umgekehrt (gestürzt), um das noch flüssige Innere ausfließen zu lassen.

Jede Form muß mindestens eine Oeffnung für das Füllen (Einguß) besitzen; häufig sind mehrere Eingüsse vorhanden, um die Form schnell von mehreren Punkten aus füllen zu können.

Sehr häufig müssen neben den Eingüssen Windpfeifen und Steiger angebracht[530] werden. Die Windpfeifen haben den Zweck, der den Hohlraum füllenden Luft und den sich bildenden Gasen und Dämpfen rasch Abzug zu gewähren; sie müssen immer an den höchsten Punkten des betreffenden Formteils und so angebracht werden, daß die völlige Füllung der Form gesichert ist. Die Steiger sollen einmal als Windpfeifen wirken, dann aber auch den Stoß bei plötzlichem Füllen der Form verhindern (s. Eisengießerei).

In manchen Fällen wird in der Form ein höherer Druck hergestellt, als der Formhöhe und dem spezifischen Gewicht des Metalles entspricht. Man setzt vielfach auf die Form noch eine Flüssigkeitssäule (einen verlorenen Kopf) auf, wodurch ein reinerer Guß entsteht und die Bildung von Hohlräumen (Saugen) vermieden werden kann. Auch durch Zentrifugalguß (s. Eisengießerei) läßt sich ein höherer Druck herstellen. Endlich preßt man das Metall gewaltsam mit Hilfe einer Pumpe (Gießpumpe) in die Formen, um scharfe Abgüsse, z.B. bei der Herstellung der Drucklettern, zu erzielen. Vgl. Schriftgießerei.

Ueber die bei dem Vergießen selbst zu berücksichtigenden Punkte und über die an den Gußstücken vorzunehmenden Nacharbeiten ist alles Erforderliche im Art. Eisengießerei mitgeteilt. Ebenso enthält dieser Artikel einen ausführlichen Literaturnachweis, der nur durch folgendes zu ergänzen ist: Harzer, F., Glockengießerei, Weimar 1854; Otte, H., Glockenkunde, Leipzig 1858; Bachmann, J.K., Schriftgießerei, Leipzig 1867; Journal für Buchdruckerkunst; Archinowitz, Th., Die Papierstereotypie, Karlsruhe 1862.

Lüdicke.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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