- Grubenmessungen [1]
Grubenmessungen (s.a. Grubeninstrumente und Markscheidekunde). Außer der gelegentlich vorkommenden Schachtmessung, Orientierungsmessung, Grubennivellierung versteht man unter Grubenmessung im engeren Sinne die zum Betriebe fortlaufend nötigen Kompaß- und Theodolitmessungen zur Schaffung von Festpunkten, Einmessung von Strecken, Angabe von Durchschlägen und geologischen Feststellungen.
Kompaßzug. Vor oder nach dem Ziehen nimmt man auf der Orientierungslinie die Größe der Deklination (einschließlich Indexfehler) ab. Die magnetischen Variationen liegen innerhalb der Messungsgenauigkeit und brauchen nicht berücksichtigt zu werden. Ist die Sohle zur Aufstellung geeignet, so kann man den Stativkompaß verwenden, allenfalls mit optischer Distanzmessung. Meist verwendet man aber das Hängezeug. Man spannt dann zwischen Pfriemen oder Nägeln die Verziehschnur zu 10 m bis 20 m langen Seiten, mißt jede einzelne Schnur nach Streichen, Fallen und Länge, mißt auch alle geologischen Besonderheiten auf die Schnüre, und Sohle, Firste und Stöße gegen die Eckpunkte ein. Früher wurden alle Angaben auf die Kompaßzüge begründet, und wo man nicht in erdmagnetische Störungsgebiete oder sonst unter den Einfluß von Eisen geriet, erhielt man doch mit dem Kompaß, trotzdem er nicht[649] korrigierbar ist und nur eine geringe Ableseschärfe hat, überraschend gute Resultate, so daß man große Durchschlage ausführen konnte. Mancher Durchschlag ist freilich auch mißglückt, oft nicht durch die Schuld des Markscheiders, sondern aus nicht erkannten magnetischen Störungen; man suchte dann mit dem von Borchers angegebenen Apparat den Zusammenschluß. Die günstige Fehlerfortpflanzung im normalen Kompaßzug hat ihren Grund darin, daß jede Streichrichtung von der andern unabhängig ist, so daß die Fehler sich nur in Parallelverschiebungen, nicht in Verdrehungen fortpflanzen. Ist ± ε der mittlere Fehler der Kompaßangabe, so ist für einen gestreckten Zug von der Gesamtlänge L und gleichen Seiten s der mittlere Schlußquerfehler
[1], S. 750. Man nimmt für Kompaßzüge deshalb nur kurze Seiten. In der Nähe von Eisen, wo die Nadel aus dem magnetischen Meridian abgelenkt wird, muß man in jedem Endpunkte mit dem Kompaß eine eigentliche Winkelmessung ausführen; für die Fehlerfortpflanzung gilt dann dasselbe was beim Theodolitzug. Hier ist der Stativkompaß im Vorteil. Mit dem Hängezeug hat man den Kompaß zentrisch unter die Eckpunkte aufzuhängen (s. Grubeninstrumente, Fig. 7 und 8), entweder mit Kreuzschnüren, wobei man die Schnüre so spannt, daß sie sich in den Eckpunkten kreuzen, oder mit einem Hilfshängezeug, wenn nötig unter Verwendung langer Pfriemen. In Preußen heißt man dieses Verfahren die Lindigsche Manier. Aus einer eisenfreien Schnur leitet man nacheinander das Streichen der darauffolgenden Schnüre ab und man erhält durch den Anschluß an eine zweite, eisenfreie Schnür eine Probe.
Heutzutage, wo in den Gruben allenthalben Eisen zu Schienen, Rohrleitungen und zum Einbau verwendet wird, wo auch vielfach elektrische Betriebe eingerichtet werden, sind die Kompaßzüge mehr und mehr unsicher. Deshalb nimmt man Kompaßzüge nur noch zu untergeordneten und vorläufigen Aufnahmen, zur Festlegung der Abbaustrecken und Abbaugrenzen innerhalb der Baufelder, und läßt sie meist durch die Gehilfen ausführen. Man spannt die Schnüre möglichst vom Eisen (Schienen, Rohre) entfernt und läßt dann den Eiseneinfluß unberücksichtigt. Außerdem werden Kompaßzüge benutzt zu den geognostischen Aufnahmen in der Grube und durch den Markscheider selbst ausgeführt.
Theodolitzüge. Die wichtigeren Aufnahmen der Grundstrecken, Teilfohlen, Bremsberge, Grenzüberhauen und der Unterwerksbaue werden mit dem Theodolit gemacht. Läßt sich das Instrument auf der Sohle aufstellen und die Längenmessung auf der Sohle ausführen, so mißt man den Theodolitzug in der Grube wie über Tage; nur hat man gewöhnlich unter den Festpunkten aufzuhellen und scharf zu zentrieren, die von rückwärts beleuchtete Lotschnur anzuzielen und für die Längenmessung die Polygonseite mit Grubenlampen auszufluchten. Bei geneigten Strecken mißt man auch die zur Reduktion der flach gemessenen Längen nötigen Höhenwinkel mit. Bei kurzen Seiten oder beim Fehlen einer festen Sohle mißt man besser mit »verlorenen Punkten«. Man benutzt die Breithauptsche Steckhülsenvorrichtung (s. Grubeninstrumente) unter Verwendung dreier Stative oder Haltearme. Oder man nimmt die Freiberger Aufstellung mit einer Reihe von Aufstellungsschrauben. Zum Anschrauben benutzt man Holzstempel oder schlägt vertikale oder horizontale Spreizen. Für die flachen Längen mißt man zugleich die Höhenwinkel, hin und her aber je nur in einer Fernrohrlage [2], S. 198. Die Breithauptsche und die Freiberger Aufstellung erfordern zwar einen größeren Apparat und in der Grube mehr Gehilfenarbeit, aber sie beseitigen den schlimmsten Fehler, die Zentrierungsungenauigkeit, fast ganz, und machen eine Grubennivellierung im allgemeinen unnötig. Hat man keinen solchen Apparat, aber bei wichtigen Messungen gelegentlich kurze Zugseilen, so kann man zwei Theodolite in Kollimatorenstellung zur Winkelmessung benutzen. Bei Theodolitzügen werden die Horizontalwinkel gewöhnlich mit zweifacher Repetition gemessen. Die Fehlerfortpflanzung ist sehr ungünstig, da ein Winkelfehler eine Verschwenkung des ganzen darauffolgenden Zugstücks mit sich bringt. Für einen gestreckten Theodolitzug mit vielen gleichen Seiten s und der Gesamtlänge L hat man für den mittleren Winkelfehler s den mittleren Schlußquerfehler
zu erwarten [1], S. 750. Man schaltet deshalb bei langen Zügen gern eine Magnetorientierung zur Richtungsverbesserung ein (s. Orientierungsmessungen). Die Messungen für Durchschlagsangaben müssen mit besonderer Schärfe ausgeführt werden. Die Winkelmessung in steilfallenden Schächten erfordert besondere Vorsicht in bezug auf die Horizontierung und die Unveränderlichkeit der Aufstellung; es ist eine empfindliche Kippachsenlibelle erforderlich [3]. Statt unbequemer nach oben gerichteter steiler Zielungen kann man mit Hilfe eines künstlichen Horizonts die leichteren nach abwärts gerichteten Visuren nehmen; der Höhenwinkel ist aber dann um den Winkel am Zielpunkt zu korrigieren (s. Künstlicher Horizont). Die Berücksichtigung des Temperatureinflusses auf lange mit dem Stahlband gemessene Grubenzüge [3] kann zusammen mit der Reduktion der Längen tiefer Sohlen auf den Vermessungshorizont erfolgen.
Die Schachtteufenmessung geschieht entweder mit belastetem Meßdraht, den man über ein Meßrad gehen läßt, oder den man stückweise zwischen zwei Marken aufzieht. Oder man schlägt innerhalb der Meßbandlänge starke Nägel senkrecht untereinander in die Schachtzimmerung ein und mißt abschnittweise mit dem Meßband. Wegen der damit verbundenen Unbequemlichkeit fertigt man Schachtmeßbänder in Längen bis 500 m an, man hat dann aber außer dem Temperatureinfluß die Längung durch Eigengewicht zu berücksichtigen [4].
Grubennivellierungen werden mit der Stand- und mit der Hängelatte ausgeführt. Gebraucht man aber die eine im Sinne der andern, also die Standlatte zum Anhalten an Festpunkte an der Firste, so ist das Vorzeichen der Ablesung umzukehren und der doppelte Unterschied der Lage zwischen Lattenfußpunkt und Teilungsnullpunkt in Rechnung zu ziehen. Die Höhen der[650] Grubenpunkte werden jetzt allgemein auf Normal-Null bezogen, früher hat man auch wohl, um nur positive Höhenzahlen zu haben, den Horizont unter die tiefste Sohle verlegt. Zu beachten sind die Verschiebungen in der Grube und auf dem Grubenfeld sowohl durch den Abbau als manchmal an Verwerfungsspalten durch natürliche Erschütterungen. Zur Bestimmung der Höhenänderungen werden von Zeit zu Zeit große Grundnivellements durch ganze Bergwerksgebiete gemacht.
Weitere Grubenmessungen s. Orientierungsmessungen und Schachtlotung. Für die Grubenmessungen gilt in vermehrtem Maße der Grundsatz: Keine Messungszahl ohne Kontrolle! Denn die äußeren Umstände, wie schlechte Beleuchtung und große körperliche Anstrengung, bringen eine größere Unsicherheit mit sich, auch fehlt die über Tage vielfach zu erreichende Anschlußkontrolle in der Grube ganz.
Literatur: [1] Jordan, Handbuch der Vermessungskunde, Bd. 2, Stuttgart 1878. [2] Uhlich, Lehrbuch der Markscheidekunde, Freiberg i. S. 1901. [3] Ders., Beiträge zur Markscheidekunde, Mitteil. a. d. Markscheiderwesen, Heft 1, 1899. [4] Haußmann, Beiträge zur Theorie des Stahlmeßbands, Mitteil. a. d. Markscheiderwesen, Heft 4, 1902.
Haußmann.
http://www.zeno.org/Lueger-1904.